Wege zum Frieden

Clemens Ronnefeldt sprach über den Ukrainekrieg, seine Geschichte und mögliche Wege zum Frieden. Foto: Petra Kurbjuhn

Warngauer Dialog

Der russisch-ukrainische Krieg hält seit Februar 2022 die Welt in Atem. Doch wie in fast allen Kriegen, liegt der Ursprung auch in dieser gewalttätigen Auseinandersetzung im Osten Europas bereits weit in der Geschichte zurück. Das wurde beim Warngauer Dialog vergangene Woche deutlich. Auch wenn dieser anders ablief als zunächst geplant, stellten sich alle am Ende die eine Frage: Gibt es „Wege zum Frieden?“.

Als Monika Ziegler, 1. Vorsitzende von KulturVision e.V., das Publikum begrüßte, klärte sie über die geänderte Sitzordnung auf. Denn eigentlich sitzt das Publikum im Altwirtsaal beim Warngauer Dialog gegenüber von zwei Personen, die ihre verschiedenen Meinungen zu einem gemeinsamen Thema vertreten. Diesmal stand nur ein Tisch vorne, eine kleine Kerze brannte und nur ein Mann hatte sich eingefunden.


Ein Licht für den Frieden. Foto: Petra Kurbjuhn

Clemens Ronnefeldt ist Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes. Seit 30 Jahren ist er für die internationale Friedensorganisation mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen tätig, die 1914 zur Verhinderung des 1. Weltkrieges gegründet wurde. Ihm gegenüber sollte eigentlich Johannes J. Frühbauer, Professor an der Katholischen Stiftungshochschule München sitzen, doch dieser musste wegen Krankheit spontan absagen.

Die komplexe Geschichte des Krieges

So wurde aus dem Dialog zunächst ein Vortrag, denn Clemens Rohnefeld hatte angeboten, das Publikum über die Geschichte des Ukrainekrieges aufzuklären. Schnell stellte sich heraus: wer diesen Krieg verstehen will, muss sich bis ins Jahr 750 zurückbegeben, als die Kiewer Rus gegründet wurde und das Fürstentum damals mächtigstes Reich war. „Dieser Krieg ist ein Beziehungs- und Identitätskonflikt“, sagte der Friedensreferent und spielte damit auf die Christianisierung der Kiewer Rus, ausgelöst durch die Taufe von Wladimir dem Großen im Jahr 988, an.


Der „Warngauer Dialog“ stieß auf großes Interesse. Foto: Petra Kurbjuhn

Er spannte den Bogen über den Vertrag von Perejaslaw, welchen der russische Präsident Wladimir Putin noch heute als Druckmittel in seiner Politik einsetzt, über die Bildung der UdSSR bis hin zum sogenannten „Holodomor“. Bei der Hungersnot, die unter Stalin ab 1931 in der Sowjetunion ausbrach und rund sieben Millionen Tote forderte, seien laut Clemens Rohnefeldt alleine dreieinhalb Millionen Menschen in der Ukraine zu beklagen gewesen. „Das belastet bis heute das ukrainisch-russische Verhältnis“, machte der Referent deutlich.

Düstere Zeiten brauchen Kultur

„Der völkerrechtswidrige Überfall am 24.2.2022 auf einen souveränen Staat wie die Ukraine durch russische Invasionstruppen verstößt gegen die UN-Charta, gegen das Pariser Abkommen von 1990 zur Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa und gegen das Budapester Memorandum – und ist durch nichts zu rechtfertigen“, sagte Clemens Ronnefeldt. Ein großer Faktor für den Ausbruch des Krieges sei seiner Meinung nach auch das Verhältnis der NATO zu Russland, sowie deren Haltung in den Verhandlungen der Ost-Erweiterung des NATO-Gebiets auf die Ukraine und Georgien.

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Auch die „strategische Partnerschaft“, wie er es nannte, zwischen den USA und der Ukraine spielten eine große Rolle in dem Konflikt. „Ich prophezeie ihnen, dass Sie mit ihren Steuergeldern am Ende die Waffenlieferung von Januar 2022 aus den USA an die Ukraine abbezahlen werden“, sagte er ans Publikum gewandt.


Tobias Stork am Flügel und Dietmar Rexhausen am Cello verzauberten das Publikum. Foto: Petra Kurbjuhn

„Wir brauchen Kultur in diesen düsteren Zeiten“, sagte Clemens Ronnefeldt nach seinem Vortrag und gab damit wieder die Bühne für Dietmar Rexhausen am Cello und Tobias Stork am Flügel frei, welche das Publikum mit emotionalen Stücken abholten und damit einen Ausgleich zu dem schweren Thema des Abends schufen.

Gibt es „Wege zum Frieden“?

