Liebevolles Plädoyer für die Bauernlandschaft
Schafe inmitten der Bauernlandschaft. Foto: Cordula Flegel
Neuerscheinung „Bauernlandschaft“ im Buchladen
Die Fotojournalistin Cordula Flegel stellt in ihrem neuesten Buch Bauernlandschaft eine steile These auf: Ohne die Bäuerinnen und Bauern und ihre Rindviecher gebe es die abwechslungsreiche Voralpenlandschaft, so wie wir sie lieben, gar nicht. Doch haben Rindviecher und deren Halter tatsächlich das Potenzial zum Landschaftsarchitekten?
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Antwort auf die in der Einleitung gestellte Frage lautet ohne jedes wenn und aber, ja. Jedenfalls für Cordula Flegel. Auf den knapp 260 Seiten ihres neuen Buches Bauernlandschaft stellt die Fotojournalistin das Wirken der Bäuerinnen und Bauern im südlichen Landkreis in allen Facetten dar. Doch nicht nur mit den wunderbaren Fotos der Landschaften, Tiere und Menschen lässt uns die Autorin in das Landleben im Alpenvorland eintauchen.
Bauernlandschaft ist sehr viel mehr als ein weiterer Bildband über das Oberland. Cordula Flegel hat über drei Jahre mit ihrer Kamera das Leben auf 13 Höfen im Oberland festgehalten. Dabei gelingt es der Fotojournalistin, die Identität der Bauernfamilien, abseits von aufgesetztem Pathos, Weichzeichner und aufgesetzter Folklore in Bauernlandschaft einzufangen. Was auch daran liegt, dass die Familien in ihren eigenen Worten die Geschichten zu den wunderbaren Fotos erzählen.
Die Nachwuchs-Landschaftsarchitekten im heimischen Oberland. Foto: Sabiene Hemkes
„Mir war es wichtig zu zeigen, mit welcher Leidenschaft und Liebe die Menschen die viele, teilweise extrem harte und entbehrungsreiche Arbeit auf den Höfen meistern“, erzählt Cordula Flegel am Rande der Buchpräsentation am letzten Freitag auf dem Hairer Hof in Wall. So entstanden 13 ganz unterschiedliche und ungewöhnlich spannende Erzählungen über die zum Teil seit dem Mittelalter bestehenden Höfe und ihrer Familien.
Intim, doch zutiefst empathisch
Bauernlandschaft gewährt intime Einblicke in das bäuerliche Leben auf den kleinen Höfen mit den Milchkühen und der Jungtieraufzucht in unserer Region. Weit entfernt von der industriellen Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts, wirken die noch von handwerklicher Arbeit dominierten Betriebe wie aus der Zeit gefallen. Doch das Buch dokumentiert ebenso die Transformation und Integration dieser starken Familienverbände in unsere von Technik und Digitalisierung dominierten Welt. Immer emphatisch und stets neugierig, begleitet von Cordula Flegels Kamera.
Der Leser lernt Lebenswelten zwischen Tradition, Religion, Selbstvermarktung, Tierwohl, Tourismus, Naturliebe, Zukunftssorgen, politischen Vorgaben und den ganz normalen Herausforderungen eines Familienalltags kennen. Ein Porträt mutiger Menschen in einer sich stetig verändernden Welt. Oder wie es Cordula Flegel liebevoll beschreibt: „Die Bäuerinnen und Bauern sind positiv stur und wollen eins sein: soweit wie eben möglich selbstbestimmt.“
Buchpräsentation auf dem Hairer Hof
Als Cordula Flegel zusammen mit dem AT Verlag aus München Bauernlandschaft präsentierte, waren die Bauernfamilien natürlich dabei. Bei der Begrüßung machte die Fotojournalistin deutlich, wie dankbar sie „ihren Familien“ sei. Dass sie den Mut hatten, ihr der Fremden, nicht mal Einheimischen die Tür zu ihrem Leben zu öffnen. Erst diese freundliche Offenheit habe das Buch überhaupt ermöglicht.
Cordula Flegel und Gastgeberin Martina Stürzer bei der Präsentation der „Bauernlandschaft“ auf dem Hairer Hof in Wall. Foto: Sabiene Hemkes
Doch wie man an diesem Nachmittag immer wieder hört, sind auch die Bauern und Bäuerinnen der Fotojournalistin überaus dankbar für ihr Engagement. „Die Cordula ist nicht nur ein paarmal kurz vorbeigekommen, um Fotos zu machen und Fragen zu stellen“, berichtet zum Beispiel Martina Stürzer, die engagierte Bäuerin auf dem Hairer Hof. „Cordula hat mitgearbeitet und war an allem interessiert. Sie hat mich so gut ausgequetscht – das hätte ich nie gedacht“, gesteht die engagierte Bäuerin aus Wall lachend.
