50 Jahre Amnesty International im Landkreis Miesbach
Thierry Nédélec, Fritz Weigl, Siegfried Komm und Matthias Weigl (v.l.) in der Ausstellung „50 Jahre Amnesty International in Miesbach“. Foto: Helene Weigl
Ausstellung und Festabend in Miesbach
Das Jubiläum feiert die Miesbacher Gruppe mit einer Ausstellung und einem Festabend im Gymnasium am kommenden Donnerstag. Gründungsmitglied Fritz Weigl erzählt von den Anfängen bis heute sowie einer ungewissen Zukunft der wichtigen Organisation.
Es war der Fernsehkorrespondent Gerd Ruge, der zusammen mit anderen Kölner Journalisten bereits im Sommer 1961 die deutsche Amnesty-Gruppe gründete. Der „Gerd Ruge von Miesbach“ wurde Heinrich Skudlik, Kunsterzieher am Gymnasium Miesbach, der nach einem Besuch bei einer Münchner AI-Gruppe Schüler, Lehrer und Mitglieder des Bibelkreises im Oktober 1972 zum ersten AI-Treffen einlud.
Die Gründer Fritz Weigl und Siegfried Komm. Foto: Thierry Nédélec
Dabei waren auch Siegfried Komm und Lehrerkollege Fritz Weigl, der bis heute die Arbeit im Landkreis Miesbach prägt. Viel seiner Freizeit habe er für AI aufgebracht, erzählt der 80-Jährige, der aber zudem noch Asylarbeit, Altenheimbesuche und Vorlesestunden für Kinder absolviert.
Ausstellung zu 50 Jahre Amnesty International
„Es ging darum, nicht nur in der großen weiten Welt tätig zu sein, sondern auch in Miesbach“, sagt er. Die Arbeit von Amnesty International in den vergangenen fünfzig Jahren ist in einer umfangreichen Ausstellung im Gymnasium Miesbach dokumentiert, die ab 6. Oktober zu sehen ist.
Tafel 1972 bis 1982. Foto: Thierry Nédélec
Diese Arbeit lässt sich in drei Schwerpunkte aufteilen. Zum einen ist es das Engagement für politische Gefangene in allen Ländern der Welt, das Engagement für Menschenrechtsverletzungen, und zwar in allen politischen Systemen.
Reaktion der Behörden gleich Null
„Die Erfolge sind kaum messbar“, muss Fritz Weigl einräumen. Einen direkten Kontakt habe man mit dem ukrainischen Dissidenten Danylo Shumuk aufbauen können, der seine 42 Jahre währende Haft, zuletzt wegen antisowjetischer Propaganda, absaß und dann nach Kanada ausreisen durfte. Bei vielen anderen aber sei die Reaktion der Behörden gleich Null gewesen.
In ihrer Arbeit aber sei man durch den Fall eines iranischen Richters bestätigt worden, der zwar seine Strafe punktgenau habe absitzen müssen, danach sich aber bei AI mit den Worten bedankt habe: „Ohne Amnesty International hätte ich die Haft nicht überlebt.“
Tafel 2012 bis 2022. Foto: Thierry Nédélec
Neben dieser Arbeit für politisch Inhaftierte macht Amnesty International immer wieder durch Veranstaltungen auf das wichtige Thema aufmerksam. Dafür konnte die Miesbacher Gruppe viele prominente Künstler gewinnen. Ob Gerhard Polt, die Biermösl Blosn, der Zither-Manä oder Claus von Wagner, dazu immer wieder die Big Band des Gymnasiums waren Highlights der Veranstaltungen.
Auch mit Theateraufführungen konnte das Thema Menschenrechte mit Mitteln der Kultur dargestellt werden, so mit dem Theater Compagnie aus Berlin.
Die Berliner Compagnie gastiert 2020 auf Einladung von AI in Miesbach. Foto: MZ
Zahlreiche Ausstellungen befassten sich mit Themen wie Rassismus, Flucht, Asyl, Todesstrafe und vielen anderen aktuellen Themen. „Mit einer Flugblattaktion demonstrierten wir 1987 vor der Flintkaserne in Bad Tölz gegen die Todesstrafe. Ehrlich gesagt, wir haben uns später nie mehr so weit aus dem Fenster gelehnt“, sagt Fritz Weigl, denn die Militärpolizei notierte von einigen Teilnehmenden die Namen.
Umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit
Damit ist schon die dritte Säule der Arbeit von Amnesty International angedeutet, die Öffentlichkeitsarbeit. Die Ausstellung dokumentiert die umfangreiche Tätigkeit der Miesbacher Gruppe, die mit Informationsabenden, Vorträgen, Ostermärschen, Infoständen, Schul- und Gruppenbesuchen auf die Bedeutung der Arbeit aufmerksam machte. So unter anderem auch bei dem Festival für Menschenrechte im Juli in Holzkirchen.
Fritz Weigl, Gründungsmitglied und heutiger Sprecher von AI in Miesbach. Foto: MZ
Das alles bewerkstelligte eine kleine Gruppe von Engagierten. Derzeit sind es 24 Mitglieder, von denen ein harter Kern von etwa acht Ehrenamtlichen die Arbeit stemme, informiert Fritz Weigl. In Holzkirchen hatte sich zwischenzeitlich eine Gruppe von AI um Erika und Bernard Brown gegründet.
Bernard Brown und Verena Schmidt-Völlmecke bei einer Podiumsdiskussion zum Grundgesetz der BRD 2019 im FoolsTheater Holzkirchen. Foto: MZ
„Bernard Brown war eine Säule“, sagt Fritz Weigl. „Sein Humor und seine Leistungen als Brückenbauer bei schwierigen Themen, wie dem Israel-Palästina-Konflikt waren unschätzbar.“ Sein Tod habe eine große Lücke gerissen, denn er habe zwar eine feste Meinung gehabt, sei aber nie verletzend gewesen, sondern habe vielmehr menschliche Nähe gegeben und bereitwillig viele Aufgaben übernommen.
Aktuell bearbeite man zwei Fälle. Eine iranische Frau ohne Kopftuch habe in der U-Bahn Blumen verteilt und in Malaysia sitze ein Man seit Jahren wegen des Besitzes geringer Mengen an Drogen in der Todeszelle.
Arbeit so notwendig wie vor 50 Jahren
In den Kampagnen wolle man sich nach Corona insbesondere Themen wie Diskriminierung, Rassismus und Pressefreiheit widmen.
Wie sieht Fritz Weigl die Notwendigkeit der Arbeit von AI heute? „Wir sind mit dem Vorsatz angetreten, uns überflüssig zu machen“, sagt er. Dies aber sei nicht eingetreten. Die Arbeit sei heute so notwendig wie vor fünfzig Jahren. „Wenn wir zwanzig wären, würden wir wieder so anfangen, aber wir müssen aufhören, weil wir überaltert sind.“
Wenn Nachwuchs käme, würde die Arbeit weitergehen, wenn nicht, werde man weitermachen, solange es gehe und sich dann mit dem Zitat aus dem Alten Testament verabschieden: „Alles hat seine Zeit.“
Big Band des Gymnasiusms Miesbach. Foto: privat