Katharina Eisenberg

Verkaufsmaschine des ewigen Lächelns

Japanischer Alltag: Verkaufsmaschinen auch im hintersten Winkel. Foto: Katharina Eisenberg

Vom knallig bunten, immer schrägen und von der Technik überladenen Gewusel der Megastadt Tokyo über die traditionelle Spiritualität des alten Nippons, hin zur ländlichen Reisfeldidylle im Nirgendwo. Mittendrin Katharina Eisenberg und ihre Reise zu „The philosophical vending machine“.

Katharina Eisenbergs virtueller Japan-Roadtrip

In der Ankündigung für den Event heißt es: Es erwartet euch ein interaktiver Japan-Reisebericht von Katharina Eisenberg zum Mitmachen. Inklusive der Antwort auf die Frage: Und wie und warum wird aus all dem Kunst? Und tatsächlich wurde es eine aufregende Reise und Spurensuche, auf die uns Katharina Eisenberg am Freitag in der WeyHalla mitnahm. Zur Begrüßung gab es für alle Gäste einen Sake mit oder ohne Matcha (mit grünem Tee oder eben ohne). Dazu ein Set Ess-Stäbchen. Japanisch formvollendet, mit beiden Händen und einem freundlichen Lächeln von unserer Gastgeberin gereicht. Ok – so konnte es weitergehen, dachte ich mir.

Katharina EisenbergDas „japanische Gedeck“ bei Katharina Eisenbergs virtuellem Road-Trip. Foto: Sabiene Hemkes

Die WeyHalla, das alte Schlachtross der gepflegten Kultur-Unterhaltung im Landkreis, war kaum wiederzukennen an diesem Abend. Fernöstlich herausgeputzt, was Hausherr Girgl nicht nur einmal mit einem Lächeln goutierte. Auf den Tischen lagen weiße Blüten. Daneben Schalen mit schwarzen – wie uns das japanische Alter-Ego der Wahl-Miesbacherin verriet – hauchdünnen Seetangchips. Sehr fischig zwar, aber nicht weniger lecker.

Ein Kunstwerk mit Reise

Katharina Eisenberg selbst sah fast aus wie eine Schönheit aus dem Land der aufgehenden Sonne, wie sie mit ihren kunstvoll hochgesteckten Haaren uns auf der mit seidenen Tüchern geschmückten Bühne still lächelnd begrüßte.

Katharina EisenbergDie bezaubernde Hosutesu Katharina Eisenberg vor einem projizierten Ausschnitt ihrer „The philosophical vending machine“. Foto: Sabiene Hemkes

Aber eigentlich ist sie keine Schauspielerin, sondern eine bildende Künstlerin, die ihr Publikum an diesem Abend einlud, sie beim Entstehungsprozess eines ihrer Kunstwerke virtuell zu begleiten.

Katharina Eisenberg„The philosophical vending machine“ – Ausschnitt. Foto: @Katharina Eisenberg

Im Mai und Juni war Katharina, wie sie uns berichtet, für fünf Wochen auf einem Trip im fernen Japan unterwegs. Ihre Reise führte sie vom Startpunkt Tokyo über Osaka und Kyoto nach Itoshima. Dort hat sie in der „Art-Residence Studio Kura“ die Eindrücke ihrer bewegten Reise durch Japan in einem Kunstwerk verarbeitet, wie sie erzählt. Es entstand „The philosophical vending machine“ oder auf Deutsch „Die philosophische Verkaufsmaschine“, die später ausgestellt wurde und aktuell noch Teil einer Ausstellung in Japan ist.

Toiletten mit Bedienpult

Eines der ersten Bilder, dass die Künstlerin auf die Leinwand hinter ihr projizierte, war die Bedienungsleiste einer typisch japanischen Toilette. „Man sollte sich vor dem ersten japanischen Toilettengang mit der Technik auseinandersetzen“, so der gut gemeinte Rat unserer Hosutesu (Gastgeberin). Ähnlich skurril und befremdend gestaltete sich das weitere Eintauchen in diese uns so unbekannte Kultur zusammen mit Katharina. Trotz Hello Kitty, Manga und Cosplay Erfahrungen waren wir im Publikum kaum vorbereitet auf das, was uns erwartete.
Katharina EisenbergWozu eine typische japanische Großstadttoilette in der Lage ist, kann man auf dem Foto erahnen. Foto: @backpackersguide

Von Tokioter Love-Hotels, über Schweine-Cafés, knallig-grellen Wachssüßigkeiten hin zum digitalen Technik-Abenteuern der Superlative. Japanische Impressionen, die wir im Publikum mit Reaktionen wie „Oh mein Gott“, „das darf nicht wahr sein“ hin zu „das glaube ich jetzt nicht“ begleiteten. „Die Japaner nennen das Kawaii. Eigentlich ist Kawaii das japanische Wort für niedlich, süß, kindlich.“ Doch inzwischen beschreibe es das „ästhetische Konzept“ Japans, das Unschuld und Kindlichkeit betone und in den Städten neben der allgegenwärtigen Technik längst das Stadtbild präge.

