Chordirigieren

Internationaler Meisterkurs Chordirigieren am Schliersee

Beim Meisterkurs für Chordirigieren mit Jan Scheerer. Foto: Andrea Wehrmann

Kurs in Schliersee und Abschlusskonzert in Miesbach

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit fand vom 3. bis 9. September ein internationaler Meisterkurs für Chordirigieren unter der Leitung von Jan Scheerer, Professor für Chorleitung an der Musikhochschule Leipzig, in Neuhaus am Schliersee statt. Gewohnt und gearbeitet wurde im evangelischen Studienzentrum im Josefstal, das sich bei spätsommerlichen Temperaturen von seiner schönsten Seite zeigte.

Jan Scheerer organisiert seit 2012 seine eigenen Meisterkurse in Chordirigieren, die bisher in Dänemark, Italien und in Norddeutschland stattfanden. Der Einladung nach Oberbayern sind 21 erfahrene Sängerinnen und Sänger aus Dänemark, Schweden, Südtirol und Deutschland gefolgt, von denen vier Frauen und vier Männer ihre Dirigiergestik und Probenmethodik verbessern wollten.

Der Unterrichtsplan ist straff getaktet: Am Vormittag fungiert die Gruppe als Übungschor für die Dirigentinnen und Dirigenten. Nachmittags gibt es Ensemble-Gesang, Dirigiertechnik und Gruppenunterricht. Die Abendproben ab 20 Uhr leitet Jan Scheerer selbst.

Chordirigieren
Im Studienzentrum Josefstal. Foto: Andrea Wehrmann

Ihm ist es ein großes Anliegen zu vermitteln, dass oftmals keine großen Bewegungen nötig sind, um den Ausdruck der Musik den Chor spüren zu lassen. In generell wohlwollender Arbeitsatmosphäre benutzt Jan Scheerer auch ungewöhnliche Hilfsmittel, um seine Intentionen deutlich zu machen: So dient ein kurzfristig vor eine Dirigentin gehaltener Besenstiel der Begrenzung der Schlagamplitude.

Es geht um den Auftakt, Übergänge, um die Dirigiergestik bei der Absprache von Konsonanten, aber vor allem geht es um die Gestaltung der Musik mit ihrem emotionalen Gehalt.

Großes im Klang bewirken

Im Kurs wird ausschließlich weltliche Chormusik a cappella behandelt, die auf Vertonungen von großen deutschen und dänischen Dichtern beruht. Mit präziser Analyse und Begeisterung bringt Jan Scheerer dem Chor die Schönheit der Dichtung und die musikalische Umsetzung in der Komposition nahe. Die Aufgabe des Chorleiters ist idealerweise, all dies im Dirigat zu zeigen.

Im Gespräch mit den Kursteilnehmern ist es das, was sie an der Arbeit mit Jan Scheerer so beeindruckt: Er kennt die Musik bis in alle Details und kann anhand kleinster Bewegungsveränderungen Großes im Klang bewirken und diese Erkenntnisse pädagogisch verständlich weitergeben.

Abschlusskonzert in Miesbach

Üblicherweise endet ein Meisterkurs mit einem Konzert, in dem das neu Gelernte öffentlich präsentiert wird. Erfreulicherweise wurde für das Abschlusskonzert die Miesbacher Apostelkirche ausgewählt und so kam eine kleine, aber sehr aufmerksame Zuhörerschaft am vergangenen Samstag in den Genuss eines ganz besonderen Chorkonzertes.

Chordirigieren
Abschlusskonzert in der Apostelkirche Miesbach. Foto: Andrea Wehrmann

Der Abend begann mit vier Stücken des dänischen Komponisten Vagn Holmboe (1909–1996), dessen tonale Musik von Strawinsky, Schostakowitsch und südosteuropäischer Volksmusik beeinflusst ist. Launig erzählend führte Jan Scheerer in die Chorstücke und deren Grundstimmung ein.

Kompositorische Gegenüberstellung

Es folgten Werke von Joseph Rheinberger und Hugo Distler, deren textliche Grundlage jeweils die gleichen Gedichte von Eduard Mörike sind. Interessant war daher die kompositorische Gegenüberstellung. In diesem ersten Abschnitt durften die Kursteilnehmer ihr erlerntes Können zeigen, was ihnen überzeugend gelang.

Um den Chorsängern eine Erholungspause zu gönnen, spielte ein Kirchenmusikstudent aus dem Teilnehmerkreis die Sarabande con Partite von J.S. Bach (BWV 990) auf der Orgel.

Kleinodien im Volksliedcharakter

Im dritten Teil des Konzertes dirigierte der Maestro selbst. Ausgewählt hatte er den Zyklus „Äpfelchen und Rosen – 8 villaneske Lieder für gemischten Chor“ des Leipziger Komponisten Jürgen Golle (*1942). Es handelt sich um entzückende Kleinodien im Volksliedcharakter, die zu Unrecht im süddeutschen Raum völlig unbekannt sind.

Den Abschluss des Konzertes bildeten die anspruchsvollen „Trois Chansons de Charles d’Orléans“ von Claude Debussy auf Texte aus dem 16. Jahrhundert, die der Chor bravourös meisterte.

Das begeistert klatschende Publikum wurde noch mit einer Zugabe belohnt: Mit dem Stück „Die Nacht“ von Peter-Michael Riehm wurden die Zuhörer in den Abend entlassen.

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