Die Künstlerin und der Wunderwal

Die Künstlerin Verena Seibold schrieb „Der kleine Wunderwal“. Foto: Selina Benda

Künstlerin vom Tegernsee

Kreativität – sie kann uns helfen die Stürme des Lebens und die schwersten Schicksalsschläge zu verarbeiten und dadurch noch in etwas Schönes zu verwandeln. Die Künstlerin Verena Seibold schöpft aus genau dieser Kraft und hilft mit ihrer Geschichte über den kleinen Wunderwal noch vielen anderen Menschen.

Ein warmes Lächeln, eine einnehmende Erscheinung und eine solch positive Einstellung zum Leben, dass man es nicht ganz fassen kann. Wenn man Verena Seibold kennenlernt und ihre Geschichte hört, bleibt man mit viel Respekt und Demut zurück. Die Gmunderin hat in ihrem Leben schon einige Schicksalsschläge erlebt. Doch dies soll keine Erzählung über Tiefpunkte werden, sondern eine Mut-Mach-Geschichte. Denn die 33-Jährige sieht trotzdem die Schönheit der Welt und das sogar in den dunkelsten Momenten ihres Lebens.


Feine Linien, Farben und Goldelemente zieren die Mandalas der Künstlerin. Foto: Selina Benda

Was der Kinderpflegerin schon früh in ihrer Jugend geholfen hat, war die Kreativität. „Ich hatte schon immer ein Faible für Poesie. Das Schreiben über Gefühle, Gedanken und Hoffnungen. Mit Worten konnte ich all das immer verarbeiten.“ Dass ihr diese Fähigkeit viele Jahre später noch sehr hilfreich sein würde, konnte sie damals nicht ahnen.

Doch nicht nur mit Worten, sondern auch mit Formen und Farben gelang es der Gmunderin stets, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Mit 18 Jahren begann sie intensiv mit der Malerei, fertigte ihre ersten Acrylbilder an. Hinzu kamen mit der Zeit Zeichnungen sowie zauberhafte Mandalas – welche die Künstlerin alle Freihand auf das Blatt bringt.

Experimente und Perfektion

Doch die 33-Jährige hängt sich nicht an einem Stil auf, auch wenn gewisse Elemente wie feine Linien und Goldelemente stetig sind. „Ich liebe es zu experimentieren und neue Ideen auszuprobieren“, sagt sie. Alles was ihr ins Auge fällt, wird künstlerisch verwertet. So kamen mit der Zeit auch Objekte aus besonderen Hölzern hinzu, welche Verena Seibold mit Lötungen, Farben und anderen Materialien kombiniert.


Auch verzierte Holzobjekte fertigt Verena Seibold an. Foto: Selina Benda

„Wenn ich schöne Hölzer finde, verwandle ich sie in etwas Praktisches wie Dekoelemente, Spiegel oder Garderoben.“ Auch kleine Aquarelle sowie besondere Werke aus Alkohol und Tinte stammen aus ihrer Kreativwerkstatt. Dabei malt sie, was aus ihr herauskommen möchte: „Ich arbeite nicht nach Plan, sondern fange einfach an und schaue was passiert.“

Lesetipp: Das Potential der Kunst – Susi Urban in Bad Wiessee

Auf Perfektion komme es ihr bei ihrer Kunst nicht an. „Die Welt und wir Menschen sind nicht perfekt und das ist auch in meinen Werken so.“ Selbst wenn sie im Schaffensprozess an einen Punkt kommt, an welchem ihr das, was gerade entstanden ist, nicht gefällt, macht sie weiter.


Dem Schaffensprozess vertrauen – ganz ohne Perfektion. Foto: Selina Benda

„Da muss ich dann über meinen eigenen Schatten springen und darauf vertrauen, dass am Ende der Gesamteindruck schön wird“, erklärt die Künstlerin. Kreativität helfe, im Kopf flexibel zu bleiben, sagt Verena Seibold. Verschiedene Situationen anzunehmen, immer wieder neue Wege auszuprobieren und eben nicht stehen zu bleiben – das ist es, was sie aus ihrer Kunst mitnimmt.

Als die Welt still stand

Eine Einstellung, die ihr in den vergangenen zwei Jahren wohl das Leben erleichtert hat. 2019 begann die Gmunderin ihre Ausbildung zur Integral therapeutischen Kunst- und Kreativpädagogin. Als alle Welt aufgrund der Coronapandemie in eine Art Lethargie verfiel, hatte die Künstlerin einen Aufschwung. „Ich habe so viel gemalt wie noch nie zuvor, ich war wie in einem Rausch.“


Die Kreativität half der Künstlerin durch schwere Zeiten. Foto: Selina Benda

Im Jahr 2021 wird Verena Seibold ungeplant schwanger. Nach dem ersten Schreck folgt die Vorfreude auf ihren kleinen Jungen – Milo. Doch dann der Schock: Im fünften Schwangerschaftsmonat stellen die Ärzte bei Milo eine schwere Krankheit fest, die es dem kleinen ungeborenen Jungen unmöglich macht zu leben. Für die Gmunderin bricht ihre komplette Welt zusammen. Sie entscheidet sich voller Liebe, Milo so lange unter ihrem Herzen zu tragen, wie er es schafft. Sieben Wochen später verstirbt er in ihrem Bauch und sie bringt den kleinen Jungen als Sternenkind still zur Welt.


