125 Jahre Tegernseer Volkstheater
Das Tegernseer Volkstheater, vormals Tegernseer Bauernbühne genannt, wurde von Hans Lindner (Mitte) gegründet. Foto: Tegernseer Volkstheater
Jubiläum des Tegernseer Volkstheaters
Es ist das Jahr 1898, als noch Prinzregenten und Kaiserinnen im Tal gastieren und die erste Motorschifffahrt gegründet wird. Es soll auch als das Jahr in die Geschichte eingehen, in welchem Hans Lindner eine Truppe von Schauspielern um sich schart und das Tegernseer Volkstheater begründet. Heute – 125 Jahre später – ist sein Urgroßenkel Andreas Kern Direktor und Besitzer des bekannten Theaters. Wie alles begann und wie es ist, ein solch großes Erbe weiterzuführen.
Es verwundert nicht, dass der Betrieb eines Theaters nicht nur auf den Schultern eines Menschen lasten kann. So auch bei Hans Lindner, der mit seiner Frau Adele eine unerlässliche Stütze im Betrieb des Tegernseer Volkstheaters gefunden hatte. Sie zeichnete für den funktionierenden Betrieb verantwortlich, bedeutet Kostüme, Requisiten und Plakatierung.
Auch die Verpflegung der ständig wachsenden Schauspielertruppe gehörte zu ihren Aufgaben. Zu Beginn tourten die Tegernseer von Gmund aus überwiegend im Raum Heilbronn und im Schwarzwald, um dort die Menschen mit ihren Stücken zu beglücken. Doch dann kam es zu einer der „drei großen Krisen“, wie es Andreas Kern, der heutige Leiter des Tegernseer Volkstheaters nennt.
Die großen Krisen
Als der erste Weltkrieg ausbrach, mussten sowohl Hans als auch sein ältester Sohn Otto-Hans Lindner dienen. Es war Adele, die in dieser Zeit den Theaterbetrieb aufrecht hielt. Unversehrt kehrten beide Männer zurück, jedoch hatten die Menschen in Deutschland in den Nachkriegsjahren kein Geld für Theaterbesuche. In der Schweiz konnte die Lindner-Truppe auftreten und hielt sich somit knapp über Wasser.
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Als 1922 Otto-Hans die Leitung von seinem Vater übernahm, nahm der Erfolg des Theaters wieder Anlauf. Neben den üblichen Possen und Schwänken, spielte das Profitheater nun auch ernstere Stücke und tourte durch Österreich, die Schweiz, Italien, Tschechien, Holland und Belgien. Zu dieser Zeit wurde der Titel „Tegernseer Volkstheater“ auch in das Handelsregister eingetragen.
Sowohl den ersten als auch den zweiten Weltkrieg überstand das Theater. Foto: Tegernseer Volkstheater
Die zweite Krise kam mit dem zweiten Weltkrieg. Wie viele Bühnen, mussten sich auch die Tegernseer als Fronttheater verpflichten und den Soldaten im französischen Kampfgebiet wenigstens für ein paar Stunden mit einem humorvollen Spielplan von den Sorgen ihres Einsatzes ablenken. Doch auch diese Zeit überstand die Truppe und als der damalige Direktor starb, übernahm sein Neffe Lothar Kern die Geschäfte.
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Auch er hatte sich zu einem beliebten Volksschauspieler im Familienunternehmen entwickelt und lernte in München seine spätere Frau, Amalie Helfrich, kennen. Sie war ebenfalls Schauspielerin, begann ihre Karriere auf der Bühne des legendären Münchner Theaters am Platzl und ging 1943 zur Truppenbetreuung und Fronttheater in Russland. Mit den Beiden begannen die Glanzzeiten des Tegernseer Volkstheaters, welches seit 1959 seinen Stammsitz im Ludwig-Thoma-Saal in der Rosengasse in Tegernsee hat.
Glanzzeiten beim Tegernseer Volkstheater
Als das Fernsehen auf die Truppe aufmerksam wurde und die ersten „Komödienstadl“ im ZDF übertragen wurden, vervielfachte sich das Publikum der Tegernseer. 1964 übernahm das Ehepaar Kern zusätzlich noch die Leitung des Chiemgauer Volkstheaters, welches Amsi Kern nach der Scheidung von Lothar bis 1984 alleine als Direktorin führte. Dann übernahm ihr Sohn Bernd Helfrich mit seiner Frau Mona Freiberg das Theater, welches heute noch als reines Tourneetheater umherreist. Doch zunächst erblickte 1965 Sohn Andreas das Licht der Welt und auch er konnte sich der Magie des Theaters nicht verwehren.
Amsi und Lothar Kern übernahmen das Tegernseer Volkstheater. Foto: Tegernseer Volkstheater
Schon als kleiner Bub immer bei den Fernsehaufzeichnungen, Proben und Stücken mit dabei gewesen, fing Andreas Kern mit 17 Jahren direkt nach der Mittleren Reife ebenfalls als hauptberuflicher Schauspieler bei den Chiemgauern an. Sein Vater Lothar führte das Tegernseer Volkstheater noch bis 1991 weiter und übergab es dann dem fünf Jahre älteren Bruder Florian Kern.
