Friaul-Julisch Venetien

Friaul-Julisch Venetien: Zwischen Eseln und Palladio

Wie in einem Amphitheater – Der Blick über die Ebene Friaul-Julisch Venetien auf die Alpen. Foto: Michael Schulte

Sehnsuchtsorte sind es, die es vermögen, uns für ein paar Momente aus dem manchmal grauen, tristen Alltag zu entführen. Augen zu und eintauchen in wunderbares Kopfkino. Blühende Sonnenblumenfelder, aus der Zeit gefallene Orte, wilde Flusslandschaften – all das bietet die Region Friaul-Julisch Venetien

Reisetipp

Wir leben hier im Oberland in einem wahren Naturparadies. Ein paar Schrammen hier, etwas abgewetzt dort, aber doch ein Sehnsuchtsort für so viele Menschen. Doch manchmal ist es einfach zu voll, zu laut und die letzten Wochen einfach zu kalt und nass. Selbst wenn das Wetterkarussell gerade wieder einmal einen Purzelbaum zum Guten schlägt.

Vergessenes norditalienisches Kleinod

In den letzten Jahren haben wir eine ganze wunderbare Region im Norden Italiens für uns entdeckt. Auf der Südseite der Alpen. Angrenzend an Kärnten, Slowenien, Venetien, eingerahmt von den südlichen Karnischen Alpen im Norden, den Friauler Dolomiten im Westen, den Julischen Alpen im Osten und der Adria im Süden erstreckt sich die autonome Region Friaul-Julisch Venetien.

Geschwungene Hügel zu Füßen der Südseite der Alpen. Foto: Michael Schulte

Die Autobahnstrecke über Salzburg, Villach und Udine ist Urlaubsgästen der beliebten Bade-Hotspots in Lignano, Bibione, Caorle oder Grado bestens bekannt. Anfangs noch von wilden Berghängen gesäumt führt die Fahrt bei Tolmezzo aus den Alpen heraus in eine weite Ebene, die sich bis zum Mittelmeer erstreckt. Die meisten Touristen erahnen auf ihrem Weg gen Süden nicht, welche historischen Schätze und Naturschönheiten sie abseits der Autobahn verpassen.

Gigantisches Amphitheater der Natur

Wobei, zugegebenermaßen, es ihnen die Region auch nicht gerade einfach macht. Die Landschaft wirkt auf den ersten Blick eher trist und sehr unscheinbar – um nicht zu sagen langweilig. Felder, Wiesen, verstreute Ortschaften und Industrie. Doch unweit der Schnellstraße – nur 15 Kilometer nordwestlich von Udine – haben wir in diesem Jahr mit Freunden die erste Juliwoche verbracht. Und was soll ich sagen – es war eine der schönsten Urlaube der letzten Jahre.

Keineswegs trist – Hunderte von Störchen sind in der Ebene des Friaul heimisch. Foto: Michael Schulte

Denn nur wenige Kilometer abseits der Autobahn wartet ein Italien auf den Besucher, wie es an vielen Orten längst nicht mehr zu finden ist. Abseits der Touristenströme; ursprünglich, wild, bewahrt, gepflegt und gelebt. Wie in einem riesigen Amphitheater mit Rängen aus Berghängen fügen sich die Orte in die landwirtschaftlich geprägte hügelige Umgebung.

Wilde Flüsse, sanfte Hügel, unendliche Felder

Allen Städtchen gemein ist der Campanile in der Dorfmitte. Mal wie in der Toskana auf der Kuppe eines Hügels und dann wieder gelassen an einem der vielen kleinen Bäche und Kanäle in der Ebene. Und mitten hindurch schlängelt sich besitzergreifend der Tagliamento. Europas letzter Wildfluss in einem imposanten bis zu 2 Kilometer breiten Flussbett.

Der TagliamentoDer Tagliamento – bei einer schweißtreibenden Radtour ein atemberaubender Zwischenstopp. Foto: Michael Schulte

Bei der Ankunft an unserem Urlaubsort Fagagna begrüßte uns ein wildes Gewitter. Ein fast einschüchterndes Spektakel vor der uns umgebenden Bergkulisse, dass wir in den folgenden Tagen immer wieder bestaunen konnten. Unser Quartier in Friaul-Julisch Venetien haben wir bei Christina in der Villa Brunelde aufgeschlagen. Der Sitz eines alten Aristokratengeschlechts aus dem 15. Jahrhundert. Das allein war schon ein einmaliges Erlebnis.

Friaul-Julisch VenetienDie Villa Brunelde in Fagagna. Foto: Michael Schulte

Mit viel Liebe zum Detail haben die beiden Geschichtsprofessoren den Familienbesitz vor den Toren der mittelalterlichen Stadt Fagagna in die neue Zeit transformiert. Wir haben zu fünft den ehemaligen Stalltrakt bewohnt. Inklusive eines riesigen Gartens, in dem wir unzählige wunderbar lässige Stunden verbracht haben. Sei es zum Frühstück, beim Lesen, umkämpften Boccia-Partien oder einem ausgedehnten Abendessen mit viel Käse aus dem Ort, Wein der Region, Fisch aus dem nahen Golf von Triest unter einem der riesigen Bäume.

