Grand – ein Auslandsjahr in Dublin
Erinnerungen, Freundschaften und ganz viel irisches Glück- das packe ich in meinen Koffer wenn ich wieder nach Hause fliege. Foto: Megan Tilley
Erlebnisbericht von einem Auslandsjahr
„Grand“ das ist das Wort, das ich am allermeisten mit den letzten drei Monaten verbinde. Bevor ich für mein Auslandsjahr in Irland war, hatte ich es noch nie gehört, doch dort war es überall. „Grand“ kann man immer sagen, wenn etwas gut ist, also zum Beispiel „I am grand“. Und wenn mich jemand fragen würde wie meine Zeit in Irland war, dann würde ich auch sagen: „Grand!“
Mein großer Traum
Während meiner Schulzeit ins Ausland gehen und Freunde aus unterschiedlichen Ländern kennenlernen, das war schon immer mein großer Traum. Nachdem wegen Corona zahlreiche Austauschprogramme meiner Schule abgesagt wurden, begann ich voriges Jahr, nach Möglichkeiten für einen längeren Auslandsaufenthalt in einem englischsprachigen Land zu suchen.
Letztendlich entschied ich mich dabei für eine Schule mit Internat in Dublin und wollte dort für einen Term, das sind etwa drei Monate, bleiben. Meistens wird dafür der erste Term gewählt, das war aber bei meiner Schule aus verschiedenen Gründen nicht möglich, weshalb ich im letzten Term, von Ende Februar bis Ende Mai, dort war.
Soviel schon mal vorweg: Das waren mit Sicherheit die wichtigsten und prägendsten drei Monate meines bisherigen Lebens. Ohne zu übertreiben.
In Irland konnte ich einiges lernen – über das Leben und über mich selbst. Foto: Lisa Horn
Schule in Irland
Aber beginnen wir am Anfang. In Irland war ich im 4th Year, auch genannt Transition Year, was unserer 10. Klasse entspricht. Dieses Jahr ist allerdings, im Gegensatz zu unserer 10. Klasse, als Jahr zum Entspannen und neues, anderes Ausprobieren, gestaltet. Es geht mehr darum, etwas fürs Leben zu lernen und daneben durch Projektarbeit die eigenen Interessen und Begabungen besser zu verstehen, um eine passende Wahl für die Abschlussfächer treffen zu können.
Dieses Konzept finde ich an sich eine wirklich gute Idee, es hat allerdings den unvermeidlichen Nebeneffekt, dass viele der Schülerinnen sich nicht mehr so wirklich für Schule und ihre Leistungen interessieren. Oft genug habe ich den Satz gehört: „We are TY, it doesn`t matter what we are doing.“ (Wir sind TY, es ist nicht wichtig was wir machen.) Das stimmt vor allem was Noten angeht, aber in den meisten Fächern wird deshalb auch eher praktisch gearbeitet.
In Chemie wurde eigene Bodylotion hergestellt. Foto: Lisa Horn
Schulische Aktivitäten
Neben Mathe, Englisch, Wirtschaft, Geschichte und Physik gab es auch noch Fächer wie Home Economics, Career Guidance, Relationship Education und Sustainable Living. All das sind Fächer, die ich in unserem deutschen Schulsystem vermisse, denn ich denke schon, dass es wichtig ist zu lernen, wie man seine eigene Wäsche bügelt, sich bei einer Uni bewirbt, toxische Beziehungen vermeidet und warum Korallenriffe absterben.
Am allermeisten fehlt meiner Meinung nach aber das Fach Personal Development. Wie der Name schon sagt, soll es die Persönlichkeit entwickeln und enthält unterschiedliche Kurse wie beispielsweise Selbstverteidigung und erste Hilfe, aber auch eine Fahrstunde, eigene Trommeln herstellen und einen Barista Kurs. All das lässt einen tatsächlich etwas fürs Leben lernen und entwickelt nicht nur die eigene Persönlichkeit sondern auch ein Gruppengefühl.
Die erste Fahrstunde durften alle auf dem Schulparkplatz machen, Foto: Yannis Man
Internatsleben
Soviel also zu Schule in Irland, oder eher, TY in Irland. Das ist sicherlich ein großer Teil meines Auslandaufenthaltes gewesen aber lange nicht alles. Ich hatte mich ja, wie bereits erwähnt, für ein Internat statt einer Gastfamilie entschieden, vor allem, um die Ungewissheit, die mit dem Aufenthalt bei einer unbekannten Familie verbunden ist, zu vermeiden. Außerdem dachte ich, dass es in einem Internat wahrscheinlich einfacher ist Anschluss zu finden, weil viele Leute im eigenen Alter mit einem zusammen wohnen. Zumindest für mich ist diese Rechnung aufgegangen, letztendlich muss sich das aber jeder selbst überlegen.
