Johannes Skudlik

Heinrich Skudlik – Wiederkommen um zu bleiben

Johannes Skudlik und der langjährige Freund seines Vaters Ernesto Holthaus. Foto: Kulturzentrum Waitzinger Keller

Eine posthume Wiederkehr erfährt das Werk und Leben des Künstlers Heinrich Skudlik aktuell in Miesbach. Die Kunstgalerie im Kulturzentrum Waitzinger Keller zeigt zum ersten Mal eine Ausstellung des Künstlers. Ein Gedenken voller lebensbejahender Momente in schwierigen Zeiten. Doch wer war dieser Menschenfreund mit Miesbacher Vergangenheit?

Ausstellungseröffnung Miesbach „Heinrich Skudlik zu Ehren“

Selten war der Saal des Waitzinger Kellers so von Empathie erfüllt wie am vergangenen Mittwochabend. In einer stimmungsvoll wie leise inszenierten Hommage wurde dem Schaffen eines Teilzeit Miesbachers gedacht – seinem Einfluss als Kunsterzieher, dem Wirken des Christen sowie dem sozialen Engagement Heinrich Skudliks in seiner 12 Jahre in der Kreisstadt. Zu Recht, denn auch 40 Jahre nach seinem Weggang sind seine Spuren deutlich auszumachen.

Heinrich Skudlik - Keramik KreuzwegHeinrich Skudlik – Keramik Kreuzweg. Foto: Kulturzentrum Waitzinger Keller

Die Initiative für die Ausstellung des ehemaligen Miesbacher Kunsterziehers ging von Isabella Krobisch, der Leiterin des Miesbacher Kulturzentrums, aus. Gemeinsam mit dem Sohn des Künstlers, Johannes Skudlik, sowie vielen weiteren Unterstützern und Weggefährten von damals, konzipierte sie die Ausstellung „Heinrich Skudlik zu Ehren“. Bis zum 30. Dezember haben die Miesbacher Bürger nun Zeit, ihren „verlorenen, temporären Sohn“ in seinen Aquarellen, Keramiken, Zeichnungen, Drucken, Textil- und Glasarbeiten neu zu entdecken.

Nachruf als Aufruf zu erinnern

Den Anstoß für das „Wiederkommen“ des Künstlers, wie es Fritz Weigl in seiner sehr persönlichen Erinnerungsrede an den Lehrerkollegen immer wieder nennt, lieferte Isabella Krobisch ein Zeitungsartikel. Im Dezember 2020 erschien unter dem Titel „Künstler, Lehrer und Aktivist Heinrich Skudlik mit 93 Jahren gestorben“ ein Nachruf im Miesbacher Merkur.

Das Werk des Künstlers Heinrich Skudlik stand bis heute nicht auf der Agenda der Landkreis-Kulturszene. Dennoch hat der Gymnasiallehrer und aktive Christ deutliche Spuren in Miesbach hinterlassen. Einige seiner damaligen Schüler sind bekannte Künstler geworden wie etwa Karl Witti oder Horst Hermenau. Letzterer war zusammen mit seiner Frau Evelin Hermenau maßgeblich an der Realisation der Miesbacher Ausstellung beteiligt.

Heinrich Skudlik Lehrer, Mentor und Freund – Horst Hermenau präsentiert ein Plakat von Heinrich Skudlik aus seiner Miesbacher Zeit. Foto: Hemkes

Viele seiner ehemaligen Schüler saßen am Mittwochabend bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung im Publikum. Gespannt folgten sie dem liebevollen Gedenken Horst Hermenaus an seinen Mentor auf der Bühne. Mit einem Lächeln auf den Lippen lauschten sie den Anekdoten von einem, der wusste, wie man junge Menschen für die Kunst begeistert – sei es in einem verrückten Film-Projekt auf einer Berghütte am Sudelfeld oder die Aktion des gemeinschaftlichen Knüpfens eines Teppichs in den Zeiten des Widerstandes einer ganzen Generation. Und manchmal nur mit seinen Farbtöpfen neben dem Pult, mit denen jeder etwas Farbe in sein Leben bringen konnte.

In der Gemeinde tief verwurzelt

Für Fritz Weigl war der Kollege und Freund ein Mensch, der Werte wie Solidarität, Achtsamkeit und Empathie vorlebte. Wesenszüge, die erst heute auf der Werteskala weit nach oben gerutscht seien und den Menschen Heinrich Skudlik schon damals und ein Leben lang auszeichneten. Ohne Frage sei der Künstler, der 1927 im polnischen Novy Bytom, dem ehemaligen Ost-Oberschlesien, geboren wurde, zeitlebens ein ausgewiesener Menschenfreund gewesen. „Wer ihm begegnete, den zog er mit seinem freundlichen Wesen unweigerlich in seinen Bann“, berichtet der Miesbacher über den Freund.

Fritz WeiglFritz Weigl bei seiner ganz persönlichen Hommage an den Freund. Foto: Sabiene Hemkes

In seiner Zeit in Miesbach sei er die treibende Kraft hinter der Gründung der Amnesty International Ortsgruppe, wie sich Fritz Weigl lebhaft erinnert. Seine Motivation, sich für Menschen zu engagieren schöpfte Heinrich Skudlik, so Weigl weiter, aus seinem tiefen Glauben und seiner eigenen Biografie des Heimatvertriebenen.

