Marc Chagall in Tegernsee
Marc Chagall „Fruehjahrswiese“. Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Ausstellung in Tegernsee
Mit der gestern eröffneten Ausstellung „Marc Chagall. Eine Liebesgeschichte“ beginnt das Olaf Gulbransson Museum Tegernsee eine neue Ära. Die Sonderausstellung vereint über 60 Werke des international bedeutenden Künstlers und ist ein kulturelles Highlight, das Tegernsee zum Anziehungsort für Kunstinteressierte macht.
Dem neuen Vorsitzenden der Olaf Gulbransson Gesellschaft Michael Beck ist es ein Anliegen, einen Neuanfang zu wagen, weg von der Beschränkung auf die Karikatur hin zu Kunst internationaler Wertigkeit. Als Galerist ist er der erste Vorsitzende, der eigene Ausstellungen konzipiert.
Lesetipp: Marc Chagall in Tegernsee, KulturBegegnungen Nr. 35, Seite 22
Mit Marc Chagall startet er hochkarätig und macht Tegernsee zu einem Hotspot für Kunstliebhaber. Die Ausstellung zeigt Werke aus verschiedenen Sammlungen, die lange Zeit nicht mehr öffentlich zu sehen waren. Zu verdanken ist sie den Kontakten des Galeristen zu seinen Kunden, die ihm einmal erworbene Werke als Leihgabe zur Verfügung stellten.
Kuratorin Dr. Andrea Knop führt durch die Ausstellung. Foto: MZ
Andrea Knop, die die Ausstellung gemeinsam mit Michael Beck kuratierte, erzählt bei einer Sonderführung das Wesen der Präsentation. „Marc Chagalls 42 Lithografien der Liebesgeschichte von Daphnis und Chloé stehen im Zentrum der Ausstellung.“ Die antike Geschichte um die zwei Hirtenkinder mit allen Irrungen und Wirrungen habe Marc Chagall in ganz eigener Weise künstlerisch umgesetzt, nachdem ihn der Verleger Tériade damit beauftragt hatte.
25 Farben, 1000 Steinplatten
Um sich ein Bild insbesondere vom Licht zu machen, sei er zweimal nach Griechenland gereist. Danach habe er in vierjähriger Arbeit die Motive in Lithografien verarbeitet, die 1961 erstmals gezeigt wurden. Bis zu 25 Farben für ein Werk verwendete Marc Chagall, was insgesamt etwa 1000 Steinplatten bedeutet. Gewidmet habe er den im Olaf Gulbransson Museum ausgestellten Zyklus Charles Sorlier, in dessen Werkstatt die Lithografien hergestellt wurden.
Ida, Marc und Bella Chagall. Bella Chagall sitzt Modell für das „Doppelporträt“ 1925. Repro: MZ, VG Bild-Kunst 2021
Als erstes trifft der Besucher auf eine Fotografie des Künstlers mit seiner Frau Bella und Tochter Ida aus dem Jahr 1925. Nach rechts in den großen Raum hinein startet die Präsentation mit den Widmungsblättern und entwickelt dann die Geschichte von Daphnis und Chloé. Dabei beweist sich der Maler Marc Chagall als genialer Geschichtenerzähler, der die sich entwickelnde Liebesgeschichte in die Natur Griechenlands einbettet.
Sommerzeit. Der tote Delphin und die dreihundert Drachmen. Chloé. Foto: MZ, VG Bild-Kunst 2021
Dazwischen eingestreut sind Naturstudien, wie die „Frühlingswiese“, die Tegernsee-Besucher auf dem Plakat am Ortseingang begrüßt.
„Es ist etwas Besonderes, die gesamte Serie hier zu zeigen“, betont Andrea Knop. Sie gelte als Höhepunkt des grafischen Schaffens von Marc Chagall und besticht insbesondere durch ihre einmalige Farbigkeit.
Dorkons List. Sommerliche Mittagspause. Flucht der Zikade. Foto: MZ, VG Bild-Kunst 2021
Zwischen den Grafiken sind weitere Werke Chagalls zu sehen, Gemälde und Aquarelle, die zumeist etwas mit dem Thema Liebe zu tun haben. So an der hinteren Wand „Das Brautpaar“ mit dem Hahn, der in russischen Märchen als Symbol des Neubeginns gelte, wie Andrea Knop erklärt, die Kuh im Hintergrund stehe für die Nacht.
Brautpaar mit Hahn (1939-1947. Sammlung Hubert Burda Media Foto: MZ, VG Bild-Kunst 2021
Gegenüber ist das Highlight der Ausstellung, das Ölbild „Brautpaar mit Hahn“ zu sehen, bei dem der rote Hahn den Vordergrund einnimmt.
Das Fenster um 1975. Foto: MZ, VG Bild-Kunst 2021
Die Vielschichtigkeit des Schaffens wird in der Collage „Das Fenster“ deutlich. Hier arbeitet Marc Chagall mit Holz, inhaltlich ist wieder ein Liebespaar, der Hahn und das Dorf enthalten. Die Verbundenheit zu seinem „Schtetl“ und zu seiner jüdischen Kultur kommt in den Werken immer wieder zum Ausdruck.
Als entartet diffamiert
Man habe die Einzelwerke auch nach ihrem Bezug zu Marc Chagall als „Jüdischer Künstler“, den die Nazis als entarteten Künstler diffamierten, ausgewählt, sagt Andrea Knop. Der Zusammenhang besteht auch über das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.
Aus dem Skizzenbuch. Foto: MZ, VG Bild-Kunst 2021
Chagall habe die Gefahr des Antisemitismus gespürt, so die Kuratorin. Es gelang ihm mit seiner Familie 1941 aus Südfrankreich in die USA zu fliehen. „Er hat keinen Fuß wieder nach Deutschland gesetzt.“ Als Beispiel für die Reaktion des Künstlers auf den Holocaust ist in der Ausstellung „Der gekreuzigte Jude“ mit Zeichnungen aus seinem Skizzenbuch zu sehen.
Doppelporträt an der Staffelei 1976. Foto: MZ, VG Bild-Kunst 2021
Direkt daneben ist ein Doppelporträt des Künstlers mit seiner dritten Frau Vava zu sehen.
Die Präsentation vereint den gesamten Lithografie-Zyklus „Daphnis & Chloé“ mit einer Vielzahl von Gemälden, die einen Einblick in das umfassende Werk des international renommierten Künstlers geben. Aus 11 Sammlungen aus der ganzen Welt sind die Werke nach Tegernsee gekommen und sind seit über 40 Jahren erstmals wieder öffentlich zu sehen. Die Präsentation wird durch eine Reihe von Veranstaltungen ergänzt, die dem Publikum auch das Leben des großen Malers näher bringt.
Der Künstler kommt am Ende selbst zu Wort. Foto: MZ
Hier finden Sie einen Beitrag des BR zur Ausstellung.