Bestsellerautorinnen auf der Spur
In ihrem Haus in Tegernsee, dem „Mutterhof“, betrieben Hedwig Courths-Mahler und ihre Töchter eine „Romanfabrik“. Foto: Stadtarchiv Tegernsee
Hedwig Courths-Mahler war die erfolgreichste Romanschriftstellerin ihrer Zeit. Innerhalb von 50 Jahren schrieb sie über 200 Romane, die in 37 Sprachen übersetzt wurden und eine Gesamtauflage von etwa 80 Millionen erreichten. In Tegernsee wurde im Herbst innerhalb des Projektes Tegernseer LiteraTouren ein Spaziergang auf ihren Spuren eingeweiht.
Im Jahr 1933 erwarb die in Nebra geborene und in Berlin lebende Bestsellerautorin Hedwig Courths-Mahler (1867-1950) in Tegernsee eine Villa, die sie 1935 mit ihren beiden Töchtern Margarete Elzer und Friede Birkner, die gleichfalls zu Bestsellerautorinnen avancierten, bezog. Alle drei waren starke und emanzipierte Frauen, geprägt vom Berlin der 20er Jahre. Ihr Erfolgsrezept: Den Lesern in den Büchern das zu geben, was ihnen im Leben versagt war – Happy End garantiert. Der schreibende Familienbetrieb kam einer Romanfabrik gleich.
Hedwig Courths-Mahler schrieb 207 Romane. Foto: Heimatmuseum Nebra – Hedwig Courths-Mahler-Archiv
Emanzipation, Beruf, eigenes Geld
Der literarische Spaziergang begibt sich auf die Spuren dieser „schreibenden Frauen“ und zugleich auf die Suche nach ihrem Erfolgsrezept. Zu Unrecht wurde Hedwig Courths-Mahler, die als uneheliches Kind aus einfachsten Verhältnissen stammte und durch unermüdlichen Fleiß zu Ruhm und Anerkennung gelangte, als Kitschautorin abgestempelt.
Die LiteraTour „Bestsellerautorinnen“ beginnt in der Hedwig Courths-Mahler Anlage in Tegernsee-Süd. Foto: Ines Wagner
Was sie leistete, war vielen – insbesondere Männern – ein Dorn im Auge: Sie schickte ihre Heldinnen in die Berufswelt und ließ sie Geld verdienen – zu einem Zeitpunkt, da sich auch deutsche Frauenrechtlerinnen für Erwerbstätigkeit und gleiche Entlohnung von Frauen einsetzten. Ihre unmissverständliche Botschaft lautete: Eine Frau, die nicht ihr eigenes Geld verdient, ist jedem Mann ausgeliefert. Courths-Mahlers Emanzipation – und die ihrer Romanheldinnen – strebte weg aus der Armut und dem Elend. Und vor allem weg von Männern, welche die Kreativität und finanzielle Würdigung von Frauen herabsetzten. Unerreicht bis heute blieb ihr schriftstellerischer Fleiß. Sie schrieb im Schnitt viereinhalb Romane pro Jahr.
Ein Besuch in der Romanfabrik
Der literarische Spaziergang innerhalb der Tegernseer Literatouren (TELITO) startet an der Hedwig-Courths-Mahler Anlage im südlichen Tegernsee und führt zur Schwaighofstraße 47, dem früheren Wohnhaus Courths-Mahlers, dem sogenanntem „Mutterhof“. Dort betrieben die drei emanzipierten Frauen ihre „Romanfabrik“ und Hedwig Courths-Mahler schrieb und veröffentlichte bis ins hohe Alter, obwohl sie in der Zeit des Nationalsozialismus ausgebremst wurde: Emanzipierte Frauen passten nicht ins System der Nazis. Nach dem Krieg war es ein amerikanischer Offizier, der die Plünderung des „Mutterhofs“ verhinderte – er hatte anhand der Romane Hedwig Courths-Mahlers die deutsche Sprache gelernt.
Moderne Mutter mit eigenem Beruf: Schriftstellerin – Hedwig Courths-Mahler und ihre Töchter. Foto: Heimatmuseum Nebra – Hedwig Courths-Mahler-Archiv
Das Lebenswerk: 207 Romane und 21 Verfilmungen
Weiter geht der literarische Spaziergang zum Familiengrab auf dem Friedhof in Tegernsee, wo Hedwig Courths-Mahler begraben liegt. Sie starb im Jahr 1950 im Alter von 83 Jahren. Auf der heute mit Pflanzen überwachsenen Grabplatte haben Friede Birkner und Margarethe Elzer anlässlich des Todes ihrer Mutter die Inschrift „Arbeit adelt“ in den Stein meißeln lassen. Noch zwei Jahre vor ihrem Tod war ihr letzter Roman „Flucht in den Frieden“ erschienen. Mit diesem Buch rundete sie ihr Lebenswerk auf 207 Romane ab. Im Tegernseer Familiengrab sind auch Tochter Margarethe Elzer (1889–1966), die als Schriftstellerin ebenfalls über 100 Romane veröffentlichte, und die Ehemänner von Mutter und Tochter begraben.
Der letzte Roman Hedwig Courths-Mahlers erschien 2 Jahre vor ihrem Tod. Foto: Heimatmuseum Nebra – Hedwig Courths-Mahler-Archiv
Von der Idee zum Roman
Vom Tegernseer Friedhof aus geht die LiteraTour auf den biografischen Spuren der Bestsellerautorinnen weiter nach Rottach-Egern zum Gemeindefriedhof. Dort befindet sich das Grab von Tochter Friede Birkner (1891 – 1985). Bereits seit 1918 hatte diese Unterhaltungsromane nach dem Erfolgsrezept der Mutter geschrieben. Als sie ihren 90. Geburtstag in Rottach feierte, hatte sie mit 262 Romanen ihre inzwischen legendäre Mutter um 30 Bände übertroffen. Sie wurde zur Ehrenbürgerin Rottach-Egerns. Wer dann noch Lust hat, läuft auf ihren biografischen Spuren über die Karl-Theodor-Straße weiter in den Birknerweg, wo ihr Wohnhaus stand, das sie der Gemeinde samt Grundstück schenkte. Der Weg, der zuerst Birkenweg hieß, wurde ihr zu Ehren umbenannt – heute stehen dort neue Häuser. Dort endet der Spaziergang „Bestsellerautorinnen“, der neben biografischen Details auch Einblicke in die „Schreibwerkstatt“ der drei Schriftstellerinnen vermittelt: vom Entstehen erster Ideen bis zu den fertigen Romanen.
Lesetipp: LiteraTouren zwischen See und Bergkulisse
Die Tegernseer LiteraTouren lassen sich eigenständig von zwölf Startpunkten im Tegernseer Tal aus gehen. Einfach den QR-Code auf dem jeweiligen Startschild scannen und dem digitalen Wegbegleiter folgen.