Die Johannespassion miterleben und miterleiden
Der Palestrina Motettenchor Tegernsee sang die Johannespassion von Bach. Foto: Monika Heppt
Konzert in Holzkirchen
Den Auftakt der Konzertreihen zum 50-jährigen Bestehen des Palestrina Motettenchors Tegernsee unter der Leitung von Sebastian Schober machte der Chor am Palmsonntag mit der Johannespassion von Johann Sebastian Bach in Holzkirchen. In der raumfüllenden Akustik der Kirche St. Josef gelang den rund 40 Sängerinnen und Sängern ein eindrückliches Stimmungsbild der Leidensgeschichte Jesu.
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Chormitglied Roland Götz freute sich in seinen einführenden Worten, nach vielen der Pandemie geschuldeten Einschränkungen, über ein vollbesetztes Gotteshaus, mit einer erwartungsfrohen Zuhörerschaft. Leider musste er gleich zu Beginn drei krankheitsbedingte Umbesetzungen bei den Solisten bekanntgeben. So übernahm Roswitha Schmelzl anstatt der angekündigten Priska Eser die Sopranpartien. Yo Chan Ahn sprang für den Bassisten Thomas Hamberger ein und Eric Price meisterte die tragende Partie des Evangelisten anstelle von Andrew Lepri Meyer. Lediglich Altistin Stephanie Hampl und Tobias Neumann als Jesus konnten den Abend wie geplant bestreiten.
Gleichzeitig wies der promovierte Theologe und Kirchenhistoriker Roland Götz auf das diesjährige „Hunger- oder Fastentuch“ in der Kirche hin. Es wurde von der in Augsburg lebenden chilenischen Künstlerin Lilian Moreno Sanchez gestaltet. Im Original ist es gestickt und mit goldenen Blüten verziert. Grundlage des Kunstwerks ist das Röntgenbild eines Fußes eines fliehenden chilenischen Demonstranten. Wie passend in unserer Zeit von Flucht und Vertreibung.
Sebastian Schober dirigierte gewohnt präzise das Ensemble des Palestrina Motettenchor Tegernsee. Foto: Monika Heppt
Werkbeschreibung und Chorleistung
Das am Karfreitag 1724 in der Leipziger Nikolaikirche uraufgeführte Werk von Johann Sebastian Bach besteht aus zwei Teilen mit insgesamt fünf Akten. Es erzählt die biblische Passionsgeschichte und berichtet in teils kurzen Sequenzen vom Leiden und Tod Jesu. Die Johannespassion ist die früheste bekannte Fassung von Bachs Passionsmusiken. Dabei berichtet der erste Teil vom Verrat und der Gefangennahme Jesu sowie der Verleugnung durch Petrus. Der zweite wesentlich längere Teil beschreibt die Verhöre und Verurteilung durch Pontius Pilatus, Kreuzigung, Tod und Grablegung.
Die etwa zweistündige Fassung der Johannespassion meisterten Chor und Kammerorchester bravourös gemeinsam mit den Solisten unter der einfühlsamen Begleitung von Marcus Sterk an der Orgel.
Sebastian Schober dirigiert gewohnt präzise, klar und mit großer Empathie und führt so sein Ensemble zu Höchstleistungen. Die zwischengeschalteten Choräle mit teils dramatischen Chorpartien gestalten die Sängerinnen und Sänger flehend und eindringlich. Harmonisch vereinen sich die Stimmen zu einem einzigen Klangkörper. Die technisch schwierigen Passagen gelingen expressiv und fordernd und erzeugen bei den Zuhörern Gänsehautgefühle von Miterleben und Mitleiden. Besonders eindrucksvoll und berührend geschieht das im Zusammenspiel mit den wunderbaren Traversflöten und Oboen des Kammerorchesters Tegernsee. Auch die Streicher mit ihren zarten Violinen und Celli bilden mit dem Chor eine magische Einheit.
Solist Eric Price nahm die Rolle des Evangelisten ein. Foto: Monika Heppt
Gefühlvolle Solopartien
Eric Price nimmt als Evangelist in seinen Rezitativen die Erzählerrolle ein. Dabei hat er naturgemäß den Hauptanteil der Solopartien zu leisten. Mit seinem klar geführten Tenor gelingen ihm schöne, langgezogene Bögen auch in den Höhen. Äußerst textverständlich bringt er sowohl die Arien und Einzelrezitative als auch die Zwiegespräche mit Jesus, Petrus und Pilatus zu Gehör.
Altistin Stephanie Hampl gestaltet ihre Arien „Von den Stricken meiner Sünden“ im ersten Teil und „Es ist vollbracht“ am Ende des zweiten Teils mit einem Gefühl voll Trauer und großem Leid. Oboen, Streicher und Orgelbegleitung verstärken die Emotionen nachhaltig.
Roswitha Schmelzl lässt mit ihrem geschmeidigen Sopran die Herzen dahinschmelzen. „Ich folge dir gleichfalls“ und „Zerfließe mein Herze“ mit zauberhafter Querflöten-, Oboen- und Orgelbegleitung sorgen für tiefempfundene Gefühle.
Tobias Neumann als Jesus und Yo Chan Ahn als Petrus und Pilatus teilen sich die Bass-Arien und Rezitative. Besonders eindrucksvoll, fast hoffnungsvoll und bewegend erscheint die Arie „Mein teurer Heiland, lass dich fragen“ gegen Ende des zweiten Teils.
Ergriffen und dankbar für ein wunderbares Konzerterlebnis hielt sich die Kirchengemeinde an die Bitte, auf einen Applaus zu verzichten, die Roland Götz bei seiner Einführung ausgesprochen hatte. Stattdessen standen Mitwirkende und Publikum auf und gedachten schweigend und betend der Menschen in der Ukraine. Leid, Vernichtung und Tod waren aufwühlend nah.
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