Wo der Teufel Brücken baut

Tagsüber haben wir die umliegenden Städte wie Udine, San Daniele, Gemona, Palmanova und Cividale del Friaul unsicher gemacht. Da keine der norditalienischen Schönheiten weiter als fünfzig Kilometer entfernt liegt, waren auch diese Aktivitäten äußerst entspannt.

Friaul-Julisch VenetienBlick auf die Teufelsbrücke und den Ort Cividale del Friuli. Foto: Michael Schulte

In Cividale haben wir die berühmte Ponte del Diavolo über den Natisone bewundert. Der Sage nach persönlich vom Teufel erbaut. Und auch sonst blickt der kleine Ort mit seinen 11.000 Bewohnern auf eine bewegte Geschichte zurück, die heute in seinen zahlreichen kleinen Gassen und weitläufigen Plätzen noch zu entdecken ist. Auf die Kelten folgten die Römer. Später kamen die Ostgoten und die Byzantiner, bevor die Langobarden Cividale diese wunderschöne Stadt für eine begrenzte Zeit ihr Eigen nannten.

Udine, die vergessene Schönheit

Udine ist da schon etwas größer. Doch die Geschichte der von seinen 16.000 Studenten geprägten Stadt ist kaum weniger spannend. Der beste Blick über die Stadt und das Umland bietet sich vom Castello. Das Schloss liegt auf einem Hügel über der Altstadt. Zu seinen Füßen liegt die einnehmende Piazza della Libertà mit dem Arco Bollani, der Mitte des 16. Jahrhunderts von Andrea Palladio, dem berühmten Renaissance Architekten entworfen wurde. Es heißt, dieser Platz sei einer der schönsten der venezianischen Architektur auf Italiens Festland.

UdineUdine biete Kultur pur – hier der Blick vom Piazza della Libertà auf den Arco Bollani mit dem Castello im Hintergrund. Foto: Michael Schulte

Udine bietet mit seinem Dom und vielen historischen Bauten eine wunderbare Kulisse für den italienischen Sommer. Als wir in der Stadt waren, fanden überall Konzerte statt. In den Hinterhöfen wurde Theater gespielt und hinter vielen geöffneten Türen gab es Ausstellungen zu entdecken. Alles bei freiem Eintritt.

UdineLa dolce Vita auf einer der vielen Plätze in Udines Innenstadt. Foto: Michael Schulte

Am schönsten aber für uns war es einfach, sich in eines der zahlreichen Cafés zu setzen und dem bunten Treiben der Menschen in ihrer Stadt zu folgen. Zum Abschluss waren wir in unserem Lieblingsrestaurant, der Osteria Al Vecchio Stallo.

Sehnsuchtsorte mit dem Rad erobern

Aber auch abseits des kulturellen Angebotes bietet das Friaul-Julisch Venetien alles für den entspannten Urlaub. Sei es bei Radtouren durch Sonnenblumenfelder und Weinreben, bei Wandertouren in der deutschen Enklave Sauris oder Ausflügen ans Mittelmeer. Die Lagune von Marano liegt nur 45 Minuten entfernt. Ebenfalls einer meiner Sehnsuchtsorte. Neben mehreren Naturschutzgebieten in der Lagunen-Landschaft kann man in Aquileia (UNESCO-Weltkulturerbe) die beeindruckenden Ausgrabungen aus der Römerzeit bewundern.

Eselrennen – kein Witz

Die Region Friaul-Julisch Venetien oder wie die Italiener sagen Friuli Venezia Giulia bietet absolut alles, wonach sich der Italien-Freund sehnt. Und das alles keine vier Stunden entfernt von Miesbach. Uns wird es am ersten Septemberwochenende wieder nach Fagagna ziehen. Dann zum legendären „Corse dai mus“. Einem wahrlich einzigartigen Eselrennen.

FagagnaAm ersten Septemberwoche startet wie seit 162 Jahren wieder das Eselrennen in Fagagna. Foto: @ Tourismusbüro Fagagna

Mitten auf dem Marktplatz feiern die Fagagnesi, wie sich die Bewohner selbst nennen, ein rauschendes Fest mit ihren störrisch sturen Eseln – die halt schnell rennen können oder eben auch nicht.

Lesetipp: Mehr Sehnsuchtsorte hier KulturVision

Immerhin haben wir im Juli einige Trainingseinheiten der temperamentvollen Vierbeiner live von unserem Garten aus miterleben dürfen. Das wird laut und spaßig, wobei natürlich dem Esel kein Haar gekrümmt werden darf. Es heißt, die Jockeys seien diejenigen, die beim Rennen leiden.

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