Sinneswandel gegen Optimierungsdrang
Werner Härtl vor „Richterhaus“. Foto: MZ
Ausstellung in Holzkirchen
„Sinneswandel“ nennt Werner seine aktuelle Ausstellung bei der BBV-Steuerberatung im Grünen Zentrum Holzkirchen. Der Künstler aus Reichersbeuern erweckt nicht nur durch seine außergewöhnliche Technik, sondern ebenso durch seine Bildaussagen Aufmerksamkeit.
Als erster Kuhmistmaler machte sich Werner Härtl einen Namen. Er malt in der Tat mit Kuhexkrementen, die seinen Bildern durch den sepiafarbenen Ton einen besonderen Anstrich verleihen, sie wirken wie Fotos aus längst vergangener Zeit. Das besondere Material, sozusagen upgecycelter Abfall, ist das eine.
Werner Härtl will aber mit seinen Bildern noch mehr sagen. Seine aktuelle Ausstellung gibt eine Übersicht über seine aktuellen Arbeiten. Im Erdgeschoss empfangen die Besuchenden Porträts von Bella und Burli, einer Kuh und einem Stier mit stolzem Gesichtsausdruck. Die „Europas Entführung“ war schon in der Ausstellung in der Raiffeisenbank zu sehen und zeigt, was passiert, wenn sich der Markt frei entfaltet.
Flößer. Foto: MZ
Im Aufgang zur Steuerkanzlei hat Werner Härtl Bilder platziert, die er nach alten Fotos aus dem Archiv von Claus Eder in Lenggries gemalt hat. Schon hier wird deutlich, mit welcher Liebe der Künstler sich der Tradition widmet. Er malt Flößer und Holzarbeiter, er malt Metzger, allesamt in selbstbewusster Haltung, verbunden mit ihrer Tätigkeit.
Kirbauer. Foto: MZ
Im 1. Stock sind es Häuser, denen die Zuneigung des Künstlers gilt. „Häuser, wie sie jeden Tag verschwinden“, sagt er. Eins davon, das „Richterhaus“ war sein Nachbarhaus. Aus dem frühen 18. Jahrhundert stammend, wurde es 2015 abgerissen. Werner Härtl setzt dem aus gewachsenem Material der Umgebung gebautem Haus ein Denkmal. „Energietechnisch könnte man von der alten Bauweise so viel lernen“, sagt er, aber heute werde industrielles kurzfristig angelegtes Bauen gegen handwerkliches, das über Hunderte von Jahren bestehen könnte, ausgetauscht.
Er hat viele kleine Bilder von Häusern gemalt, alle frei erfunden, aber jeder habe schon einmal so ein Haus gesehen „und ich will die Allgemeingültigkeit darstellen“.
Klauen schneiden und Laderfahrer. Foto: MZ
In zwei Räumen der Kanzlei hat Werner Härtl vier Bilder platziert, die er mit seinen beiden Töchtern Amelie und Antonia gemalt hat. Darin stellt er dar, wie der Nachwuchs in die bäuerliche Landwirtschaft eingebunden wird. Ein Bub fährt Traktor, Kinder üben die Klauenpflege. „Die Familie ist der Grundbaustein“, sagt der Künstler und er hat seine Töchter eingeladen, seine Bilder mit ihren Ergänzungen zu übermalen. Er wolle ihnen das Handwerkliche an die Hand geben, begründet er.
Fünfer schwer verdient. Foto: MZ
„Fünfer schwer verdient“ nennt er ein Bild mit einem Fünfeuroschein. Im Gesicht des Bauern darauf, der seine Kuh nach dem Bolzenschuss anschaut, spiegelt sich die Beziehung zum Tier, die Ambivalenz zum Töten müssen. „Bauer, das ist ein zu schützendes Kulturgut“, sagt Werner Härtl, „dazu sollte sich die UNESCO Gedanken machen.“ Ein echter Bauer habe nichts mit Agrarwirtschaft zu tun.
Kuhmist und Blut
Wie schwer es aber der Bauer hat, das zeigte Werner Härtl bei der Vernissage, bei der das zahlreich erschienene Publikum die letzten Reste der Erzeugnisse von Anton Demmel am Büffet genießen durften. „Er ist nicht rentabel und muss aufhören“, sagt der Künstler, ein Spiegel unseres Einkaufsverhaltens.
Er wolle etwas von sich zu seinen Bildern beitragen, das verstehe er unter Nachhaltigkeit. So viel nützen wie nötig, aber selbst auch etwas geben. Und deshalb habe er das Bild nicht nur mit Kuhmist, sondern auch mit seinem Blut gemalt, lächelt der Maler.
Werte. Foto: MZ
Marktrelevante Segmente hat er in dem Bild „Werte“ des Zuchtstiers mit Zerwirklinien eingetragen, auch den Hoden, aus dem Genmaterial entnommen werde, „ein Heidengeschäft“, wie Werner Härtl bemerkt. Um den Kopf aber hat er als Ausdruck der Persönlichkeit des Tiers einen Heiligenschein gemalt.
Sommer 2045. Foto: MZ
Im Konferenzraum finden sich zudem zwei Zukunftsbilder. Sommer und Winter 2045 hat Werner Härtl visionär dargestellt. Er bedauert sehr, dass das alte Handwerk der Technisierung anheimfiel und stellt dar, wie aufgrund von Umweltereignissen man sich doch wieder auf Althergebrachtes besinnt. Wenn es keinen Diesel gibt, muss das Pferdefuhrwerk her. Diese Zukunftsbilder sind auch mit fluoreszierender Acrylfarbe gemalt, die in der Dunkelheit leuchtet.
Optimierungsdrang
Das Althergebrachte falle oft unserem Optimierungsdrang zum Opfer, sagte Hubertus Maier, der mit Friederike von Heydebrand die Holzkirchner Kanzlei führt und die Räume für Ausstellungen zur Verfügung stellt. Werner Härtl sei unserer Zeit voraus und gebe den Anstoß, in unserer friedlichen und wohlhabenden Gegend über unser Verhalten nachzudenken.
Millimusi: Walter Reich, Georg Hahn und Karl-Heinz Hummel und Hubertus Maier, sowie Werner Härtl (v.l.). Foto: MZ
Die passende Musik steuerten Georg Hahn, Karl-Heiz Hummel und Walter Reich von der Millimusi bei. Mit einem „Kuhreigen“ startete das Trio den Abend.