Traumhafte Reise in die Welt der Liebe
Erweckten die Liebesbriefe von Franz und Maria Marc zu Leben: (v.l.) Christine Schreier, Thomas Beer, Michael Stacheder, Anna März und Stephanie Wagenstaller. Foto: Theaterwelten
In einer wundervoll emotionalen Konzertlesung, haben Anna März und Michael Stacheder ihr Publikum mit auf eine Reise in eine ganz besondere Liebesbeziehung genommen: „Ich will dich an der Hand führen, um dir die Wunder der Welt zu zeigen“ – ein Briefwechsel von Franz und Maria Marc.
Liebesbriefe – es gibt wenig intimere Beweise der Zuneigung zweier Menschen zueinander als diese. Hoffnungslos romantisch und gleichzeitig schonungslos ehrlich schrieb sich auch ein ganz besonderes Paar ab dem Jahre 1905 solch vertraute Schriftstücke: der Künstler Franz Marc und seine Frau Maria Marc. Hunderte Briefe und Postkarten, gefüllt mit Liebesschwüren und Streitgesprächen, aber auch Gedankengängen und Ideen – und das alles zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 43 dieser Briefe trugen in einer ganz besonderen und intimen Atmosphäre die Schauspielerin Anna März und Regisseur sowie Schauspieler Michael Stacheder kürzlich im Waitzinger Keller in Miesbach vor. Musikalisch perfekt begleitet wurde die Konzertlesung von Christine Schreier (Blockflöten), Stephanie Wagenstaller (Violine) und Thomas Beer (Gitarre).
Der Beginn einer turbulenten Liebe
So gefühlvoll und verliebt die Liebschaft zwischen dem damals als „malender Stenz aus Schwabing“ bekannten Marc und der Kunststudentin Maria – damals noch Franck – begann, so turbulent sollte sie bald die Leben der beiden beeinflussen. Denn der Maler konnte sich zu Beginn der zaghaften Verbindung noch nicht voll und ganz für nur eine Frau entscheiden und stürzte sich, Maria sowie die befreundete Marie Schnür in eine Dreiecksbeziehung, die sie alle an ihre Grenzen bringen sollte.
Schon in den ersten vorgetragenen Briefen aus dieser Zeit, schaffte es März mit ihrer wohlig warmen Stimme und einvernehmenden Darbietungsweise, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Von diesem Moment an befand man sich als Zuhörer mitten in dem Liebeschaos. Man spürte die Verzweiflung Marias über das Verhalten von ihrem „Lieb“ am ganzen Körper. Wie eindrücklich passend dazu auch noch Stacheder, der die Zeilen Marcs mit seiner Stimme und winzigsten Gesten so eindrücklich zum Leben erweckte.
Nahmen in der Konzertlesung die Rollen von Maria und Franz Marc ein: die Schauspielerin Anna März und Regisseur Michael Stacheder. Foto: Selina Benda
Wahre Worte in traumhaften Klangwelten
Doch die Briefe nehmen das Publikum nicht nur mit in eine Welt aus Liebe, Hoffnung, Leidenschaft und Emotionen. Sie stellen auch auf so pure und eindrucksvolle Art und Weise die Anfänge der unvergleichlichen Karriere des Expressionisten Marc dar. Seine erste und prägende Reise nach Paris im April 1907, die er gleich nach der überstürzten Heirat – zunächst mit Marie Schnür – alleine antritt.
Die Eindrücke aus der Stadt der Liebe teilt er aber nicht mit seiner ersten Ehefrau, sondern wiederum mit der zurückgelassenen und tief verletzten Maria. Dabei trugen die wundervollen Klänge des musikalischen Ensembles die Zuhörer hinfort in die Straßen nach Paris. Mit Stücken etwa von Franz Schubert, Claude Debussy und Arnold Schönberg sowie traditionell alpenländischer Volksmusik verwandelte das Trio die Worte aus den Briefen in traumhafte Klangwelten.
