Eberl Überlebensformel_Vortrag

Unsere Überlebensformel

Plakat zum Vortrag von Ulrich Eberl. Foto: Piper Verlag

Kommentar zur Buchrezension „Unsere Überlebensformel“

Am 26. Mai veröffentlichten wir eine Rezension von Marc-Denis Weitze zum Buch von Ulrich Eberl „Unsere Überlebensformel“. Hier bringen wir die Antwort des Autors und wollen damit beginnen, eine echte substantielle Diskussionskultur zu etablieren. Am 6. November wird der Autor zu einer Veranstaltung nach Holzkirchen kommen.

Buchrezensionen sind eine eigene literarische Gattung. Sie stehen für sich und sollten nicht selbst kommentiert werden. Nun hat mich aber Marc-Denis Weitze, der mein aktuelles Buch „Unsere Überlebensformel“ besprochen hat, explizit um Anmerkungen gebeten – und ich komme dem gerne nach. Dass ich ein „Wissenschaftsoptimist“ bin, wie seine Überschrift lautet, stimmt: Für mich als promovierten Biophysiker und als jemand, der 23 Jahre lang in großen Industriefirmen gearbeitet hat (bevor ich mich 2016 selbstständig gemacht habe), sind Wissenschaft und Technik in der Tat weit eher Teil der Lösung als Teil des Problems … wobei ich natürlich nicht leugne, dass technische Innovationen selbst wieder zu neuen Problemen führen können. Da muss man nur auf die so vielseitigen Kunststoffe verweisen, deren Produktionsmengen sich in den letzten 50 Jahren verzwanzigfacht haben und die heute als Plastikmüll sogar die Antarktis und die Tiefsee verschmutzen.

Der Wandel ist machbar – auch wirtschaftlich

Dennoch: Ich bin überzeugt davon, dass die Krisen, die ich in meinem Buch behandle – ob Klimawandel oder Müllberge, Artensterben, Hungersnöte oder Pandemien – lösbar sind. Wir müssen es natürlich als Gesellschaft wollen, mit weltweiter Kooperation statt Konfrontation, und mit Lösungen, die in vielen Fällen schon existieren und die sich oft auch wirtschaftlich rechnen. Die also nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll sind. Strom aus Wind und Sonne etwa ist auch in unseren Breiten bereits heute billiger als Kohlestrom, in vielen Weltregionen sogar um einen Faktor zehn!

Auch Elektroautos sind inzwischen absolut wettbewerbsfähig. Seit 2010 sind die Kosten für ihre Batterien um 90 Prozent gesunken. Allein diese Lösungen – Wind- und Solarstrom und Elektroautos – würden die Klimagase aus Kohle, Öl und Gas schon um zwei Drittel senken, wenn sie weltweit die fossil befeuerten Kraftwerke und die Verbrennungsmotoren ersetzen würden. Oder nehmen wir die Müllberge in Südostasien und Afrika: Wenn man hier eine geordnete Müllbehandlung installieren würde, wäre dies eine Win-Win-Win-Situation. Dadurch würden Giftstoffe und Plastikmüll drastisch verringert und zugleich (wegen des austretenden Methans) jedes Jahr mehr Klimagase eingespart, als ganz Deutschland in die Luft bläst.

Das sind jetzt nur zwei Beispiele. Mein Buch enthält eine Vielzahl solcher pragmatisch umsetzbarer, weltweit sinnvoller Lösungen. Mir geht es beileibe nicht um die Präsentation interessanter wissenschaftlicher „Einfälle“, wie Marc-Denis Weitze schreibt, sondern vor allem um ihre Realisierbarkeit.

Ulrich Eberl
Was der neue Weltklimabericht gegen den Klimawandel empfiehlt, wird im Buch ebenfalls analysiert und bewertet.

