Barocksaal für das Barbican Quartett ausverkauft
Das Barbican Quartett. Foto: MV
Konzert in Tegernsee
Zum Auftakt der Saison 2023 der Konzertreihe „Podium für junge Solisten“ wurde der Barocksaal des Tegernseer Schlosses zur Bühne für die vier jungen, internationalen und außerordentlichen Musikerinnen und Musiker des „Barbican Quartett“.
Amarins Wierdsma, Violine, Kate Maloney, Violine, Christoph Slenczka, Viola und Yoanna Prodanova, Cello, die Gewinner des ARD-Wettbewerbs 2022, freuten sich über den vollen Saal und den warmen Empfang seitens des Publikums. In einer kurzen Ansprache hieß der Vorsitzende des „Freundeskreis für die Förderung junger Musiker e.V.“, Claus Cnyrim die Künstler und das Publikum willkommen.
Vier Persönlichkeiten
Diesem Streichensemble ist die Quadratur des Kreises gelungen, insofern so starke unterschiedliche Musikerpersönlichkeiten sowohl im Fokus auf die Werke als auch in freier künstlerischer Entfaltung zusammen agieren und virtuos, innig und lebensbejahend musizieren. 2022 war für das Quartett bereits ein herausragendes Jahr, nachdem im Februar die neue zweite Geigerin Kate Maloney dem Quartett beitrat. Die Verbindung zwischen den vier Musikern führte zur Entwicklung einer ausgeprägten und kraftvollen Klangqualität, die von ihren Mentoren, dem Quatuor Ébène und Günter Pichler, schnell erkannt wurde. Ein knappes halbes Jahr später feierte das Quartett einen herausragenden Sieg beim 71. ARD-Wettbewerb und es erhielt außerdem den Sonderpreis für die beste Interpretation des Auftragswerks von Dobrinka Tabakova, den Sonderpreis der CD-Produktion Genuin Classics, den GEWA-Preis und den Henle-Urtext-Preis.
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Dieser großartige Erfolg folgt auf den dritten Preis, den das Quartett im Mai beim Internationalen Streichquartettwettbewerb in Bordeaux gewonnen hatte. Der Name des Barbican Quartetts hat eine doppelte Bedeutung. “Barbican” ist eine Verteidigungsmauer, die eine Stadt oder eine Burg umgibt, was das Quartett mit seinem Bestreben verbindet, die Tradition des Streichquartettspiels zu entdecken, zu entwickeln und zu bewahren.
Wolfgang Amadeus Mozarts nicht erfolgreicher Versuch, 1789 Aufträge von Friedrich Wilhelm II., König von Preußen, zu bekommen war Ursprung der Komposition seiner drei letzten Quartette, der „Preußischen Quartette“. Der selbst Cello spielende König schickte seinen Hofkammermusiker Duport vor, um Mozart zu empfangen, doch dieser ließ den lästigen Konkurrenten abblitzen.
Das „Barbican Quartett“ präsentierte dem Tegernseer Publikum das dritte der Serie, das Streichquartett D-Dur KV 575, wegen seiner heiteren Stimmung auch „Frühlingsquartett“ genannt.
Blick auf dei Bühne im Barocksaal. Foto: MV
Nobel und entspannt gesanglich gestalteten die vier Musizierenden das Werk, die dialogischen Momente von 1. Violine und Cello, die solistischen Episoden treffend inspiriert ausarbeitend. Besonders im Andante gaben sie sich der Vokalduett- und Lied-Vorgabe Mozarts hin, sowohl den Zitaten aus „Das Veilchen“ als auch aus der „Entführung aus dem Serail“ mit Wohlklang und schlüssiger Gestaltung warm entgegenkommend. Im Menuett gaben sie dem in die Zukunft des Dreiertaktes weisenden Schwung treibend Kraft und ließen Yoanna Prodanova am Cello aufleuchten.
Den Gegensatz von ruhigen Dreiklängen und nervösen Cello-Triolen nahmen sie sich als Motor der Spannung des ausgelassenen Finale, dessen Beginn die rhythmische Verkleinerung des allerersten Dreiklang-Themas ist, und ziselierten ihn mit äußerster Präzision und meisterhafter Virtuosität.
