Franz Hohler im Schlierseer Bauerntheater
Franz Hohler kann heiter und bitterernst sein. Foto: Petra Kurbjuhn
Lesung zum Schlierseer Kulturherbst
Welch eine Freude. Der große Schweizer Denker und Schriftsteller Franz Hohler kommt zum Schlierseer Kulturherbst ins Bauerntheater und lädt zu einem Spaziergang durch sein Leben und sein reichhaltiges Werk ein.
Zunächst aber lässt er Königin Corona mit einer Ansprache ans Volk zu Wort kommen. Dies konstatiert, recht zufrieden mit dem Erfolg zu sein, sie sehe maskierte Menschen, die vergessen haben, wie man sich küsst und umarmt. Sie, die Königin, habe zeigen wollen wir man ein anderes Leben führt und sie wolle dazu aufrufen, Arbeit und Geld anders zu verteilen. Und dann: Das sei erst die Hauptprobe gewesen, bei der Premiere aber werde es um alles gehen.
Die Erbsen waren es
Nach dieser aufrüttelnden Botschaft durfte sich das Publikum entspannen und erfreuen an den einzigartigen Perlen Hohlerscher Beobachtungs- und Sprachkunst. Schon als Achtjähriger hatte er seinen Eltern ein Werk zu Weihnachten mit der Aufforderung „Lass dich von Bienen stechen nicht“ in Buschscher Manier verfasst.
Endlich wissen wir auch, wie der Anfang der Welt zustande kam, denn Gott hatte eine Kiste mit Erbsschoten geschenkt bekommen (siehe ganz am Ende dieses Textes), die aus den Schoten knallten und so kreisend umeinander das Weltall begründeten. Irrwitzig, skurill auch die Geschichte vom Fußballspiel der Lebenden gegen die Toten, das 1 zu 0 für die Toten ausging, weil sie in großer Menge das Tor bevölkerten und es zum Eigentor der Lebenden kam. Botschaft: Wir werden zusammenhalten müssen.
Franz Hohler liest aus einem Kinderbuch. Foto: Petra Kurbjuhn
„Beide lachten und Jesus gab Gas“ ist das Ende der großartigen Geschichte „Der Autostopper“, unbedingt aus dem gleichnamigen Buch lesen. Und wer für Kinder ein Buch zu Weihnachten sucht, ist bei Franz Hohler ebenso gut aufgehoben. Seine „Made in Honkong“ ist zauberhaft. In dieser Geschichte wird ein Mann erschossen, und süffisant lächelnd erzählte Franz Hohler, dass er damit bei einer sehr ernsthaften Erzieherin schlecht angekommen und gebeten worden sei, umzuschreiben. Dies habe er dann Kindern überlassen, die ihn massenhaft mit Geschichten belieferten.
Spaziergänge sind eine wichtige Inspiration für den Autor und seine genaue Beobachtungsgabe verhilft zu den schönsten Geschichten aus der direkten Umgebung. So brachte er auch vom Spaziergang von Fischhausen nach Schliersee Eindrücke mit auf die Bühne.
Immer sind seine Geschichten mit versteckten Botschaften gewürzt. Foto: Petra Kurbjuhn
Dann aber ein ganz wichtiges Thema: das Altern. Genüsslich breitete der 78-Jährige die Malässen aus, denen er das wunderschöne Wort Allmählichkeitsschaden zuordnete. „Es gibt Wörter, nach denen dreht man sich um.“
Und kaum hat man sich vom Schmunzeln erholt, holt einen Franz Hohler zurück, wenn er vom Schlauchboot mit dunkelhäutigen Menschen darin erzählt, dem er am Berg begegnete, unerwünscht in der schönen Schweiz.
Franz Hohler: Der Weltuntergang. Foto: Petra Kurbjuhn
Womit er bei einem seiner bekanntesten und wichtigsten Werke anlangte, zu dessen Performance er sich an einen Tisch setzte. Er habe „Die Grenzen des Wachstums“, das bekannte Werk des Club of Rome aus den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts poetisch ausdrücken wollen, begründete er die Entstehung seiner Ballade, die er, heute würde man sagen, als Poetry Slam rhythmisch mit begleitendem Klopfen vortrug.
Meister der Kurzform
Es geht darin „nur“ um einen Käfer auf einer Pazifikinsel. Er verschwand. Und was passierte danach? „Der Weltuntergang hat schon begonnen“, sagte Franz Hohler, stand auf und wechselte zu heiteren Themen, wie der Geschichte des Papstes, der sich als Knecht verdingte und feststellen musste, dass er lange nicht mehr so viel Vernünftiges getan habe.
Franz Hohler ist bekanntermaßen der Meister der Kurzform. Seine Erzählungen für Groß und Klein sind von immenser Sprachfindigkeit und zeugen von philosophischem und gesellschaftlichem Denken ebenso wie von feinster Beobachtungsgabe. Er kann aber auch singen und begeisterte am Ende mit seinem Lied vom Kas.
Als geschickter Dramaturg griff er noch einmal das Thema der Schöpfung auf und bekannte, dass er Stephen Hawkings Werk „Eine kurze Geschichte der Zeit“ zwar gelesen, aber nicht richtig verstanden habe. Was er aber herausgelesen habe, sei, dass vor dem Urknall das Universum nicht größer als eine Erbse gewesen sei. Kurzes Schweigen. Lächeln.
In seiner Geschichte „Die Göttin“ streifte Gott durch das Nichts und fand, dass eine Göttin schon die ganze Schöpfung erledigt hatte.
Johannes Wegmann bedankt sich mit Schlierseer Whisky. Foto: Petra Kurbjuhn
Ein Dank an Johannes Wegmann und das Team des Schlierseer Kulturherbstes, dass es möglich war, diesen Abend zu erleben. Franz Hohler verabschiedete sich mit dem Spruch und bekannte, es sei schwer gewesen, einen Reim auf Schliersee zu finden: „So lange ich kein andres Tier seh, bleib ich in Schliersee.“ Schön wärs.