Leonhardifahrten

Die Leonhardifahrten fehlen uns!

Hl. Leonhard am Kalvarienberg in Bad Tölz, Foto: IK

Brauchtum im Oberland

Coronabedingt muss diese jahrhundertealte Tradition der Leonhardifahrten heuer leider ausfallen. Deshalb wollen wir online dieses bedeutende Brauchtumsfest würdigen.

Der Heilige Leonhard wird seit dem 11. Jahrhundert in Altbayern verehrt, noch heute feiern über 50 Gemeinden „Leonhardi“ mit Pferdefahrten und Umritten. Allein im Landkreis Miesbach finden fünf große Leonhardifahrten statt – in Reichersdorf, Warngau, Hundham, Schliersee und Kreuth. Im Nachbarlandkreis haben die Leonhardifahrten insbesondere in Bad Tölz eine lange Tradition.

Wer ist dieser Heilige Leonhard? Was ist von ihm überliefert?

Leonhard wurde um 500 in Frankreich in der Provinz Limousin nahe der Hauptstadt Limoges geboren. Er stammte aus edlem fränkischen Geschlecht und lernte am Merowinger Hof die christliche Religion kennen. Er nahm ein Studium auf und wurde zum Priester geweiht. Mit großer Überzeugungskraft bekehrte er viele Heiden zum Christentum und heilte Kranke, sein Ruf wuchs und der König wollte ihn an sein Land binden und ihm einen Bischofssitz übertragen – aber Leonhard entsagte und zog sich in ein Kloster nahe Orleans zurück. Später ließ er sich als Einsiedler in einer Waldwildnis bei Limoges nieder. Viele Menschen suchten ihn dort auf – die Bauern holten sich bei ihm Rat wegen seines Wissens bei Viehkrankheiten. Als Leonhard der Gemahlin des König Chlodwig I. in schwerer Not beistehen konnte und sie genas, schenkte der König dem Kloster Land und Wald – Leonhard wollte aber nur so viel Grundbesitz, als er in einer Nacht mit seinem Esel umreiten könne.

Leonhard besuchte Gefangene

Bald entstand dort auch eine Kirche und Leonhard übte das Amt des Abtes mit großer Hingabe und Vollkommenheit aus. Viele Pilger kamen und holten sich Rat und Trost bei ihm. Unermüdlich besuchte Leonhard auch Gefangene und erreichte beim König vielfach ihre Befreiung von den Ketten. Um diese gefährdeten Menschen vor Müßiggang und Rückfall zu schützen vertraute der kluge und weitsichtige Abt ihnen Rodung und Bebauung an, so entstanden bäuerliche Siedlungen und entwickelte sich die Landwirtschaft. Viel verehrt und hoch betagt verstarb der Heilige am 6. November 559.

Leonhardifahrten
Leonhardiwagen vor der Kreuther Kirche St. Leonhard, Foto: IK

Schutzpatron der Tiere und bäuerlicher Nothelfer

In Altbayern gehört Leonhard zu den 14 Heiligen Nothelfern und wird seit dem 11. Jahrhundert verehrt. Er ist Schutzpatron der Tiere, vor allem des Viehs und der Pferde, er ist Helfer in allen Situationen des bäuerlichen Lebens. Er hat Gefangene von den Ketten befreit – zu seinen Lebzeiten wurden bekanntlich auch Geisteskranke in Ketten gelegt; er ist Fürsprecher für alle Berufe im bäuerlichen Umfeld – so wird er in Bayern respektvoll auch „Bauern-Herrgott“ genannt. Seine Attribute sind Bischofsstab und Buch, Pferd und Rind und Kette.

Leonhardifahrten
Detail eines Truhenwagens, Foto: IK

Leonhardi – Brauchtum und Verehrung

Schon Tage vor dem Fest zeigen sich Vorzeichen: Pferde werden eingespannt und die Strecke wird abgefahren – nicht immer ist die Wegführung einfach und es ist gut, wenn die Pferde den Verlauf kennen. Mit viel Geschick werden die Wagen geschmückt – grüne Girlanden aus Tannengrün, Almrausch, Islandmoos, Kronawitter und Asparagus werden kunstvoll gebunden und angebracht – schon das Holen und Schneiden des Grünzeugs bereitet viel Mühe. Und die Rösser werden gewaschen und gestriegelt, vielleicht Muster auf die Kruppe gebürstet; Mähnen und Schweif müssen ein Schmuck sein – in lockeren Wellen wehen oder kunstvoll eingebunden werden mit Bändern, Blumen und Grünzeug. Die Hufe müssen glänzen.

Leonhardifahrten
Vorbereitungen zu Leonhardi in Kreuth, Foto: IK

Die Geschirre sind der Stolz des Besitzers – gepflegtes Lederzeug mit blitzenden Schnallen und reichen Verzierungen werden bewundert, Sattel und Zaumzeug werden auf Hochglanz gebracht – die Pferde sind auf das Prächtigste herausgeputzt und geschmückt!

Und die Menschen ziehen ihr bestes Sach – Gewand – an. Und dann geht’s los: Schon um 6 Uhr früh werden die Kreuther mit Böllerschüssen geweckt, um 9 Uhr versammeln sich alle zum Kirchenzug vor dem Hotel zur Post und die Wallfahrt geht mit Musik begleitet den Kirchberg hinauf zur hl. Messe.

Freialter in Kreuth
Freialtar in Kreuth, Foto: IK

Bei schönem Wetter sammeln sich alle auf der Wiese vor dem Handlhof gegenüber der Kirche – alles ist festlich geschmückt, der Altar aufgebaut – der Gottesdienst wird in gläubiger Andacht gefeiert. Hochwürdigste Festprediger werden alljährlich aus allen Himmelsrichtungen eingeladen, bewegen Herz und Sinne der Gläubigen und erreichen auch die Gedankenwelt unruhig Gott suchender Menschen. Jeder will vom Segen und der Fürbitte des Hl. Leonhard etwas mitnehmen oder erspüren dürfen.

Schalkfrauen
Schalkfrauen beim Gottesdienst, Foto: IK

Anschließend fahren die prächtig geschmückten Pferdegespanne und die kostbaren Truhenwägen drei Mal um die Kirche, die Mitfahrenden beten und die Geistlichkeit erteilt den ersten Segen mit Weihwasser, den zweiten Segen mit Weihrauch und den dritten Segen mit dem Kreuz – so ist seit alters her der Brauch.

Leonhardifahrten
Prächtige Gespanne bei der Leonhardifahrt in Kreuth, Foto: IK

Auch wer weder Ross hat noch Reiter ist, kann sich dem Zauber eines solchen Festtages nicht entziehen. Umso trauriger, dass dieses Fest heuer ausfallen muss.

Lesetipp: Leonhardifahrten aus der Sicht des Fotografen Tobias Hohenacker

Unsere Autorin Isabella Krobisch Isabella Krobisch schrieb diesen Beitrag unter Verwendung eines Textes von Ingrid Strauß zur Leonhardifahrt in Kreuth, herausgegeben vom Verein KulturVision im Jahr 2009.

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