Resilienz

Resilienz heißt auf Krisen vorbereitet zu sein

Vorräte anlegen, innere und äußere. Foto: silviarita Pixabay

Zoomvortrag im Zukunftsforum

Warum boomt heute der Begriff der Resilienz? Was bedeutet er für den Einzelnen und für die Gesellschaft? Was können wir aus Krisen wie Corona und Klimawandel lernen? Diese Fragen beantwortete Dr. Martin Schneider per Zoom auf Einladung des Zukunftsforums von anders wachsen.

Das Zukunftsforum ist als Antwort auf die gegenwärtige Situation entstanden. Nachdem vor sechs Jahren die Initiative anders wachsen – Alternativen für das Leben im Oberland gegründet wurde und sich als Kooperation zwischen KulturVision e.V. und Katholischem Bildungswerk im Landkreis Miesbach mit einer jährlichen Veranstaltungsreihe etablierte, kam Corona. In einer ersten Reaktion wurde das Mitmachprojekt Dokurona ins Leben gerufen. „Was Corona mit uns macht“ zeigt mit vielen Beiträgen den Status Quo auf.

Jetzt aber geht die Initiative einen Schritt weiter. Mit dem Zukunftsforum werden Visionen, Utopien, Träume gesammelt, wie sich die Menschen eine lebbare Zukunft wünschen. Aus deren Analyse sollen Handlungsimpulse für die Gegenwart abgeleitet werden. Begleitend dazu findet eine Vortragsreihe statt.

Dr. Martin Schneider
Dr. Martin Schneider. Bildschirmfoto: Becky Köhl

Sie wurde mit dem Thema „Resilienz“ eröffnet, denn das Zukunftsforum möchte mit dieser Initiative auch die Widerstandsfähigkeit der Menschen stärken, wenn sie sich in der tristen Gegenwart mit ihren Zukunftsvisionen befassen. Ausgewiesener Experte für das Thema ist der Moraltheologe und Sozialethiker Martin Schneider von der LMU München, derzeit mit einem Lehrauftrag an der Katholischen Universität Eichstätt.

Abwälzung auf den Einzelnen

Wie könne man Corona und andere Krisen bewältigen? fragte er in seinem lebendigen und mitreißendem Impulsreferat und zählte Resilienzfaktoren auf, wie Akzeptanz, Zuversicht, Selbstwirksamkeit und Lösungsorientierung. Wichtig sei, nicht in die Opferrolle zu verfallen, sondern mit Anpassungsfähigkeit und Flexibilität zu reagieren. Leider finde derzeit eine Entpolitisierung und Abwälzung des Themas auf den Einzelnen statt, anstatt dass Strukturen in Politik und Wirtschaft geändert würden.

Resilienz
Welche Faktoren fördern Resilienz? Folie: Martin Schneider

Martin Schneider unterschied dabei zwischen Prävention, also Verhinderung künftiger Krisen und Resilienzstrategien, also den Umgang mit unvorhersehbaren Krisen, wie der Pandemie. Bei der Prävention komme es insbesondere auf die Ursachen der Krise, etwa Ursachen von Flucht, an. Bei der Resilienz indes müsse man langfristig Vorbereitungsstrategien entwickeln und sich auf die Folgen vorbereiten.

Problembewusstsein schaffen

Dabei gehe es in erster Linie um Ehrlichkeit. Der Vortragende zitierte Greta Thunberg ebenso wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, die den Klimanotstand emotional in Worte kleideten und formulierte die These: „Ehrlich ansprechen und aus dem Schmerz ins Handeln kommen.“

Er gab dazu eine Reihe von praktischen Vorschlägen. Man müsse zunächst ein Problembewusstsein schaffen, um wachsam für die neuen Realitäten zu sein. Danach möge man äußere und innere Ressourcen bevorraten. Nahrungsmittel und Energie ebenso wie medizinische Ausrüstungen, aber auch innere Haltungen wie Zuneigung, Achtsamkeit, Respekt und Liebe. Wichtig sei daneben das Prinzip der Modularität oder des Dorfprinzips, um notfalls autark sein zu können.
Resilienz
Vorbereitet sein ist alles. Folie: Martin Schneider

Offenheit und Vielfalt empfahl Martin Schneider insbesondere der Wirtschaft, dass man also regional nicht ausschließlich auf Autoindustrie oder nur Tourismus setze, sondern neue Pfade ausprobiere, wobei das zentrale Ziel sein müsse, die Handlungsfähigkeit zu erhöhen. Dies geschehe am besten durch einen Übergang von einem stabilen System in ein offenes, vitales und lernendes System, das die notwendige Transformation fördere. Dabei solle man die Vielfalt der Möglichkeiten, die Ambiguität, tolerieren.

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Schmerz zulassen

Die Gegenbilder zu seinen Vorschlägen benannte er als Schlafwandler, Effizienz, Ansteckungsketten, Monokulturen, Stagnation und Vereindeutigung und betonte noch einmal den Unterschied zwischen Prävention, also Verhinderung und Resilienz, also vorbereitet sein.

In der Diskussion wurde deutlich, dass es bei Resilienz darum gehe, aus Fehlern und Reflexion zu lernen, um in einen besseren Zustand zu gelangen. „Für eine nachhaltige Entwicklung muss man den Schmerz zulassen“, betonte Martin Schneider. Das betreffe nicht nur den Einzelnen, sondern die ganze Gesellschaft. Als Übungsfeld, so schlug ein Teilnehmer vor, solle man die Partnerschaft hernehmen. Ehrlichkeit und Kritik am Weltbild könne man hier täglich ausprobieren.

Ehrlichkeit und Empathie anstelle von Angst und Unsicherheit müsse auch von oben kommen, sagte Wolfgang Huber, vor drei Jahren Sparringspartner von Marin Schneider im Foolstheater.

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In der Politik allerdings fehle zu oft Reflexion und das Eingeständnis von Fehlern. „Fast niemand hält lernende Politiker aus“, meinte Martin Schneider.

Der nächste Vortrag im Rahmen des Zukunftsforums von anders wachsen findet am Dienstag, 23. Februar um 19 Uhr statt. Der Zukunfts- und Risikoforscher Dr. Rainer Sachs spricht zum Thema „Wege ins Ungewisse – Veränderungen, Risiken und Möglichkeiten.“ Anmeldungen nimmt das KBW Miesbach entgegen. Wer sich am Mitmachprogramm mit seinen Zukunftsvisionen beteiligen möchte, bitte unter mz@kulturvision.de oder 08020/9043094 melden.

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