Der Referent Alois Glück im Pfarrzentrum Neuhaus

Welt wird immer mehr zur Schicksalsgemeinschaft

Der Referent Alois Glück im Pfarrzentrum Neuhaus. Foto: Ines Wagner

Vortrag zum Schlierseer Kulturherbst

Die Flüchtlingsströme haben die Stärken und Schwächen unserer Gesellschaft freigesetzt. Wir gehen wir damit um? Was macht unsere Gesellschaft zukunftsfähig? Alois Glück gibt mit seiner „Schlierseer Rede“ wichtige Denkanstöße.

Im Rahmen des Kulturherbstes ist die Schlierseer Rede als fester Programmpunkt nicht mehr wegzudenken. Diesmal referierte und diskutierte Alois Glück, langjähriger bayerischer Politiker und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zum Thema „Werteorientiertheit in dieser Zeit – Wege zu einer zukunftsfähigen Zukunft erschließen“. Nach dem Josefstaler Gespräch über Verständniskultur mit Gerhard Polt und Markus Ederer war es das zweite spannende Gesellschaftsthema, das innerhalb des Schlierseer Kulturherbstes eifrig verfolgt und diskutiert wurde. Mit Alois Glück habe man einen besonderen Menschen der bayrischen Politik zum Gespräch gewinnen können, der aufgrund seiner persönlichen und politischen DNA authentisch, ehrlich, wahr, bestimmt und glaubhaft sei, so Johannes Wegmann, Organisator des Schlierseer Kulturherbstes.

St. Josef und Pfarrhaus erstrahlen in Licht- und Farbinstallation des Schlierseer Kulturherbstes.
St. Josef und Pfarrhaus erstrahlen in Licht- und Farbinstallation des Schlierseer Kulturherbstes. Foto: Ines Wagner

Noch nie war die Gesellschaft so auf Sinnsuche wie heute und zugleich so orientierungslos. Noch nie wurden so viele Wertedebatten geführt, Leitbilder aufgestellt, über Mitverantwortung und Gemeinwesen diskutiert. Es wird nach Lebensstilen gesucht, die langfristig tragbar und somit zukunftsfähig sind. Aber nur wenn Werteorientiertheit mit Sachkompetenz gebündelt würde, könne man zukunftsfähige Lösungen finden, legte Alois Glück dar.

Was sind die Wirkkräfte der Veränderungen?

Eine der schwerwiegenden Veränderungen für die Gesellschaft sei die demografische Entwicklung. Seit vielen Jahren schon sei der Wohlstand nur erschaffen und erhalten worden durch stetige Zuwanderung, trotzdem mangelt es an jungen Fachkräften. Die zweite unaufhaltsame Veränderung beschrieb der Politiker in den neuen Kommunikationswegen und der damit einhergehenden Verrohung der Sprache und Respektkultur. Um gemeinsam neue Wege zu finden, sei reale Zusammenarbeit nötig und vor allem, dass sich Menschen finden, die Verantwortung übernehmen. Das ist in der Masse und zugleich Distanziertheit und Anonymität der sozialen Netzwerke kaum machbar.

Teufelskreis: „Neben uns die Sintflut“

Die Flüchtlingsströme, sagte Alois Glück, haben die Stärken und Schwächen unserer Gesellschaft freigesetzt. Sie haben Empathie und unzählige Helfer mobilisiert und zugleich unglaublichen Hass generiert. Das hat die Gesellschaft gespalten. Insbesondere in der mobilen Kommunikation ist die Stimmungsmache stärker als die Fakten. Weitere große Gesellschaftsveränderung komme durch die neue Etappe der Globalisierung, in der die Welt mehr und mehr zur Schicksalsgemeinschaft würde. Deutschland und Europa könnten sich nicht abkoppeln von den Problemen der restlichen Welt. Wir leben keineswegs in einer isolierten Wohlstandsblase. Unsere Mitverantwortung hört nicht an den Landesgrenzen auf, zumal wir durch unsere Vergangenheit als auch durch unseren Lebensstil Mitverantwortung tragen für die Lebenssituation in den anderen Ländern. Das wird die größte ethische Herausforderung unserer Zeit, so Alois Glück. Insbesondere darüber wurde anschließend interessiert vom Publikum diskutiert.

Entkopplung von Religion und christlicher Ethik

Alois Glück forderte seine Zuhörer auf, mehr Selbstbewusstsein und Vertrauen in bisher Geschaffenes, sowie eine neue Wertschätzung für unsere Demokratie und unseren Staat zu entwickeln. Dazu betrachtete er realistisch, dass die Grundlagen in den alten und neuen Bundesländern unterschiedliche sind. In den alten Ländern könne man auf 6 Jahrzehnte Entwicklung und Wohlstand zurückblicken und darauf stolz sein. In den neuen Bundesländern haben die Menschen nach der Wende bei 80% Jobverlust zunächst ein Verlusttrauma erlitten, dass ihnen jetzt stärkere Angst vor wiederholter Veränderung mache. Zudem sei das Problem dort auch die Entkopplung von der Religion und damit von christlicher Ethik.

Johannes Wegmann (l.) überreicht Alois Glück einen Dankesgruß aus Schliersee.
Johannes Wegmann (l.) überreicht Alois Glück einen Dankesgruß aus Schliersee. Foto: Ines Wagner

Wie man dennoch die Menschen erreichen könnte, die kein Ohr mehr hätten für Vernunft und Fakten, kam die Frage aus dem Publikum. Nicht aufhören, den Dialog zu suchen, auch zu widersprechen, Zusammenhänge verständlich zu machen, gefährlicher Kräfteentwicklung entgegen wirken, war Glücks Antwort. Destruktive Kräfte könne man nicht einfach beiseite schieben, aber die konstruktiven Kräfte könne und müsse man stärken. Es müsse zudem mehr Menschen geben, die sich engagierten, auch ehrenamtlich, und echte Verantwortung übernehmen. Natürlich sei das Thema Nachhaltigkeit wichtig. Sein Appell: Es braucht ein Volk, dass sich verhält wie Eltern, die zugunsten ihrer Kinder auf Dieses oder Jenes verzichten. Wir müssen Lösungen finden, auf eine Art zu wirtschaften und zu leben, die zukunftsfähig ist, auch für die folgenden Generationen. Dazu müssten auch die Bedingungen des Welthandels auf den Prüfstand gestellt werden und Wertschöpfungsketten vor Ort in den Ländern entwickeln. Eine gemeinsame Afrika-Strategie der Europäer sei notwendig, und dazu müsste zuerst in Europa Einigkeit herrschen.

Alois Glück: Respekt in einer zukunftsfähigen Welt

Zum Schluss spannte sich der Bogen noch einmal zur Thematik der Flüchtlingsströme und zum Hauptwort des Abends: Respekt. Ein respektvoller Umgang ist die Grundlage für Vertrauen und damit die Basis für ein gutes Miteinander. Nur auf der Basis von Respekt, Vertrauen und Verantwortung lasse sich eine zukunftsfähige Lebensweise aufbauen.
Und weil auch Musik ihren Anteil leistet, der Verrohung der Gesellschaft effektvoll entgegenzuwirken, wie der hervorragende Musiker und Arrangeur Willi Huber treffend bemerkte, war seine Begleitung des Abends auf der Zither mit ungewöhnlichen Stücken eine große Bereicherung.

Im Rahmen des Schlierseer Kulturherbstes gibt es bis zum 30. Oktober noch weitere Veranstaltungen. Infos zum detaillierten Programm finden Sie hier.

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