Begeisterten mit Musikstücken von Schubert bis Schönberg das Publikum: (v.l.) Thomas Beer, Christine Schreier und Stephanie Wagenstaller. Foto: Selina Benda
Literarische Zeitzeugen einer Kunstbewegung
Die junge Künstlerin Maria war Zeit ihres Lebens stets von gesundheitlichen Problemen geplagt – mitunter auch aufgrund der vielen Probleme mit Marc. Tief vom schlechten Gewissen geplagt und sich seiner Liebe zu ihr immer mehr bewusst, entschied sich der damals tief melancholische Maler im Jahre 1908 endgültig für seine Maria. Die Scheidung von Schnür sollte für alle drei ein gesellschaftlich dunkler Fleck auf ihren Westen werden.
Aber neue Freundschaften, etwa mit seinem Lebensfreund August Macke, sowie seine erste Einzelausstellung im Jahre 1910, sollten den so in sich gekehrten Marc endlich wieder fröhlich stimmen. Das Publikum wird mit in die Zeit der Entstehung seiner berühmtesten Werke genommen: Zwei Frauen am Berg, Die Gelbe Kuh, Tiger und sein ewiges Sorgenkind – Der Turm der blauen Pferde. Eindrucksvoll schildern die Schriftstücke aus dieser Zeit die Entstehung des Künstlerkreises „Blauer Reiter“.
Mit Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Paul Klee und Marianne von Werefkin bildet Franz Marc damals eine der wichtigsten Kunstbewegungen der Moderne. All die Gedanken, Ideen und Eindrücke aus dieser Zeit – sowohl von Franz, als auch von seiner steten Unterstützerin Maria Marc – trugen die beiden Schauspieler März und Stacheder so emotional und intensiv vor, dass das Publikum mit geschlossenen Augen annehmen konnte, das Ehepaar Marc persönlich säße auf der Bühne.
Das Ende eines Lebens, aber nicht der Liebe
So emotional und voller Liebe wie die Reise in die Welt des Ehepaars Marc begann, so endet sie auch. Denn Teil dieser wundervollen Lesung sind auch einige der letzten Schriftstücke des Malers überhaupt. Denn mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs, wurde auch Marc aus seiner heilen Welt in Ried bei Kochel am See gerissen, als er am 6. August 1914 zusammen mit seinem Freund Macke an die französische Front eingezogen wurde.
Über all die Schrecken des Krieges, den Verlust seines Freundes und die düsteren Gedanken, die sich in ihm breit machen, will Maria ihrem „Franzl“ bis zum Ende durch ihre Briefe hinweghelfen. Im März 1916 beschließt Marc endlich Urlaub zu beantragen und zu seiner schmerzlich vermissten Liebe zu reisen. Doch dieser letzte Wunsch soll ihm nicht mehr erfüllt werden, denn Franz Marc fällt kurz darauf am 4. März 1916 in Braquis bei Verdun. Maria wird nie wieder einen anderen Mann an ihrer Seite haben und bis zu ihrem Tod das Vermächtnis des Malers pflegen.
Eine besondere Reise in die Welt der Liebe mit besonderen Künstlern
Die Rosenheimer Schauspielerin Anna März, ausgezeichnet mit dem Lore-Bronner-Preis, verzaubert in dieser Konzertlesung ihre Zuhörer nicht nur mit ihrer wohlklingenden Stimme, sondern auch mit jeder kleinen Geste und vielsagenden Blicken, die die Worte von Maria Marc spürbar machen. Ihr Schauspielkollege und Regisseur Michael Stacheder beweist mit diesem einzigartigen Zusammenspiel aus Musik, Literatur und Geschichte wieder mal sein Gespür für besondere Produktionen.
Das Plakatmotiv der Konzertlesung ist Hannah Bischofs Gemälde Gletschersee (Berlin 2019). Foto: Navina Neuschl
Der Initiator der Max-Mannheimer-Kulturtage in Bad Aibling hat mit den Musikern Christine Schreier, Stephanie Wagenstaller und Thomas Beer drei außerordentliche Talente für diese ganz besondere Konzertlesung gewinnen können. Mit minutenlangem Applaus und persönlichen Glückwünschen bedankte sich das Publikum für diese wundervolle Reise in die Welt der Liebe von Franz und Maria Marc.
Michael Stacheder ist mit seiner Max Mannheimer-Lesung „Spätes Tagebuch“ am 9. Februar 2022 wieder im Waitzinger Keller in Miesbach zu Gast.