Heinrich SkudlikAusschnitt aus dem Fastentuch der Parsberger Kirche. Foto: Pfarrverband Miesbach

Bis heute nachwirkende Spuren hinterlässt der 2020 mit 93 Jahren in Landsberg verstorbene Künstler ebenfalls im christlichen Leben Miesbachs. So war er der Vorsitzende des Parsberger Pfarrgemeinderates. Das Fastentuch der Miesbacher Gemeinde etwa geht auf einen Entwurf von Heinrich Skudlik zurück. Ebenso die Glasfenster der Maria-Trost-Kapelle des Altenwohnheims der AWO in Miesbach. Als aktives Mitglied im Bibelkreis war der Kunsterzieher etwa maßgeblich an dem Projekt des alternativen Weihnachtsmarktes beteiligt. Dieser feiert in diesem Jahr sein 50. Jubiläum im neuen Pfarrhaus. Dort, wo die Geschichte vor 50 Jahren begann, wie Mitstreiter Fritz Weigl stolz berichtet.

Mahner für Menschlichkeit

Im Jahr 1983 verließ Heinrich Skudlik mit seiner Frau und den vier Kindern Miesbach. In seiner neuen Heimat Landsberg arbeitete er weitere sieben Jahre am dortigen Gymnasium, bevor er sich ganz seinem künstlerischen Schaffen widmete. Es verwundert wenig, dass er auch dort tiefe Spuren hinterließ. Er stellte regelmäßig aus und war tiefverwurzelt im religiösen und sozialen Leben der Stadt. Zudem reiste er viel, schrieb Bücher darüber und drehte Filme.

Heinrich SkudlikApokalypse 21 – ein von Heinrich Skudlik gestaltetes Kirchenfenster in Barcelona. Foto: Heinrich Skudlik

Das Wirken des Künstlers beschränkte sich jedoch nicht nur auf Bayern. Noch vor seiner Zeit in Miesbach unterrichtete er fünf Jahre an einer deutschen Schule in Barcelona. Dort gestaltete Heinrich Skudlik die Glasfenster in der Kirche der deutschen Gemeinde. Die beiden spanischen Kunstexperten Rosa M. Armelles Sebastià und Javier Clemente Hernández, ebenfalls am Mittwoch zu Gast in Miesbach, folgten dem deutschen Künstler durch ganz Europa. Unter dem Titel „Die Hoffnung angesichts des Grauens“ schrieben sie ein einfühlsames Reisebilderbuch über den Universalkünstler Heinrich Skudlik.

Heinrich SkudlikMultimediawand im Waitzinger Keller zeigt Werke und Auszüge aus dem Leben des Künstlers. Foto: Hemkes

Eines seiner bekanntesten Werke hat der Künstler in Landsberg geschaffen: das Mahnmal zum Gedenken an den Todesmarsch der KZ-Häftlinge 1945. Kurz vor Kriegsende trieben die Nazis damals die Insassen der bayerischen KZs über Dachau in Richtung Alpen. Vom gemeinsam erlebten Entstehungsprozess dieses eindrucksvollen Gedenksteines berichtet Heinrich Skudliks langjähriger Weggefährte, Mäzen und Freund Ernesto Holthaus auf der Miesbacher Bühne.

Zwiegespräch im Kerzenschein

Das eindringlich geführte Zwiegespräch mit dem Foto des verstorbenen Freundes wird zu einem besonderen Moment des Erinnerns für alle Anwesenden. Der inzwischen 92-jährige Maler sitzt ganz allein an einem Tisch. Neben ihm, eine von seinem verstorbenen Freund gestaltete jüdische Menora und auf der Leinwand hinter ihm Erinnerungsfotos aus dem Leben des Künstlers.

Ernesto HolthausErnesto Holthaus ehrt im stillen Gespräch seinen langjährigen Freund. Foto: Hemkes

Ein Sinnbild ihrer lebenslangen Freundschaft, des gegenseitigen Respekts und beider Haltung, erlebbar in leise erzählten Geschichten ihres Wirkens ist es, was die Anwesenden zum Abschluss der Eröffnungsfeier erleben dürfen. Dazu die Erinnerung an ein weiteres gemeinsames Projekt der beiden: den Aufbau eines Kinderdorfes und spirituellen Ortes im indischen Goa. Zusammen reisten sie achtmal nach Indien.

Johannes Skudlik, der die Werke seines Vaters für die Ausstellung in Miesbach zusammengetragen hat, begleitet die Veranstaltung mit seiner Kunst. Immer wenn die Weggefährten auf der Bühne verstummen, setzt sich der Sohn des Künstlers, selbst ein weltweit gefeierter Organist, an den Flügel und spielt für seinen Vater und dessen Gäste.

Freude über spätes Wiederkommen

Zum Abschluss der Veranstaltung lässt es sich der Musiker nicht nehmen, allen am Zustandekommen dieses Abends und der Ausstellung Beteiligten und der Stadt Miesbach, vertreten durch den Bürgermeister Dr. Gerhard Braunmiller persönlich im Namen seiner Familie zu danken. Doch allen im Saal ist klar, dass Miesbach zu danken hat für das „Wiederkommen“ eines wichtigen Künstlers und Menschen. Einem, der Spuren hinterlassen hat und uns zuruft:

„Halten Sie das Grauen aus und genießen Sie die Hoffnung.“

Veranstaltungstipp: Am 2. Dezember um 19.30 Uhr wird Johannes Skudlik in der katholischen Pfarrkirche in Miesbach ein Orgelkonzert mit Werken von Johann Sebastian Bach geben. Wie Fritz Weigl noch anmerkt: „Als wahrer Sohn seines Vaters spielt der berühmte Musiker ein Benefizkonzert zugunsten von Amnesty International.“

Die Ausstellung „Heinrich Skudlik zu Ehren“ können sie vom 09.11. bis 29.12.2023 in der Kunstgalerie des Waitzinger Kellers besuchen. Die Öffnungszeiten sind jeweils Montag bis Freitag von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr, Donnerstag von 14:00 Uhr bis 16:00 Uhr und bei Veranstaltungen. Weitere Informationen finden Sie unter www.waitzinger-keller.de.

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