Wer war der Wildschütz Jennerwein?
Belebten die Geschichten über den Wildschütz Jennerwein: (v.l.) Stefan Murr, Johanna Bittenbinder und Heinz-Josef Braun. Foto: Monika Heppt
Musikalische Lesung in Holzkirchen
Und – wie er wirklich war, der vielbesungene Wildschütz Jennerwein? Dieser Frage gingen die Schauspieler und Autoren Heinz-Josef Braun und Stefan Murr gemeinsam mit Johanna Bittenbinder im Holzkirchner FoolsTheater nach. Das Live-Hörspiel war sozusagen ein Heimspiel. Schließlich war der Girgl, wie er stets liebevoll genannt wurde, gebürtiger Holzkirchner. Großartig begleitet wurde der Abend von den vier Musikern des Art Ensemble of Passau mit Leo Gmelch, Cornelius Borgolte, Florian Burgmayr und Yogo Pausch.
War er nun ein wahrer Held, ein Freiheitskämpfer oder nur ein Weiberheld, ein Maulheld, ein Raufbold oder gar ein Kleinkrimineller? Vielleicht war der Girgl ja von allem etwas und sogar noch mehr. Mit Sicherheit gehörte er zu den bekanntesten Personen im Oberland und darüber hinaus. Und die Ursprünge des berühmten Volkslieds vom „Schütz in seinen besten Jahren“ lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückführen. Das Autorenteam Braun und Murr kann so auch heutzutage wieder neue Geschichten über das sagenumwobene Leben des Georg Jennerwein erzählen.
Der sagenumwobene Wildschütz Georg Jennerwein. Foto: KN
Drei Schauspieler für den Wildschütz Jennerwein
Heinz-Josef Braun übernimmt beim Live-Hörspiel mit unbändiger Wucht fast alle Männerrollen. Als Pfarrer in der Kirche redet er sich bei seiner Predigt wunderbar in Rage und prangert die „spanische Hur“, die Lola Montez, an und verteufelt sie geradezu. Als Erzähler berichtet er aus der Kindheit des Buben. Sachlich und kühl schildert er den Kampf des unehelichen, kleinen Girgl. „Er hat sich nach Kräften gewehrt gegen Anfeindungen, hat sich geschlagen und die anderen verdroschen.“ Den Tod des Stiefvaters beschreibt er mit drastischen Worten. Dieser, ein Kleinbauer, widmet sich im Nebenerwerb der Wilderei und wird erschossen. „Das Blut ist ihm aus dem Mund gelaufen.“ Der kleine Girgl wird Zeuge des Geschehens und manchmal wiederholt sich im Leben das eine oder das andere. Josef Pföderl, Freund und Kriegskamerad im Frankreichfeldzug von 1870/71, gibt er Wärme und echte Gefühle von Zärtlichkeit bis hin zu Eifersucht. Braun stiert stur geradeaus.
Bittenbinders Gefühl und Murrs Intensität
Johanna Bittenbinder kann leidenschaftlich stöhnen, vertrauensvoll und bittend beten, sich als Ehefrau treu und ängstlich um den Gatten sorgen. Drängend und verzweifelt versucht sie ihn und den Sohn letztlich vergeblich vom Wildern abzuhalten. Sie spielt aber auch die verführerische Bedienung im Wirtshaus mit kokettem Augenaufschlag, Zwinkern und Draufgängertum. Und sie ist mit tiefem Gefühl das Agerl, die große, unerreichbare Liebe des einen, die schnelle Eroberung des anderen Protagonisten in der Jennerweingeschichte. Scheu und hinhaltend zeigt sie das Agerl, das schließlich sitzen gelassen wird mit dem unehelichen Kind. Und Bittenbinder stiert stur geradeaus.
Johanna Bittenbinder und Heinz-Josef Braun standen schon öfter gemeinsam auf der Bühne – wie hier bei den 3. Waakirchner Kulturtagen. Foto: Ines Wagner
Stefan Murr ist der Girgl wie er leibt und lebt. Von der Wiege bis zur Bahre gestaltet er die Figur des Jennerwein mit großer Hingabe, Empathie und Intensität. Er liebt und leidet, rauft und singt seine derben, verletzenden Gstanzln mit Inbrunst und hinterfotziger Häme. Er spielt den Tagelöhner und Waldarbeiter ebenso überzeugend wie den Freiheitskämpfer und Ankläger der Obrigkeit, des Adels und der feinen Herren der besseren Jagdgesellschaft. Murr ist in jeder Phase seiner Darstellung authentisch und klar. Ob er nun den Girgl oder den Oberförster Mayr spricht, der den ehemaligen Freund des Wildschützen, den armen Josef Pföderl zu einem feigen, zu einem unheilvollen Mord anstachelt. Und Murr stiert stur geradeaus.
Vier Musiker, die nicht nur begleiten
Zu den grandiosen Schauspielern, die hinreißend Legenden und Wahrheiten miteinander verweben und das Publikum im FoolsTheater in ihren Bann ziehen, gesellen sich die vier Musiker des Art Ensemble of Passau. Leo Gmelch an Tuba und Posaune, Cornelius Borgolte an der Klarinette, am Schlagwerk der vielseitige Geräuschemacher Yogo Pausch und schließlich der gebürtige Draxlhamer Florian Burgmayr mit Horn und Akkordeon machen nicht nur Hintergrund- oder Begleitmusik. Sie prägen und gestalten Personen, Lebensläufe, Situationen entscheidend mit. Den Jubelklang von Fanfaren und Trompeten, die Märsche beim Kriegseinzug, vermischen sie kunstvoll mit gespenstischen Passagen eines schrecklichen Albtraums des jungen Girgl. Sie beherrschen perfekt die Gstanzlmusik, spielen munter auf mit Jazz, Dixie und intonieren überraschend Volksmusik vom Feinsten. Jede Begleitung sitzt. Ob der Girgl nun dem Agerl eine Rose an der Schießbude schießt oder der Knall von Gewehr und Stutzn zu hören ist, die Stimmung passt zum Augenblick.
Lesetipp: Vogelwilde Musik von Florian Burgmayr zum „Jennerwein“
Viel zu schnell vergeht der Abend. Froh und dankbar erweisen die Holzkirchner den Schauspielern und Musikern mit heftigem Applaus ihre Reverenz.