Am Anfang steht ein Toter
Wolfgang Sréter, Peter Becher und Thomas Mandl beim 5. Literaturcafé im KulturBistro Holzkirchen. Foto: Petra Kurbjuhn
Lesung in Holzkirchen
Zwei Romane, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch ein paar Gemeinsamkeiten haben, wie Moderator Thomas Mandl formulierte, waren Gegenstand des 5. Literaturcafés von KulturVision: Wolfgang Sréters „Herzogs Höhenflüge“ und Peter Bechers „Unter dem Steinernen Meer“.
Am Anfang beider Geschichten steht ein Toter, beide Geschichten führen in die Vergangenheit und in beiden Geschichten spielt Prag eine Rolle. Das war es aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Thomas Mandl, ehemaliger Leiter der vhs Oberland, führte mit profundem Wissen in die Werke der beiden Autoren ein.
Mann ohne Eigenschaften
Er verglich den Protagonisten von Wolfgang Sréters Buch mit dem Mann ohne Eigenschaften. Er sei perfekt in seinem Beruf als Kunstzieher, nämlich unauffällig, und habe es als Taschendieb zur Meisterschaft gebracht. Diese seine Eigenschaft werde am Ende der spannenden Roadstory auch sein Leben retten.
Der Moderator zitierte Rezensionen, in denen der Autor mit Krimiautor Dashiell Hammett verglichen wurde und in denen ihm goldene Sätze bescheinigt wurden.
Wolfgang Sréter bei der Lesung. Foto: Petra Kurbjuhn
Wolfgang Sréter meinte, ein Krimi sei sein Buch nicht, sondern ein Abenteuerroman. Von den goldenen Sätzen aber konnte sich das Publikum alsbald bei der Lesung überzeugen. Sie startete mit einem Konzertbesuch von Herzog im Herkulessaal, wo ihm ein Paar auffällt. Er trägt Tüten einer teuren Modeboutique mit dem Slogan, Schönes in die Welt zu bringen. Und dann „Schönheit, die einzig und allein in der Brieftasche des Betrachters lag“.
Schlüssel für Mord
730 Euro beträgt seine Ausbeute, nicht nur die Musik war ausgezeichnet an diesem Abend. Am nächsten Tag aber findet Herzog seinen Schulfreund Fliege erhängt in seiner Wohnung und die Spannung wächst, als er bei seiner Flucht hört, wie die Wohnungstür von innen verschlossen wird.
Wolfgang Sréter las dann die Begegnung mit der Witwe des Schulfreundes, die ihn mehr oder weniger erpresst, das Verbrechen aufzuklären, denn ihr Mann habe gewusst, womit er sein Geld verdient. Der Schlüssel des Mordes liegt in der Vergangenheit und Herzog muss auf seiner Suche durch die halbe Welt auf weitere Morde seiner Schulfreunde stoßen, bis er letztlich in Prag landet.
Die Buchtitel. Foto: Petra Kurbjuhn
Thomas Mandl bezeichnete den Roman als Mischung zwischen Grimmelshausen und Taugenichts und fragte den Autor, woher er seinen Stoff habe. In Thailand habe er einen Mann getroffen, der jemanden suchte, Tempelkostbarkeiten nach Europa zu verscherbeln. Diese Begegnung habe ihn nicht losgelassen.
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Auch Peter Bechers Roman „Unter dem Steinernen Meer“ beginne mit einem Toten, hier aber gehe es langsamer und dennoch nicht weniger spannend zu. Der Tote sei in der Wanderkleidung erfroren, führte Thomas Mandl in die Lesung ein und verglich diesen Roman mit „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.
Spaltung zwischen Deutschen und Böhmen
Es gehe in dem Buch um Karl und Jan in Budweis, aus den Freunden werden Gegner, Feinde gar, die im Krieg gegeneinander kämpfen und somit geht es um die Spaltung zwischen Böhmen und Deutschen. Jahrzehnte später treffen sich die beiden wieder. Peter Becher schildere die Aufrechnung, Verdrängung und Irrtümer mit großem Einfühlungsvermögen in meisterhafter Weise.
In die Lesung führte Peter Becher mit der Frage ein, wer das Sportgeschäft Berauer kenne. Der Gründer Gustav Berauer sei bei den Olympischen Spielen in Garmisch für die Tschechoslowakei angetreten und komme in seinem Roman vor.
Peter Becher bei der Lesung. Foto: Petra Kurbjuhn
Es startet aber mit Armdrücken. 1935 lernten sich Karl und Jan bei einem Treffen von Jugendgruppen kennen und beenden ihren Wettkampf mit Unentschieden. Später lauschen sie zusammen fasziniert den Radioreportagen aus Garmisch, bei denen die Tschechen mit Gustl Berauer im Langlauf den 5. Platz belegen und besser als die Deutschen abschneiden.
Peter Becher liest auch eine Passage, aus der hervorgeht, wie die Erinnerung hinter einer eisernen Tür verschlossen bleibt und zu einem starken Gefühlsausbruch Karls führt.
Lesetipp: Schicksale im Böhmerwald
Peter Becher erzählt, dass sein Protagonist Karl, der sich nie zu den Vertriebenen zählte, 1990 nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs in die böhmische Landschaft aufmacht, um nach vergrabenen Schätzen in der alten Heimat zu suchen, letztlich eine Metapher für die vergrabenen Erinnerungen. Die verschlossenen Erinnerungen aufzuarbeiten, das sei wichtig, sagte der Schriftsteller und Literaturhistoriker.
Intensives 5. Literaturcafé
Und deshalb habe er auch als Vorsitzender des Adalbert-Stifter-Vereins immer seine Aufgabe darin gesehen, deutsche und tschechische Autoren zusammenzuführen.
Der Roman, so schloss Thomas Mandl den intensiven Abend des 5. Literaturcafés, sei aber auch für Leser interessant, die nicht diesem Kulturkreis angehören, denn er behandle existenzielle Fragen des Menschseins.