Leoš Janáčeks musikalisches Outing
Als der 74jährige Leoš Janáček als einer der Großen der europäischen Musik 1917 die mehr als drei Jahrzehnte jüngere Kamila Stösslova kennenlernte, belastete dies seine Ehe nach dem Tod beider Kinder zusätzlich. Doch als seine Muse inspirierte die eher mediokre Frau sein gesamtes Spätwerk.
Offenbarung, Bekenntnis der Beziehung wurde das Streichquartett Nr.2 “Intime Briefe“, sein wichtigstes, gewaltiges kammermusikalisches Werk. Die Klangsprache dieser Liebeserklärung gab das „Barbican Quartett“ mit höchstem Können und Feingefühl, glühender Leidenschaft und Inspiration wieder. Vom „Thema der Frau“ über das „Thema des Mannes“, von den Eindrücken als er sie zum ersten Mal sah bis zum definitiven Zusammensein brachten die vier Musizierenden die in der Musik Janáčeks und in Aufzeichnungen zum Werk beschriebenen Situationen und Empfindungen mit lebensstarkem Ausdruck und äußerst bewegtem Tempo dar. Im Adagio-Vivace führte Christoph Slenka an der Viola, wobei Janáček ursprünglich die Viola d‘amore im Sinn hatte, das in zärtlichem Verlangen spannend wiegende Thema berührend durch den Satz.
Im finalen vierten Satz stieg das „Barbican Quartett“ geschickt der Spannungskurve nach, von der hüpfenden Tanzmelodie angefacht bis zu furiosem Elan und Feuer, um in einer innigen, von der 1.Violine mit Amarins Wierdsma angeführten Intensität zu münden. Tanzweise und „Liebesmelodie“ vereint in abschließender hymnischen Des-Dur begeisterte Hingabe.
Ear of Grain
Ausdrucksstark gab das Ensemble die von der bulgarischen Komponistin Dobrinka Tabacova geschaffene Komposition dar. Die Bilder der dem Werk zu Grunde liegenden, mahnenden Sage der Kornähre, leuchteten aufwühlend und spannend durch die dissonanten Akkorde über unregelmäßigen Rhythmen auf, als der Gott nach christlicher Auffassung die Menschen für den „ungebührlichen“ Gebrauch einer handvoll Ähren bestraft und nur nach Flehen und Gebeten diese Gabe der Natur zur ursprünglichen Größe zurückverwandelt. Das Ensemble zeichnete virtuos Läufe bis zu Tremoli in den höchsten Lagen nach, um in geheimnisvoller Stimmung abzuschließen. Mit diesem Auftragswerks für den ARD-Wettbewerb erhielt das „Barbican Quartett“ den Sonderpreis für die beste Interpretation.
Robert Schumann
Als Schumann sich der Komposition von Streichquartetten zuwenden wollte, schaute er sich erst die Werke der vorangegangenen Meister an. Intensiv studierte er vor allem Beethovens Quartette, sowie die von Haydn, Mozart und Mendelssohn. Opus 41, seine einzigen drei Werke dieser Gattung, entstanden im Juni/Juli 1842. Dem romantischen Werk widmete sich das „Barbican Quartett“ mit meisterhaftem Können, schon die langsame, suchende Einleitung schlüssig gestaltend. Gefühlvoll und begeistert, vital, sinnierend spielten die vier Musizierenden dieses Werk. Im Adagio molto ließen sie die innewohnende Wärme sanft strahlen, den Rhythmus des klopfenden Herzens erklingen und nahmen das Finale mit burschikosem Impetus.
Das Barbican Quartett beim Schlussapplaus. Foto: MV
Dieses großartige Konzert eines fantastisch spielenden Ensembles wurde vom Publikum mit begeistertem Applaus gekrönt, dem die vier jungen Musiker als Gruß mit Schumanns Bearbeitung von „Wenn ich ein Vöglein wär‘“ antworteten.