Respekt vor der Pflanze
Harro Colshorn in seiner Biogärtnerei. Foto: MZ
Zwei Stammtische in Bruckmühl
Zwei Stammtische ergeben ein Bündnis. Die Regionalgruppe Gemeinwohlökonomie (GWÖ) Mangfalltal und die Spurwechselinitiative von KulturVision trafen sich bei Biogärtner Harro Colshorn in Bruckmühl zu einer Betriebsbesichtigung. Dabei ergaben sich ganz neue Verbindungen.
Aus der Not eine Tugend gemacht. Beide Stammtische waren für den letzten Mittwoch im Juli anberaumt, also wurden sie kurzerhand zusammengelegt. Die Spurwechsler suchen für sich persönlich einen neuen Weg zu einem gelingenden Leben. Und die Gemeinwohlökonomie ist schließlich ein gesellschaftlicher Spurwechsel zu einem nachhaltigen und solidarischen Wirtschaften.
So trafen sich die Interessierten zu einer Besichtigung der Biogärtnerei am Hainersbach und zu anregenden Diskussionen.
Harro Colshorn vermeidet künstliche Düngung
„Wir decken den Tisch und bereiten den Boden, die Pflanze sucht sich selber, was sie braucht.“ Das ist die Philosophie von Harro Colshorn, der in seiner Biogärtnerei jegliche Art künstlicher Düngung vermeidet – er nennt das Zwangsernährung – stattdessen immer wieder Phasen der Regeneration der Böden durch Gründünger mit Klee oder Lupinen einschiebt. Damit erreicht er, dass die Böden eine ausgewogene Mischung an Nährstoffen bilden. Mit einer ausgeklügelten Fruchtfolge bekommt jede Pflanze das, was sie braucht. Er nennt das Respekt vor der Pflanze, denn diese wisse besser, was sie braucht als der Mensch.
Im Folienzelt reifen Tomaten. Foto: MZ
An diesem Julitag reift sowohl im Freiland als auch in den stets ungeheizten Foliengewächshäusern eine Menge an Gemüse heran. Gurken, Tomaten, Paprika, Auberginen und Bohnen innen, draußen alle Sorten Kohl, Salat, Brokkoli, Zucchini und Kräuter. „Dieses Jahr gibt es Bohnen zum Sau füttern“, meint der Gärtner, der eigentlich studierter Jurist ist, aber seinen Beruf nicht mochte, sondern viel lieber etwas mit den Händen tun wollte.
Saisonales Gemüse
So gründete er schon vor 30 Jahren in Arget eine Hofgemeinschaft zur Selbstversorgung, aus der die jetzige Gärtnerei hervorging, die er mit seiner Tochter, seinem Sohn und vier Angestellten betreibt. Im angeschlossenen Hofladen gibt es das jeweilige saisonale Gemüse zu kaufen, zusätzlich zugekaufte Bioprodukte von außerhalb. „Aber wir sind zurückhaltend mit Tomaten im Frühjahr“, meint Colshorn, der die Schiene „Alles immer verfügbar“ nicht fahren möchte und dennoch einen Balanceakt zu den Wünschen der Käufer wagt.
Die Ziegen grasen und düngen. Foto: MZ
Neben den langen Feldern mit Gemüse hat er Grünflächen, auf denen Ziegen grasen, zum Abweiden und zum Düngen. Für die Zukunft ist auch die Verwertung der Milch als Käse geplant.
Wir kommen zum Blumengarten. „Das ist gut fürs Auge und gut für die Bienen.“, erklärt Harro Colshorn,“ Der Gärtner weist uns jetzt auf sein Haus hin. „Niedrigenergiehaus, Fotovoltaik, thermische Solaranlage, heizen mit Sonne, Holz und Gas.“
Prinzip des nachhaltigen und gerechten Wirtschaftens
Inzwischen ist der Tisch für uns gedeckt und wir dürfen kosten, was wir hier schon auf den Feldern gesehen haben. Harro Colshorn erklärte bei unserer Konferenz „anders wachsen“ 2016 das Prinzip der Gemeinwohlökonomie, nach der er seinen Betrieb erfolgreich führt. Er ist auch Vorstand der GWÖ Bayern und immer wieder unterwegs, um für das Prinzip des nachhaltigen und gerechten Wirtschaftens zu werben.
Der Tisch ist gedeckt. Foto: MZ
Er betreibe diese Art von Wirtschaft schon seit 30 Jahren, als es das Wort GWÖ noch gar nicht gab, erzählt er. GWÖ-Papst Christian Felber habe mit aktiven österreichischen Unternehmern und Unternehmerinnen das Prinzip nur in Worte gefasst und die Bilanzierung als Matrix erstellt, nach dem Betriebe, aber auch Unternehmen und Vereine sich ausrichten und zertifizieren lassen können. Es gehe einfach um einen anderen Umgang mit den Menschen, die hier arbeiten, um ein anderes Verhältnis mit den Käufern, denn nicht nur das Geschäft stehe im Vordergrund, um einen fairen Umgang mit den Zulieferern und um den anderen respektvollen Umgang mit der Natur.
Politische Rahmenbedingungen müssen sich ändern
Das Prinzip des „Tischdeckens“ für die Pflanzen funktioniere nicht immer, daher habe man ein höheres Preisniveau, das die Kunden akzeptieren. „Es funktioniert, weil die Verbraucher kritischer geworden sind, aber es wird eine Nische bleiben, wenn sich nicht die politischen Rahmenbedingungen ändern“, stellt Harro Colshorn fest.
Umweltleistungen müssten honoriert werden, fordert er, denn die Gesellschaft habe einen Nutzen davon. Andere Steuersätze, andere Kreditkonditionen, Berücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen, das seien ein paar der Forderungen, die Felber für Betriebe, die nach der Gemeinwohlökonomie arbeiten, fordert.
„Verzicht predige ich nicht“
Wir kommen noch einmal auf die Beschränkung „regional, saisonal, biologisch“ zurück und Harro Colshorn betont: „Verzicht predige ich nicht“. Vielmehr sei er sehr anspruchsvoll, was die Qualität der Produkte, der Sinn in der Arbeit und die Beziehung zwischen den Menschen, was Luft, Wasser und eine sichere Zukunft für unsere Kinder anbelange.
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