Am Ende wird alles gut?
Thomas Mandl in der vhs Holzkirchen. Foto: MZ
Vortrag in Holzkirchen
Mit einer Reise durch die Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart und der Betrachtung der verschiedenen Geschichtskonzeptionen nahm Thomas Mandl das Publikum mit, um zu fragen, ob es in der Geschichte einen stetigen Fortschritt gibt oder ob alles in einem Desaster enden wird. Die Antwort kam ganz am Ende.
Die Antwort nämlich, ob es ein Fragezeichen oder ein Punkt hinter dem Satz „Am Ende wird alles gut“ geben wird. Um die drängenden Fragen der Menschen, etwa, wohin soll das alles führen? oder was ist der Sinn vom Ganzen? beantworten zu können, wolle er einen Blick in die Geschichte werfen, eröffnete Philosoph Thomas Mandl seinen informativen Vortrag in der Volkshochschule Holzkirchen, der in der Reihe „anders wachsen“ lief.
Hannah Arendt und Walter Benjamin
Er startete in der Neuzeit mit Hannah Arendt, die darauf hingewiesen hat, dass Geschichte mehr als die Summe der Fakten ist. Die Wirklichkeit werde mit der Geschichte durch Geschichten der Menschen versöhnt, sagte Thomas Mandl, aber auch dadurch entfremdet.
Walter Benjamin nahm das Bild von Paul Klee „Angelus Novus“ zur Basis seiner Erklärung der Geschichte. Der Engel stehe vor den Trümmern der Vergangenheit, wende der Zukunft den Rücken zu und werde vom Fortschritt in diese hineingepeitscht.
Klee, Paul, Angelus Novus, 1920. Foto © The Israel Museum, Jerusalem
Geschichtskonzeptionen
Im folgenden stellte der Vortragende die verschiedenen Geschichtskonzeptionen vor. Da wäre die lineare Evolution, beginnend mit Charles Darwin über Immanuel Kant hin zu Yuval Noah Harari, der sagt, dass Geschichte eine zivilisatorische Fortschrittsgeschichte ist. Die Wissenschaft werde alle Übel beseitigen und der Mensch sei auf dem Weg zur Unsterblichkeit.
Auch Julian Huxley und Friedrich Nietzsche seien Wegbereiter dieses Konzepts, das Transhumanismus genannt wird und bei dem der Mensch technologisch durch Ersatzteile immer mehr optimiert werde. Hier aber stelle sich die Frage, so Thomas Mandl: „Was ist der Mensch? Was sei richtig? Einen Körper sein oder einen Körper haben?“
Die von Georg Friedrich Wilhelm Hegel und von Karl Marx entwickelte Methode der Dialektik verfolgt einen anderen Ansatz, den der These – Antithese und Synthese. Über die Entwicklung der Vernunft komme es zu einem Weltgeist.
Vergeistigung der Natur
Als aktuellen Vertreter der Dialektik zitierte Thomas Mandl James Bridle mit seiner These der Vergeistigung der Natur. Der Mensch sei keineswegs die Krone der Schöpfung, sondern alles sei miteinander verflochten, „der Humus, die Blumen, die Bakterien, die Haifische und die Computer“. So werde die Grenze zwischen Kultur und Natur zerfallen. „Wir sind Teil eines Geistes“, betonte Thomas Mandl.
Zum Thema „Grünes Wissen“ gab es lebhafte Diskussion anhand einer Publikation, in der Pflanzen nicht nur Intelligenz, sondern auch Lernfähigkeit attestiert wird. Damit sei bewiesen, dass diese Fähigkeiten nicht zwingend mit der Existenz eines Gehirns verbunden sind.
Zyklische und disruptive Geschichtskonzeptionen
Ein weiteres Konzept der Geschichte ist das zyklische, das bereits von dem griechischen antiken Philosophen Polybios beschrieben wird, nach dem sich Monarchie, Aristokratie und Demokratie abwechseln. Auch Friedrich Nietzsche, indische und Naturreligionen sprechen von „ewiger Wiederkehr“.
Eine disruptive Entwicklung findet man bereits, so Thomas Mandl, in der Apokalypse der Bibel, beim Messianismus, wo eine neue Herrschaftslogik das Leiden durchbreche, aber auch durch den Menschen selbst. Dieses Risiko betrage in den nächsten 100 Jahren etwa eins zu sechs. Ursachen dafür könnten Pandemien, Kriege und Künstliche Intelligenz sein.
„Mensch ist ein Geschwür“
Thomas Mandl zitierte zu diesem Thema Agent Smith aus dem Film „Die Matrix“, der sagt, dass Menschen keine Säugetiere seien, sondern ein Virus. „Der Mensch ist eine Krankheit, das Geschwür dieses Planeten… eure Zeit ist abgelaufen…die Zukunft gehört den Maschinen.“
Letztlich ist auch der Posthumanismus eine disruptive Entwicklung, denn hier verschmilzt der Mensch mit künstlicher Intelligenz, Nanocomputer docken am Gehirn an, das Bewusstsein wird am PC hochgeladen und bis 2045 soll der Mensch unsterblich sein, sagt Raymond Kurzweils.
Unter einem Himmel
Das Konzept der Postmoderne stellte Thomas Mandl unter anderem mit den Ideen des chinesischen Philosophen Zhao Tingyang vor. Dieser misstraue der westlichen Demokratie und greife stattdessen auf die chinesische Geschichte des „Tianxia – Unter einem Himmel“ als Utopie für den Weltfrieden zurück. Bei diesem Modell werden nationale Strukturen aufgelöst, verschiedene Wirtschaftssysteme sind parallel möglich.
Auch wenn dieses letzte Konzept hoffnungsfroh stimmt, sind alle anderen ebenso präsent und Thomas Mandl sagte: „Das ist die Zukunft wie sie sein könnte, wenn man nicht dagegen ist.“ Und wofür müsse man sein? Man müsse in jedem Fall für die Natur sein, denn diese könne auch ohne den Menschen existieren. Zudem habe er Vertrauen in die Vernunft des Menschen und jeder könne aktiv werden. Als praktisches Beispiel schlug der Referent die Gründung von Bürgerräten vor, so wie sie im Zuge des Zukunftsforums tätig waren.
Lesetipp: Das Zukunftsforum soll ins Handeln bringen
Und schloss mit den bekannten Worten Vaclav Havels: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht.“