Frauenpower im Herrenclub

Charlotte von Bodelschwingh (li.) und Li Binder-Wehberg überreichten den Medienpreis 2020 des Zonta Club Fünf-Seen-Land an die promovierte Literaturwissenschaftlerin Ingvild Richardsen (Mitte). Foto: Nikola Bachfischer

Preisverleihung in München

Ingvild Richardsen hat viele Jahre die historische Bedeutung des Einflusses einer starken Frauenbewegung in München erforscht. Dafür wurde ihr jetzt der Medienpreis 2020 des Zonta Club Fünf-Seen-Land überreicht – an einem denkwürdigen Ort, mit dem sich ein Kreis schließt.

Wo heute der Herrenclub tagt, wurde 1899 der ‚Erste Bayerische Frauentag‘ festlich eröffnet. München war damals das Zentrum der modernen Frauenbewegung in Bayern und das Café Luitpolt und der Prinzensaal einer ihrer wichtigen öffentlichen Treffpunkte. Genau dort hielt im Jahr 1911 die engagierte Schriftstellerin Carry Brachvogel einen programmatischen Vortrag, in dem sie öffentlich darlegte, was eine moderne Frau ist und was Modernsein für die Frau bedeutet.

Medienpreis für Erforschung der Münchner Frauenbewegung

110 Jahre später nahm nun wiederum eine starke Frau in diesen Räumen den Medienpreis 2020 des Zonta Club Fünf-Seen-Land entgegen – für ihr Engagement in der Erforschung der Geschichte und Verdienste der Münchener Frauenbewegung, die mit dem aufkommenden Nationalsozialismus völlig zu Unrecht in Vergessenheit geriet: Ingvild Richardsen. „Die modernen Ideen und Forderungen waren nicht nur besonders kraftvoll und visionär, sie haben auch noch heute nichts an ihrer Aktualität verloren“, sagt sie. In das Konzept der Nationalsozialisten passte jedoch diese bürgerliche Frauenbewegung, die insbesondere von Schriftstellerinnen und Künstlerinnen getragen wurde, nicht.

Starke Bewegung – ausgelöscht

Viele der Frauen stammten darüber hinaus aus jüdischen Familien und wurden in Konzentrationslagern ermordet. Unfassbar für Ingvild Richardsen, dass diese starke Bewegung so nachhaltig ausgelöscht und vergessen wurde, während andere Namen, insbesondere von Männern, weiter geehrt wurden, obwohl ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus teils bis heute Fragen aufwirft.

Dr. Ingvild Richardsen kuratierte die Ausstellung „Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die Moderne Frauenbewegung. 1894-1933“ in der Monacensia
Dr. Ingvild Richardsen kuratierte die Münchener Ausstellung „Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die Moderne Frauenbewegung. 1894-1933“ in der Monacensia. Foto: Matthias Junken

Die Münchner Autorin und Literaturwissenschaftlerin hat viele Jahre akribisch recherchiert, verschollene Nachlässe aufgestöbert, gesichtet und digitalisiert. Im September 2018 kuratierte sie schließlich die Ausstellung „Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die Moderne Frauenbewegung. 1894-1933“ in der Monacensia im Hildebrandhaus, dem literarischen Gedächtnis der Stadt München. Innerhalb des Projekts Tegernseer LiteraTouren hat sie die Rolle der ‚Schreibenden Frauen‘ am Tegernsee wieder zutage gefördert, die wie die jüdische Schriftstellerin Grete Weil in Vergessenheit gerieten oder wie Hedwig Courths-Mahler zu Unrecht in die Ecke der Kitschromanautorinnen gesteckt wurden.

Lesetipp: Corona und die Münchener Frauenbewegung

Die Ergebnisse ihrer Forschungen sind in zahlreichen Publikationen erschienen und zeigen, dass diese modernen Frauen der Münchener Frauenbewegung bereits an der Schwelle des 20. Jahrhunderts sogar teilweise mutiger und fortschrittlicher waren, als die Frauen es heute manchmal sind. Auch dass es nicht immer nur die Männer waren und auch heute noch sind, die Frauen Steine in den Weg legten, sondern es auch immer wieder an Solidarität zwischen Frauen mangele, ist eine bittere Pille für die leidenschaftliche Literaturwissenschaftlerin. Umso schöner, dass sich die geballte Frauenpower des Zonta Club Fünf-Seen-Land absolut einig darin war, dass der Medienpreis 2020 an Ingvild Richardsen für ihr Frauenwerk gehen soll. Coronabedingt wurde die Preisverleihung auf 2021 verschoben und fand am vorigen Montag statt – genau dort, wo eine der Schlüsselfiguren ihrer aufwendigen Forschungen, Carry Brachvogel, 110 Jahre zuvor die Gesellschaft aufgerüttelt hatte.

Ingvild Richardsen hat zahlreiche Bücher zur Frauenbewegung veröffentlicht
Ingvild Richardsen hat zahlreiche Bücher zur Frauenbewegung veröffentlicht. Foto: IW

„Modernsein heisst für die Frau ein eigenes Gesetz in der Brust tragen.“

Dieser Satz stand 1911 im Mittelpunkt des flammenden Vortrages „Hebbel und die moderne Frau“. In diesem demontierte die couragierte Schriftstellerin Carry Brachvogel die Dramen und das Frauenideal der deutschen Klassiker. Zugleich präsentierte sie die moderne, unabhängige Frau, die in einem erfolgreichen Berufsleben ihren eigenen Unterhalt verdient, unabhängig von Familie oder Ehemann.

Gemeinsam mit Männern, nicht gegen Männer

Dass in den Räumen des damaligen Prinzensaals heute der Münchener Herrenclub zu Hause ist, ist ein interessantes Detail, ebenso wie der Umstand, dass es der Einladung eines dieser dort vereinten Herren bedarf, dass Frauen die Räume nutzen dürfen. Aber wie auch die damalige Münchener Frauenbewegung hat es sich der Zonta Club Fünf-Seen-Land auf die Fahne geschrieben, gemeinsam mit den Männern zu arbeiten. Statt sich gegen die Männerwelt abzugrenzen. Und so war es Li Binder-Wehberg, die der Preisträgerin zwar nicht ein neues Gesetz, aber einen Orden an die Brust heftete: den Sonne-Mond-Orden.

Zum Medienpreis des Zonta Club Fünf-Seen-Land gehrt auch der Sonne-Mond-Orden.
Zum Medienpreis des Zonta Club Fünf-Seen-Land gehrt auch der Sonne-Mond-Orden. Foto: Zonta, NikolaBachfischer

Dass eine Historikerin und Wissenschaftlerin den Preis verliehen bekommt, ist ein Novum im Zonta Club. „Sie erhält den Medienpreis 2020, weil sie durch ihr engagiertes Wirken und in ihren zahlreichen Werken auf wichtige Frauen der bayerischen Geschichte aufmerksam macht, was allein ihre Aktivitäten in den letzten drei Jahren eindrucksvoll belegen“, so Charlotte von Bodelschwingh, die Präsidentin des Frauenclubs. Er ist Teil eines internationalen, überparteilichen und überkonfessionellen Netzwerkes. Die darin vereinigten Frauen fördern die rechtliche, politische, wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Stellung der Frau durch Bildung. Sie setzen sich für Menschenrechte und gegen Gewalt an Frauen und Kindern ein.

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