Bis 2008 spielte Andreas Kern in erfolgreichen Stücken und Produktionen wie „Wer´s glaubt, wird seelig“, „Forsthaus Falkenau“ und „Liebe macht blind“ mit. „Doch dann musste mein Bruder die Leitung in Tegernsee aus persönlichen Gründen abgeben und ich sollte übernehmen, denn in fremde Hände sollte es nicht kommen“, erzählt der heute 58-Jährige.
Andreas Kern (l.) mit seiner Schwägerin und Schauspielkollegin Mona Freiberg im Chiemgauer Volkstheater. Foto: Chiemgauer Volkstheater
Er erbat sich eine Bedenkzeit, denn „es ist schon ein massiver Unterschied, ob man angestellter Schauspieler ist oder die Last eines ganzen Theaters mit all der Verantwortung auf den Schultern trägt.“ Doch wie schon sein Urgroßvater, musste auch Andreas Kern diese Last nicht alleine tragen. Denn als 1989 eine junge Fotografin neue Portraitbilder für Autogrammkarten von ihm machte, wusste der Schauspieler noch nicht, dass diese schon bald seine Frau werden würde. 31 Jahre und drei Kinder später, steht Christina Kern ebenfalls regelmäßig auf der Bühne des Tegernseer Volkstheaters und leitet im Hintergrund die Geschicke des Betriebs.
Als Team zum Erfolg
„Ich bin der kreative Part, schreibe Stücke und kümmere mich um das Bühnenbild und die Requisiten“, sagt Andreas Kern. Er bewundere die „stoische Ruhe“ seiner Frau, die sich um die Verwaltung des Theaterbetriebs kümmert. „Für mich wäre das die Höchststrafe.“ Er ist das Genie hinter Stücken wie „Krach am Tegernsee“, „De wuide Lady“ und „Vaterfreuden wieder Willen“, welche er bisher immer noch handschriftlich verfasst hat. „Ich kann alle fünf Minuten eine neue Idee für ein Stück liefern“, scherzt er im Interview.
Andreas und Christine Kern (Mitte) sind auf und hinter der Bühne des Theaters ein Team. Foto: Selina Benda
Doch hinter den aufwendigen Inszenierungen stecke viel mehr, als nur eine gute Idee. Von dem Entwurf des Bühnenbildes, über die Szenenfolge und dem Entwurf der Charaktere bis hin zu den ersten Proben, können entweder zwei Wochen oder ein halbes Jahr vergehen. „Habe ich erst einmal das Grundgerüst, läuft in meinem Kopf das gesamte Stück wie ein Film ab“, erzählt der Autor und Regisseur. Um die 100 Seiten Dialoge kommen dann noch hinzu, manchmal halten seine Schauspieler am ersten Probentag aber auch nur den schriftlichen ersten Akt in den Händen. „Ich schaue mir dann erst alles genau an und schreibe dann schnell den zweiten Akt bis zum nächsten Tag dazu.“
Die dritte Krise
Mittlerweile verbringe er genauso viel Zeit an seinem Schreibtisch damit, neue Theaterstücke zu schreiben, wie er auf der Bühne steht – ob nun in Tegernsee oder als festes Ensemblemitglied der Chiemgauer. Gerade ist er auf Stoffsuche für das Frühjahrsstück für 2024, dieses Mal soll es wieder historisch werden. Zum 125-jährigen Jubiläum hat sich Andreas Kern selbst ein Geschenk gemacht und Nestroys Zauberposse „Der böse Geist des Lumpazivagabundus“, gemeinsam mit Steffi Baier als Regisseurin, auf die Tegernseer Bühne gebracht.
Ein „Mammutprojekt“ – das Stück „Lumpazivagabundus“ am Tegernseer Volkstheater. Foto: Selina Benda
Ein „Mammutprojekt“ wie er selbst sagt. „Es ist unglaublich schön, dass ich so eine Produktion mit einem derart talentierten Ensemble noch erleben darf“, schwärmt der Leiter des Tegernseer Volkstheaters. Denn auch unter der Leitung der mittlerweile fünften Generation musste das Theater schwere Zeiten durchmachen. Als die Corona-Pandemie die Theatersäle leerfegte, brach für Andreas Kern eine Welt zusammen. „Die Nachwirkungen davon spüren wir immer noch.“
Die nächste Generation
Doch das Tegernseer Volkstheater wäre nicht es selbst, wenn es nicht auch diese schweren Zeiten meistern würde. Vor allem, weil auch die nächste Generation vielversprechend ist. Die jüngste Tochter des Clans, Fanny Kern, steht seit ihrem elften Lebensjahr regelmäßig auf der Bühne im Ludwig-Thoma-Saal, begeistert aktuell auch in „Lumpazivagabundus“ mit ihrem Schauspiel- und Gesangstalent die Zuschauer.
Tochter Fanny Kern (r.) auf der Bühne. Foto: Selina Benda
„In ihr haben sich die Talente von Profischauspielern und Profijazzmusikern als Großeltern vereint“, schwärmt ihr Vater. Seine Tochter sei eine „Vollblutkünstlerin“ die nicht nur spielt und singt, sondern auch komponiert, tanzt und malt. Ob sie ebenfalls den weg auf die Profibühne nehmen wird, steht deshalb noch nicht fest. Wie es in den nächsten 125 Jahren auch weitergehen mag am Tegernseer Volkstheater, einer Sache ist sich Andreas Kern sicher: „Meine Eltern schauen sicher vom Himmel runter und sind sehr stolz auf mich.“