Kein Boom der Kernenergie

Drei Punkte, die in der Rezension konkret angesprochen wurden, möchte ich kurz kommentieren:

1) Kernenergie. Weitze fragt, warum ich nicht darauf eingehe, dass „andere Nationen einen anderen Weg gehen als wir in Deutschland“, also auf Kernenergie setzen. Wie ich im Buch erläutere, ist das einfach zu beantworten: Wir bräuchten bis 2050 Hunderte bis Tausende neuer Kernkraftwerke, um dem Klimawandel etwas entgegensetzen zu können. Derzeit sind ein paar Dutzend geplant, von denen wohl viele gar nicht errichtet werden – fast alle davon in nur drei Ländern: China, Russland, Indien. Von einem globalen Boom kann keine Rede sein. Ende 2021 ging erstmals seit 15 Jahren ein neuer Reaktor ans europäische Netz (in Finnland). Er hat 13 Jahre Verspätung und kostete mehr als dreimal so viel wie geplant, 10 Milliarden Euro. Fazit: Kernkraft ist viel zu teuer, von all den Sicherheits-, Rückbau- und Entsorgungsproblemen mal ganz abgesehen.

2) mRNA-Impfstoffe. Weitze fragt, warum trotz all der Versprechungen bis heute kein „angepasster Impfstoff auf dem Markt ist, obwohl seit Monaten von Corona-Mutanten die Rede ist“. Auch das lässt sich ohne weiteres erklären: Das Entwickeln der Impfstoffe geht tatsächlich schnell, wie ich im Buch schreibe. Omikron gibt es seit Dezember 2021, und angepasste Impfstoffe durchlaufen schon die Testverfahren. Warum sie noch nicht verfügbar sind, hat andere Gründe. Zum einen ist der „sense of urgency“ nicht mehr so hoch, da auch die bisherigen Impfstoffe gut gegen schwere Verläufe schützen und weil Omikron bei weitem nicht so gefährlich ist wie Alpha, Beta, Delta. Und zum anderen dauert die Zulassung einfach eine gewisse Zeit. Die EMA rechnet bis September 2022 mit der Zulassung angepasster Impfstoffe. Das ist durchaus schnell, finde ich.

Synthetische Kraftstoffe aus der Zementindustrie

3) Bei der (noch in der Erprobung befindlichen) Oxyfuel-Technologie, die die Zementindustrie umweltfreundlicher machen könnte, fragt Marc-Denis Weitze, was der dafür verwendete reine Sauerstoff kostet. Nun, da er aus der Wasser-Elektrolyse kommt, bei der man eigentlich Wasserstoff gewinnen will, ist er sozusagen ein kostenloses „Beiprodukt“. Er entsteht automatisch mit, das macht das Konzept ja so attraktiv. Die Frage des Rezensenten („wie viel Mineralwasser will man herstellen, um das anfallende Kohlendioxid zu nutzen?“) verbuche ich mal als gewollt-provozierende Polemik, denn darum geht es gar nicht. Im Buch steht, dass das primäre Ziel die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen mit Hilfe des Wasserstoffs aus der Elektrolyse und dem „Abfallprodukt“ Kohlendioxid aus der Zementindustrie ist. Damit lassen sich also Stoffe wie Methan, Methanol, Leichtbenzin, Kerosin umweltfreundlich herstellen – beispielsweise für den künftigen Einsatz in Langstrecken-Flugzeugen, die dann nicht mehr auf Treibstoffe aus fossilen Quellen angewiesen wären.

Ulrich Eberl mit aktuellem Buch und Roboter Nao
Ulrich Eberl mit aktuellem Buch und Roboter Nao. Foto: Piper Verlag

Weitere Fragen, die die Leser und Leserinnen vielleicht noch haben, werde ich selbstverständlich gerne im Rahmen des Vortrags beantworten, der als Veranstaltung von „anders wachsen“ geplant ist: am Sonntag, 6.11.22, um 11 Uhr in Holzkirchen.

ULRICH EBERL schrieb das Buch „Unsere Überlebensformel – neun globale Krisen und die Lösungen der Wissenschaft“. Er promovierte an der TU München in Biophysik, arbeitete drei Jahre bei Daimler und leitete 20 Jahre lang bei Siemens die Kommunikation über Forschung und Innovationen. Seit 2016 ist er als selbstständiger Zukunftsforscher, Vortragsredner und Buchautor tätig. Sein Fokus liegt auf Trends bis 2050: Umwelt und Energie, Gesundheit und Mobilität, Industrie und Künstliche Intelligenz. Das Buch „Die Überlebensformel“ ist im Piper Verlag erschienen.
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