Nachteile
Es gibt natürlich auch Nachteile wenn man sich für ein Internat entscheidet, denn zum einen ist es meist teurer als eine Gastfamilie und zum anderen bekommt man von der Kultur des Landes relativ wenig mit. Außerdem kann es schwierig sein, tatsächliche Privatsphäre zu finden. Vor allem am Anfang war das schwer für mich, denn ich bin mit vier anderen Mädchen in einem Zimmer gewesen, eine vollkommen ungewohnte Situation für mich und auch ziemlich anstrengend, wenn alles neu und anders ist.
Es war nicht immer alles einfach – aber letztendlich war die Zeit ein unvergessliches Erlebnis. Foto: Lisa Horn
Aller Anfang ist schwer
Wo ich schon beim Anfang bin, der war, zumindest für mich, generell schwer. Ein neues Land, eine fremde Sprache, unbekannte Menschen, ein komplett anderes Schulsystem, ein zuhause auf Zeit und das alles ganz alleine. Das war zunächst viel zu viel für mich und ich habe mich immer mal wieder dabei ertappt, wie ich an meiner Entscheidung gezweifelt habe und mich gefragt habe, ob es das überhaupt wert ist. Wenn ich jetzt zurückschaue würde ich darauf mit einem fetten ja antworten.
Wendung zum Guten
Nach etwa zwei Wochen hatte ich wirklich tolle Freundinnen gefunden und mich an den Alltag im Internat gewöhnt, mein Leben in Deutschland schien auf einmal ewig weit weg. Und dann passierten ja auch ständig aufregende und neue Dinge, bereits in meiner zweiten Schulwoche führte mein Jahrgang ein Musical auf, wir flogen nach Barcelona, hatten eine Choral Competition, gingen in den Zoo, machten einen Darkness into Light Walk, veranstalteten ein Barbecue mit der ganzen Schule und machten jedes Wochenende Trips nach Dublin City oder in eines der naheliegenden Dörfer Bray oder Greystones. Generell wurden vom Internat immer Trips für samstags organisiert, wir gingen dann zum Beispiel zu einem Shoppingcenter, in eine Rollerdisco oder ins Kino, und am Sonntag konnten wir selbst etwas planen.
Der Cliffwalk in Bray war eines meiner Highlights. Foto: Lisa Horn
Die einzigen Ferien, die in meinem Term lagen waren die Osterferien und da das Boardinghaus in dieser Zeit geschlossen hatte, verbrachte ich die erste Woche in einer Gastfamilie und in der zweiten Woche kam meine Familie und wir reisten durch Irland. Glücklicherweise hatten wir in dieser Zeit wirklich gutes Wetter und konnten den Westen und Norden Irlands im schönsten Sonnenschein bewundern.
Kultur beim Auslandsjahr
Die irische Kultur habe ich am besten in diesen zwei Wochen kennengelernt, bei meiner Gastfamilie, die nettesten und herzlichsten Menschen die ich je getroffen habe, und als ich mit meinen Eltern und meinem Bruder in verschiedenen B&Bs war. Wir haben uns mit Irinnen und Iren unterhalten, die irische Natur bei einer Wanderung oder vom Pferd aus bewundert haben und dem ein oder anderen Pub mit Livemusik einen Besuch abgestattet.
Eine Sheepdog Vorführung durfte natürlich auch nicht fehlen. Foto: Lisa Horn
Macht es!
Insgesamt war mein Auslandsjahr in Irland ein absolut unvergessliches Erlebnis und ich würde wirklich allen 9. oder 10. Klässlern und Klässlerinnen da draußen, die sich überlegen für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen, empfehlen: Macht es! Es wird euch weiterbringen, auf so viele unterschiedliche Weisen, und ihr werdet wunderbare Menschen treffen mit denen ihr wunderbare Momente erleben werdet und ganz nebenbei verbessert sich dann auch noch euer Englisch, Französisch, Spanisch oder welche Sprache ihr auch immer lernt.
Also: Give it a go, it will be grand!
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