Stäbchen-Skills für Anfänger

Wohlgemerkt in einer modernen japanischen Gesellschaft, die neben der allgegenwärtigen Arbeit, dem knapp bemessenen Wohnraum und der verpflichtenden, allgegenwärtigen Freundlichkeit, wenig Freiraum für individuelle Entfaltung lasse, wie die Künstlerin uns aufklärt. In den kleinen Verschnaufpausen des virtuellen Japantrips bekamen wir im Publikum unsere Stäbchen-Lektionen. Dabei reichte Katharina Schalen mit süßen oder herzhaften Asien-Sauereien als Wegzehrung, die wir mit mehr oder weniger Geschick versuchten auf die Stäbchen zu bekommen. Nicht immer lecker, aber spaßig allemal.

Katharina EisenbergDie Japaner lieben ihr ganz persönliches süßes Maskottchen (Yuru Chara) – ohne die geht gar nichts. Foto: @Katharina Eisenberg

Doch nicht alles in Japan sei so „lustig“, wie es die bunten Bilder glauben lassen, schränkt die Künstlerin nach einigen lustigen Anekdoten aus dem Tokioter Stadtleben ein. Längst nicht alle Menschen seien dem Kawaii-Kult verfallen. „Zum Beispiel gibt es mehr als eine Million Menschen, die sich der Realität vollständig entziehen“, berichtete Katharina: „Die Hikikomori. Das sind Menschen, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen und sich von der Außenwelt komplett abgekapselt haben.“

Tradition und moderne Kunst

Und dann gewährt uns die Künstlerin auch noch Eindrücke des Japans, welches abseits von Mangas, Karaoke, Hello Kitty und Computer Games in unseren Köpfen existiert. Aufgenommen hat Katharina Eisenberg diese in der alten Kaiserstadt Kyoto, einer weiteren Station ihrer Reise. Etwa den Fushimi Inari-Taisha Schrein mit seinen endlosen Tempelanlagen, japanische Paläste und Gärten sowie den alten Holzhäusern. Nach der „Kirmes“ in Osaka war dies für die Künstlerin ein Ort der „spirituellen Ruhe“, wie sie, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, gesteht.

@Satoshi Hirayama: https://www.pexels.com/de-de/foto/drei-geisha-die-zwischen-gebauden-gehen-1325837/Das traditionelle Japan – drei Geishas auf einer Straße in Kyoto. Foto: Satoshi Hirayama

Unsere gemeinsame Reise findet in der Präfektur Itoshima, im Süden Japans, ihr kreatives Ende. Wir sehen Bilder von endlosen Reisfeldern, dem Meer und der Artist Residenz Studio Kura in der sich Katharina für einige Wochen eingemietet hatte. An diesem Ort inmitten der Ruhe beginnt die Künstlerin die Arbeit an ihrer „philosophical vending machine“, wie sie berichtet. Einer Upcycling-Collage aus vier übereinander angeordneten Räumen, die alle miteinander verbunden sind und einen fünften Raum bilden.

Die Verkaufsmaschine

Der Leidenschaft der Japaner für ihre „Vending Machines“ (japanisch jidohanbaiki/ deutsch Verkaufsautomaten) hatten wir in den vergangenen 70 kurzweiligen Minuten schon des Öfteren entdecken können. Wie Katharina uns verriet, sind diese Maschinen, in denen man einfach alles und das zu jeder Zeit kaufen kann, fester Bestandteil der japanischen Alltagskultur.

Katharina EisenbergThe Life Path – Das Ikigai-Prinzip. Foto: @Katharina Eisenberg

Den Hikikomori hat die Künstlerin ganz allein in einen der Räume gesetzt. Die fröhliche Welt des Kawaii mit ihren bunten Püppchen bewohnt einen weiteren. Darunter hat das vierstufige Ikigai-Prinzip aus dem 14. Jahrhundert seinen Platz gefunden. Es bedeutet in der japanischen Tradition so viel wie die Summe der Dinge, für die es sich zu leben lohnt. Über allem thront der Wabi-Sabi Raum. Diesen widmet die Künstlerin dem ästhetischen Konzept des Unperfekten. Der umrahmende und kunstvoll gestaltete fünfte Raum wiederum vereint alle Elemente miteinander – das heutige Japan vielleicht.

Katharina EisenbergDer Wabi-Sabi Raum in „The philosophical vending machine“. Foto: @Katharina Eisenberg

Die ewige Freundlichkeit

Damit und einem weiteren Sake, dem mindestens dritten inzwischen, endete der unterhaltsame wie leicht verstörende Roadtrip mit unserer wundervollen und noch immer lächelnden Hosutesu. Selten habe ich mich auf eine so intensiv wie spannende Begegnung mit einem Kunstwerk begeben. Ganz zum Ende des Events hat es mich jedoch unendlich beruhigt, als mir die in Berlin-Kreuzberg aufgewachsene Künstlerin verriet: „Es tat so gut, bei der Rückkehr nach Deutschland endlich mal wieder böse schauen zu dürfen. Diese immerwährende Freundlichkeit macht einen dann doch ziemlich fertig mit der Zeit.“

Wenn Sie, lieber Leser Lust haben, sollten Sie einfach mal auf Kunst und Klartext, der Internetpräsenz der Miesbacher Künstlerin, vorbeischauen. Es wird sich lohnen – versprochen.

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