Von der Alm ins Tal
Schon vor acht Jahren hat Cordula Flegel ein Buch über die Almen und deren Küche veröffentlicht. Dass sie nun mit Bauernlandschaft über die dazugehörigen Talbauern schreibt, ist für die Autorin nur die logische Fortsetzung ihrer Arbeit: „Fast alle der 13 Betriebe treiben ihre Tiere im Sommer auf die Alm. Da wollte ich natürlich erfahren, wie sich das Leben der Bauernfamilien in den Tälern gestaltet.“
Zur Buchpräsentation tischten die Bauern groß auf: Käse aus der Tegernseer Käserei und dem Gerschof, Gemüse vom Boarhof und marinierte Lende vom Hairer Hof. Foto: Sabiene Hemkes
Der Titel des Buches ist für Cordula Flegel auch ein Statement. „Die Landschaft, die wir heute im Oberland erleben dürfen, ist ohne das Wirken der Bauern der Region nicht denkbar. Das habe ich gelernt“, erklärt die Journalistin. An diesem bei der Recherche zum Buch erworbenen Wissen lässt uns die Autorin besonders im ersten Teil des Buches teilhaben. Auf über 60 Seiten stellt die Fotografin die einzigartige Natur im Alpenvorland mit ihren Wiesen, den Wäldern, Seen, Mooren und Almen vor.
Landschaftsprägende Arbeit der Viehbauern
Die seit Jahrhunderten betriebene Viehwirtschaft habe, so berichtet es Cordula Flegel im Buch, das Erscheinungsbild der Berge und Täler nachhaltig gestaltet. Die Bauern und Bäuerinnen seien von je her als naturnahe Landschaftspfleger und Bewahrer des kulturellen Erbes im Dienst der Gesellschaft tätig gewesen. „Aber dankt man es ihnen?“, fragt Cordula Flegel provokant und beantwortet kurzerhand selbst die Frage: „Nein. Viel zu oft werden sie einfach allein gelassen. Ich denke, dass etwa die heimischen Tourismusverbände oder auch die große Politik die Arbeit, die besonderen Herausforderungen der zumeist kleinen Betriebe viel mehr würdigen und unterstützen sollten.“
Immerhin profitiere die Tourismusindustrie, dem wichtigsten Industriezweig im bayerischen Oberland, ungemein von der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft am deutschen Alpenrand, meint die Fotojournalistin. Dem konnte Sepp Faas, Leiter von der Unteren Naturschutzbehörde im Landkreis, als einer der Laudatoren am Freitag nur zustimmen: Das Buch zeige auf so wunderbare Weise, wie in der Region der Natur- und Tierschutz, die Kultur, die kommunale Politik und die Bauern und Bäuerinnen an einem Strang ziehen.
Berliner Politiker lesen schon Bauernlandschaft
Folgerichtig hatte Sepp Faas, der in der vergangenen Woche mit einer Delegation aus Lokalpolitikern und Naturschützern unter Führung des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern (Hintergrundinformation) zu Gast in zwei Bundesministerien war, zwei druckfrische Exemplare des Buches im Gepäck, wie er berichtet. „Wir haben gleich mal beide Bücher in Berlin gelassen. Dann haben die Hauptstadtpolitiker Zeit, sich anzuschauen wie die Dinge bei uns so laufen. Das kennen die gar nicht.“
Staunende Kinder, die sich selbst und ihre Familie und Tiere im Buch betrachten. Foto: Sabiene Hemkes
Lesetipp: Cordula Flegel auf Seite 9 der neuesten Ausgabe der KulturBegegnungen
Gibt es ein größeres Lob für Cordula Flegel und ihre 13 Hofgemeinschaften? Ja, vielleicht doch. Das Staunen in den Gesichtern der Kinder, dem bäuerlichen Nachwuchs der porträtierten Familien. Als die zahlreich anwesenden Jungen und Mädels am Freitagnachmittag sich selbst, ihre Eltern und Geschwister, die Omas und Opas und alle ihre Tiere in dem Buch entdeckt haben, kamen sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Diese großen Kinderaugen und ihr glückliches Lächeln zeigt, warum man auf die Bauernlandschaft im heimischen Bücherregal in keinem Fall verzichten darf.