Die Kunst ist beständig. Foto: Selina Benda

Hilfe, Trost und Unterstützung erhält sie in dieser Zeit von ihrer Mutter, Freundinnen aus der Ausbildung und der Stiftung „Bethanien Sternenkinder Oberland/Inntal“. Verena Seibold hat sich viel Hilfe geholt, sich gut begleiten lassen – doch den Schmerz, sein Kind zu verlieren, den konnte ihr leider niemand abnehmen.

Eine tiefe Wunde in ihrem Herzen, die bleibt. „Die Trauer kommt in Wellen, doch sie schützt uns auch vor der Verzweiflung“, sagt Verena Seibold. Heute ist sie sich sicher, dass ihr kleiner Milo aus einem bestimmten Grund so in ihr Leben getreten ist. „Er hat mir gezeigt, wie viel Liebe ich eigentlich empfinden kann und hat mich dadurch wieder zu mir selbst geführt.“

Der kleine Wunderwal

Für die Beerdigung ihres Jungen schrieb Verena Seibold ihm eine Geschichte auf – über den kleinen Wunderwal. Sie erzählt darin über Milo, den kleinen Wal, der mit einer besonderen Gabe geboren wird. Alle Meeresbewohner sind ganz entzückt von dem Kleinen und er verzaubert die Welt unter und über Wasser. Doch wie Milo im wahren Leben, kann auch der kleine Wal in der Geschichte nicht lange auf der Welt weilen – zumindest nicht physisch.


Das Buch „Der kleine Wunderwal“ von der Gmunder Künstlerin. Foto: Verena Seibold

Doch mit kleinen Zeichen zaubert er seiner traurigen Mutter immer wieder ein Lächeln auf die Lippen. Zeichen, die auch Verena Seibold immer wieder von ihrem kleinen Jungen geschickt bekommt. „Das erste Geschenk, das ich Milo gekauft hatte, war ein Kirschkernkissen mit einem Wal darauf. So ist die Geschichte entstanden und seitdem treffe ich immer wieder auf kleine Wale im Alltag. Dann weiß ich, er ist bei mir.“

Erlebtes verarbeiten

Ein Jahr später, an Milos erstem Geburtstag, hält Verena Seibold ein kleines Buch in den Händen. Mit Hilfe von Freunden und Unterstützern hat sie das Buchprojekt „Der kleine Wunderwal“ umgesetzt. Die Geschichte wurde von Kristine Haußner zauberhaft illustriert und im Eigenverlag von der Gmunder Künstlerin herausgebracht. „Das Buch zu gestalten hat mir geholfen, dieses Erlebnis im Schönen zu verarbeiten“, sagt Verena Seibold.


Auch im Buch muss die Mutter Abschied von ihrem kleinen Wunderwal nehmen. Foto: Selina Benda

Es sei wichtig, das Thema Sternenkinder in die Mitte der Gesellschaft zu rücken, damit Betroffene ihre Geschichten teilen und sich somit gegenseitig helfen können. „Ich möchte, dass dieses Buch Familien mit Sternenkindern begleitet, ihnen Kraft schenkt und zu verstehen gibt, dass in ihrem Prozess alles sein darf. Die Verbundenheit zu einem Sternenkind bleibt und es darf seinen Platz in der Familie behalten.“

Kunst als seelische Erfüllung

Mit Milo im Herzen schafft es Verena Seibold, die Welt positiv zu sehen. Seelische Erfüllung findet sie nach wie vor in der Kunst: „Kunst ist etwas Schönes und Ästhetisches. Das gibt mir einen Ausgleich im Leben zu all den Schicksalsschlägen.“ Dieses positive Gefühl mit ihren Kunstwerken auch bei anderen Menschen auszulösen, freue sie umso mehr. Noch bis Ende März ist ein Teil ihrer Werke im „Deko und Genuss Café“ in Bad Wiessee ausgestellt.

Lesetipp: Künstlerin mit Tiefgang – Ulrike Lang

Wer „Der kleine Wunderwal“ noch nicht kennt, sollte sich die Buchvorstellung am Sonntag, 19. Februar 2023 um 14.30 Uhr im Lichtraum Miesbach (Rathausstr. 5/Hintereingang) nicht entgehen lassen. Eine schöne Geschichte, die nicht nur Eltern mit Sternenkindern, sondern jedem Dankbarkeit und Liebe ins Herz zaubern kann.

Mehr Informationen zu Verena Seibold und „Der kleine Wunderwal“ gibt es unter www.kuenstlerin-vom-tegernsee.de sowie auf Instagram: der.kleine.wunderwal. Hilfe und Unterstützung erhalten Betroffene bei der Stiftung „Bethanien Sternenkinder Oberland/Inntal“.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf