Die neuen evangelischen Pfarrer in Holzkirchen: „Auf die Dauer hilft nur Power“
Ulrike und Matthias Lorentz: Die neuen evangelischen Pfarrer in Holzkirchen. Foto: Volker Camehn (Ausschnitt)
Neu in Holzkirchen
Religion lebendig halten: Seit gut einem Monat arbeiten Ulrike und Matthias Lorentz als Pfarrer in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Holzkirchen.
Das Büro ist immer noch nicht vollständig eingerichtet. „Da stehen noch Kisten rum“, sagt Ulrike Lorentz. Deswegen geht es jetzt, nach dem Interview im Holzkirchner Thomashaus, zum Fototermin schnurstracks über den Hof in die Segenskirche – ein zwölfeckiger, freundlich – weil hell – anmutender Kirchenbau aus Holz, Glas, Stahl und Naturstein. 350 Leute haben hier gewöhnlich Platz. Pandemiebedingt sind zur Zeit gerade mal 80 Leute zugelassen.
Ein Ehepaar als neues Pfarrer-Duo
Der Ort ist natürlich nicht zufällig ausgewählt: Seit gut einem Monat ist er nun der Arbeitsplatz von Ulrike Lorentz, 52, und ihrem Mann Matthias, 54. Als die neuen evangelischen Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Holzkirchen sind sie als Nachfolger von Wolfgang Dörrich, seit Oktober 2020 im Ruhestand, und Doris Wild, die mittlerweile für die Servicestelle Segen in Südbayern arbeitet, zuständig für Otterfing, Valley, Warngau, Dietramszell, Sauerlach und Egling. Wobei die Sache mit dem Arbeitsplatz ein wenig in die Irre führt, denn für das Pfarrer-Paar ist klar: Auf die Dauer hilft nur Power. Und die braucht Raum. Kontakt. Rausgehen. Schauen: Wo drückt der Schuh?
Jede Kirchengemeinde braucht ihr individuelles Angebot
„Wir möchten den Menschen keine vorgefertigten Angebote machen“, sagt Matthias Lorentz. Vielmehr wolle man erstmal rauskriegen, welche Angebote denn überhaupt gewünscht seien. „Unser Programm in Sachen Gemeindearbeit muss sich auch an der Lebenswirklichkeit der Leute hier orientieren.“ Ganz banal: Warum sollen etwa Gottesdienste am Sonntag immer um 10 Uhr stattfinden, wenn die Leute um 18 Uhr vielleicht mehr Zeit hätten? Was das Pfarrer-Duo an Holzkirchen schätzt ist die Kombination von Tradition und Fortschrittlichkeit: „Das ist eine sehr moderne Gemeinde, mit vielen jungen Familien, jungen Leuten. Wir möchten ja auch moderne, frische Gottesdienstformen anbieten, ohne die Tradition zu vernachlässigen“, sagt Ulrike Lorentz.
Altes und Neues vereinen
Aber: Kirche müsse sich auch ständig erneuern, will sie gesellschaftlich relevant bleiben. Nur so ließen sich auch die religiösen Inhalte vermitteln und mit ihnen für die Menschen arbeiten. Nicht alles, was das Paar in den letzten 16 Jahren in der Kirchengemeinde Hemhofen/Röttenbach/Heroldsbach bei Erlangen angeboten und erfolgreich umgesetzt hat, muss deshalb auch in Holzkirchen funktionieren – etwa die Sache der Band. „Ich spiele ja viel E-Gitarre und da hatten wir viel Musik gemacht“, erzählt Matthias Lorentz. Und wie er es erzählt ahnt man, dass er derlei hier auch gerne wieder ins Leben rufen würde. „Mein Mann ist ja eine richtige Rampensau“, lacht seine Frau.
Der neue Arbeitsplatz von Ehepaar Lorentz: Die Segenskirche in Holzkirchen. Foto: Elisabeth Neuhierl
Laut Stellenbeschreibung kümmert sich der Religionspädagoge auch um den Bereich Kinder, Jugend und Familie, und ist für die Konfirmanden verantwortlich. In Franken hatte er über Jahre eine Männergruppe organisiert, für gemeinsame Unternehmungen und Gesprächskreise. Ob so etwas im Landkreis Miesbach auch funktioniert? „Man muss schauen, ob es da einen Bedarf gibt.“ Was beiden wichtig ist: „Wir sind nicht Frau oder Herr Pfarrer, sondern im besten Fall Ulrike und Matthias.“
Glaubensvermittlung auf Augenhöhe
Kirche zum Anfassen. Leute in Lebens- und Glaubensfragen begleiten: Ulrike und Matthias Lorentz sind Eltern zweier erwachsener Kinder. Eigene Zweifel und Lebenskrisen sind ihnen nicht fremd. Lebenserfahrung ist auch Teil ihrer religiösen Fachkompetenz. Anders formuliert: Sie wissen, wovon sie reden.
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Der Eine, der Prediger
Die „Rampensau“ Matthias Lorentz lebt besonders in den Gottesdiensten auf: „Es soll ja nicht langweilig werden.“ Das Prinzip Direktansprache nimmt er dann schon mal wörtlich, wenn er durch die Reihen geht und seine Kirchenbesucher persönlich anspricht. Für ihn sind Gottesdienste auch eine Art Bühne: „Ich bin ein leidenschaftlicher Prediger.“ Selbstironie ist ihm nicht fremd. Humor ist ihm wichtig. Denn ohne den ist die nötige Ernsthaftigkeit nicht zu haben. Backstage, also jenseits des öffentlichen Auftritts, ist der gebürtige Niedersachse hingegen eher zurückhaltend, sagt er. Auch wenn er gut auf Leute zugehen kann: „Smalltalk ist nicht so meine Sache.“
Die Andere, die Persönliche
Jenseits von Predigtpult und Altar blüht hingegen Ulrike Lorentz richtig auf. Im Gespräch versprüht sie eine energische Freundlichkeit, wohingegen Entertainment nicht so ihre Sache ist. Hier ergänzen sich zwei auf wunderbare Weise, so scheint es. Sie, die ursprünglich in Frankfurt am Main geboren wurde, in München aufgewachsen ist und seit über 20 Jahren in der bayerischen Landeskirche arbeitet, hat ihre Schwerpunkte im Bereich Seelsorge und Familie. Als erste Pfarrerin muss sie unter anderem auch die evangelische Kindertagesstätte Hollerbusch in Holzkirchen betreuen, zudem ist sie für den Kindergarten Regenbogen in Arget zuständig. Dazu gehört unter anderem auch Personalplanung, Vorstellungsgespräche führen und andere administrative Aufgaben. Und bald ist sicher auch das Büro fertig eingerichtet und alle Kisten ausgepackt.