Christiane Ahlhelm: „Seit 23 Jahren spiele ich nur für Kinder. Aber natürlich freue ich mich auch jedes Mal, wenn ich auch Erwachsene durch meine Arbeit begeistern kann.“ Foto: Isabel Sophie Oberländer)

Theater in München

Am 1. März 2023 fand im Theater HochX in München die Premiere der neuen Darbietung von Theater Kunstdünger statt. Eine humorvolle und visuell ansprechende Erzählung, die Schauspiel, Figurentheater und bewegte Bilder kombiniert und unsere visuelle Wahrnehmung und Erwartung auf die Probe stellt.

Das HochX ist in durch seinen unkonventionellen Charakter der ideale Aussführungsort für Kunstdünger. Foto: IO

„Schau mal, Mama! Die Frau sieht aber lustig aus!“

München, Untere Au, Entenbachstraße. Ein Gebäude in Beige- und Weißtönen, hinter deren historistisch gestalteten Mauern sich eher ein Wohnhaus als eine Kleinkunstbühne vermuten lässt. Seit 2016 wird hier gelacht, gehört, geschauspielert. Eine Ansammlung von Fahrrädern verweist bereits auf das Spektakel im Innenraum. Im Saal geht das Licht aus, alles lauscht gespannt, das bunt gemischte Publikum hält den Atem an und richtet den Blick erwartungsvoll in Richtung Bühne. Vorhang auf für Christiane Ahlhelm! „Schau mal, Mama! Die Frau sieht aber lustig aus.“, bricht ein kleines Mädchen die Stille, einige andere Kinder glucksen bereits vergnügt über eine Frau, die ihre bunte Winterkleidung nach und nach ablegt. Darunter kommt das amüsante Kostüm zum Vorschein, welches eine erwachsene Frau im Handumdrehen in eine Schildkröte verwandelt. Ein weißer Helm, der sich als Reptilienglatze über den Kopf spannt, ein Stofftunnel als mobiles Halsglied, eng anliegende Kleidung in schlammigen Grüntönen – fertig ist die Schildkröte, die von Christiane Ahlhelm verkörperte Protagonistin der Geschichte.

Christiane Ahlhelm in Aktion (Foto: IO)

Die Handlung nach dem literarischen Vorbild von Jan Klassen ist wie das Buch sehr gut für Heranwachende ab vier Jahren geeignet. Die Vorstellung von Theater Kunstdünger lässt als Mischung aus Schauspiel und Figurentheater Kinder auf ihre Kosten kommen. Dies wird durch das direkte Feedback des jungen Publikums deutlich: Das Geschehen auf der Bühne wird laut mit Begeisterung kommentiert, es wird mitgefiebert, gelacht, applaudiert und sich schlicht amüsiert. Für besonders viele Lacher sorgt eine Bierbank, welche durch Christiane Ahlhelm angekleidet und somit zum Leben erweckt wird. „Wie die Kinder mitmachen und mitfiebern, das ist einfach zauberhaft.“ (Marc Tügel)

Heimlicher Publikumsliebling: die menschgewordene Bierbank. Foto: IO

Weniger ist mehr – und gefällt sehr!

Das Bühnenbild (Sibylle Kobus) gibt der Handlung nicht nur einen optischen Rahmen, sondern unterstreicht sie regelrecht. Bemerkenswert ist die Aussagekraft, die anhand reduzierter Mittel entsteht und dabei die Fantasie der Zuschauenden regelrecht beflügelt. Eine Regenwolke, die sich kontinuierlich vor einer Leinwand mit abstrakten Wetterprojektionen bewegt, ein plastisch anmutender Fels, detailreich gestaltete Pflanzen als Andeutung einer Landschaft – Technisch und mechanisch bewegte Bilder greifen ineinander und ergeben zusammen mit handwerklichen Elementen ein kreatives ganzheitliches Ensemble. Besondes eine Szene gegen Ende des Stückes, in welcher die Schildkröte den Eindruck erweckt, auf der Leinwand projizierte Sterne mit ihren Händen zu bewegen, verzaubert die Kinder im Saal und sorgt auch bei den Erwachsenen für einen Überraschungseffekt. „Das Bühnenbild und der Ton sind ein Genuss, mit so viel Liebe zum Detail.“, bringt es eine Zuschauerin auf den Punkt.

Auge in Auge. Foto: IO

Ein immersives Bühnenstück „Aus heiterem Himmel“

„Aus heiterem Himmel“ lebt ebenso von der akkustischen Untermalung der Szenerie. Klang- und Soundelemente werden punktuell eingesetzt und lassen Zuschauende die Welt der Schildkröte hautnah erleben. Auch Lichteffekte und Nebel sind Teil des Gesamtwerks, wobei das Highlight wohl eine ferngesteuerte Figur eines Auges ist, welche durch ihren Laserblick eine Blume bis zur Rauchbildung erhitzt und schließlich zerstört.

Prädikat: Erlebenswert

„Aus heiterem Himmel“ ist ein unterhaltsames Theaterstück, das sich mit dem Thema Klimawandel und Umweltschutz auseinandersetzt. Die Schildkröte, die nach einem Sturm auf einer einsamen Insel strandet, setzt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Überleben auseinander. Kunstdünger nimmt dabei eine vermittelnde und gleichsam unterhaltende Position ein, indem gesellschaftsrelevante Themen für Jung und Alt behandelt werden.

Christiane Ahlhelm nimmt nicht nur als Schauspielerin eine Rolle wahr, sondern ebenso in der Gesellschaft. Foto: IO

Eine durch und durch engagierte Frau

Die Gruppe erreicht bei ihren Tourneen seit der Gründung 1996 junges Publikum deutschlandweit, doch auch internationale Auftritte wie zum Beispiel in Belgien und in der Schweiz waren schon im Programm. „Kommenden Monat wird Theater Kunstdünger sogar in der Türkei, in Ankara, auftreten.“, erzählt Christiane Ahlhelm stolz. Das Engagement der Künstlerin zeigt sich nicht nur in ihrer schauspielerischen Leistung, sondern auch in ihrem Handeln als Umweltaktivistin und als erste Vereinsvorsitzende von Kunstdünger e.V.

Zum Weiterlesen: Heimspiele für Kinder vom Theater KUNSTDÜNGER