Der Grundgedanke des Warngauer Dialogs sei es, eine „respektvolle, wertschätzend zuhörende und annehmende Gesprächskultur zu etablieren“, erklärte Monika Ziegler. Deshalb ergriff im Anschluss an den komplexen Vortrag das Publikum das Wort und stellte seine Fragen zum Thema „Wege zum Frieden“ an Clemens Ronnefeldt. So zweifelte Manfred Zick, besser bekannt als Zither Manä, etwa an der Möglichkeit der Friedensverhandlungen zwischen den beiden Kriegsparteien, da Putin von Anfang an die Meinung vertreten habe, wieder ein „Russisches Reich“ aufzubauen.


Das Publikum stellte Fragen. Hier der Zither Manä, Manfred Zick. Foto: Petra Kurbjuhn

Der Referent bestätigte, dass es schwierig sei, beide Staatsmänner an einen Verhandlungstisch zu bekommen, da sie zunächst gewissen Bedingungen der Gegenseite zustimmen müssten. „Diese Annäherung müssten sie wiederum ihrer Bevölkerung verkaufen und wie will man seinem Volk beibringen, dass alle Opfer dann umsonst gewesen wären?“, stellte er klar. Doch sowohl für Russland, als auch die Ukraine könne der Krieg nicht ewig gehen. Schätzungen zufolge, würden die russischen Angriffe pro Tag bis zu 350 Millionen Dollar kosten und die Zeit spiele wiederum gegen die Ukraine, der mittlerweile Leute und Waffen knapp würden.

Aus der Geschichte lernen

„Eine Lösung für den Krieg finden wir alle nicht, das Problem ist, dass wir geschichtsvergessen werden“, meldete sich Michael Pelzer zu Wort. Wie sei es möglich, die Geschichte wieder so interessant zu machen, damit folgende Generationen aus ihr lernen könnten, fragte er. Die Folgen des Krieges seien nicht mehr Teil der Gesellschaft, erklärte Clemens Ronnefeldt. Es gäbe weniger Kriegsversehrte, weshalb das Thema nicht mehr so präsent wäre. Er selbst würde Vorträge in Schulen halten und sehe dort aber auch zunehmend positive Veränderungen. „Es gibt tolle Programme wie Streitschlichter, Seminare zu gewaltfreier Kommunikation und vieles mehr.“


Es gibt Hoffnung, erklärte Clemens Ronnefeldt. Foto: Petra Kurbjuhn

Eine Dame fragte, welche Rolle überhaupt Deutschland in diesem Krieg spiele? Ein Thema, welches auch dem Friedensreferenten „große Sorgen macht“. Die deutsche Politik orientiere sich noch sehr an der Vergangenheit, als das Land nach dem zweiten Weltkrieg und trotz der verheerenden Nazi-Verbrechen mittels des Marshallplans wieder in die Vereinigung der Länder aufgenommen wurde und ein Gefühl der immerwährenden Dankbarkeit gegenüber den USA ständig mit einfließen würde. Auch die unterschwellige Militarisierung der Gesellschaft sei bedenklich, ebenso wie der teilweise vom rechten Weg abgekommene Journalismus, welcher sich oft nur noch an klickstarken Sensationsüberschriften, denn an gut recherchierten Artikeln orientiere.

Der Frieden beginnt bei uns selbst

Dass in den Verläufen der Kriegsführung „kein zivilisatorischer Fortschritt erkennbar“ sei, sagte Thomas Mandl. Der ehemalige Leiter der vhs Oberland fragte, welche Möglichkeiten es denn gäbe, einen militärischen Anschlag nicht mit Selbigen zu beantworten? „Wir müssen unsere Gesellschaft achtsam beobachten“, sagte Clemens Ronnefeldt. Es sei an jedem selbst, seine eigenen Schattenseiten zu integrieren, denn nur dann könne sich etwas zum Guten ändern.

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Er zitierte dahingehend Carl Gustav Jung: „Man wird immer zu dem, was man am stärksten bekämpft.“ Aber es sei auch nötig, dass „die schweigende Mehrheit sich endlich traut, ihre Meinung zu artikulieren, dann haben wir eine Chance.“ Jeder könne Petitionen starten und unterstützen, Leserbriefe verfassen und mit Politikern sprechen. Auch die „stille Arbeit der Friedensmissionen muss sichtbarer gemacht werden“, sagte er.

Das Fazit dieses sehr lehrreichen Abends war, dass es durchaus „Wege zum Frieden“ gibt, diese aber vor allem bei jedem selbst beginnen. Sich bei neutralen und zuverlässigen Quellen informieren, selbstwirksam werden, die eigenen Themen anpacken und sich vor zu viel Hass und Traurigkeit schützen. Wie schon Martin Luther King sagte: „Hass kann nicht Hass vertreiben, das kann nur die Liebe.“

Mehr Informationen zur Arbeit des Internationalen Versöhnungsbundes finden Interessierte unter www.versoehnungsbund.de.

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