Menschlich-sein im 21. Jahrhundert
Prof. Dr. Wilhelm Vossekuhl, Christane zu Salm und Korbinian Kohler (v.l.) Foto: Petra Kurbjuhn
Vortrag in Weissach
Zum zweiten Vortrag in der Reihe des Korbinians Kolleg hatten Kurator Wilhelm Vossenkuhl und Initiator Korbinian Kohler Christiane zu Salm eingeladen. Sie widmete sich dem Thema „Menschlich-sein im 21. Jahrhundert – bleibt das möglich?“
Heute werde eine andere Art von Person auf der Bühne stehen, begrüßte Wilhelm Vossenkuhl das zahlreiche Publikum, unter ihnen auch viele Prominente, wie Maria Furtwängler, Mon Muellerschoen oder Judith Milberg.
Prof. Dr. Wilhelm Vossekuhl. Foto: Petra Kurbjuhn
Mit Mut und Entschlossenheit habe sie ihr eigenes selbst gefunden. Nachdem sie mehrere Führungspositionen in der Wirtschaft innehatte, unter anderem sei sie die erste Chefin eines Fernsehsenders gewesen, sei sie die Erfolgsleiter nicht weiter hinan gestiegen, sondern habe sich zur Hospizbegleiterin ausbilden lassen. Ihr eigenes Leben, in dem sie ihren Bruder als Kind verlor und in dem sie von einer Lawine verschüttet wurde, habe sie zu diesem Schritt motiviert.
„Der Vortrag beginnt am Ende und endet mit dem Anfang.“ So startete Christiane zu Salm ihre Rede. Sie sei in ihrem Leben dem Tod begegnet. „Wenn man ihn in Augenschein nimmt, dann macht er das Angebot, ein sinnvolles Leben zu führen und das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.“
Voll besetztes Haus. Foto: Petra Kurbjuhn
Diese Aussage zog sich durch den ganzen Vortrag der Unternehmerin und Sterbebegleiterin. Man solle das Ende des Lebens nicht als Abschluss, sondern als Ziel sehen, dem Ziel nämlich, ein erfülltes Leben geführt zu haben.
Bei ihrer Sterbebegleitung habe sie Menschen getroffen, die trotz schwerer Schicksalsschläge sagen, es sei gut gewesen. Andere wiederum fühlten sich betrogen, nicht wahrgenommen und wieder andere, die alles haben, fühlen sich innerlich leer, es fehlte der Sinn.
Sinnsuche indes sei verpönt, der Zeitgeist sei ein Gegenentwurf und die Folge seien Depressionen, Spaltung der Gesellschaft und allerorten Empörung über unwichtige Dinge wie beispielsweise das Fehlen einer genderneutralen Toilette. Die Empörung betreffe immer die anderen, „wir übersehen uns selbst“.
Christiane zu Salm. Foto: Petra Kurbjuhn
„Die Menschlichkeit ist verloren gegangen, weil wir den Tod verbannt haben“, konstatierte Christiane zu Salm. Und damit auch die Orientierung. Die gegenwärtigen Probleme in der Welt hätten dazu geführt, dass 43 Prozent der EU-Bürger psychische Problem haben. „Und dazu kommt Digitalisierung mit totaler Überflutung.“
Das Ohnmachtsgefühl schlage um in Aggressivität und Selbstgerechtigkeit. Zudem trauten sich viele Menschen nicht mehr, offen ihre Meinung zu sagen, was die Orientierungslosigkeit verstärke. Menschen würden sich in der Gemeinschaft nicht mehr wohlfühlen. „Wir können nicht mehr unterscheiden, was veränderbar ist und was wir hinnehmen müssen.“
Vom Nebel zur Klarheit
Christiane zu Salm hatte als Hintergrundbild Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Mann über dem Nebelmeer“ gewählt und sagte: „Wir müssen Menschen werden im Nebel der Ungewissheit und Orientierungslosigkeit.“ Dazu gehörten vor allem Zuhören und Mitgefühl.
Gegen den Nebel helfe Klarheit, eine Ordnung der Werte. Sie selbst wisse, was ihr Ziel am Ende des Lebens sei, dass in der Begegnung mit ihren Kindern immer wahrhaftig war.
Drei Rechte für die Zukunft
Die Rednerin schlug drei wichtige Dinge als unverzichtbare Voraussetzungen für das 21. Jahrhundert vor: Erstens das Recht, offline zu sei, zweitens das Recht auf Langsamkeit und drittens das Recht, biologisch ein Mensch zu sein und nicht nur aus Ersatzteilen zu bestehen.
„Menschlich-sein als Ziel, warum ist das erstrebenswert?“ fragte sie. Weil wir dann unsere Seele bewahren, berührbar seien und lieben können sowie Schönheit genießen können. Christiane zu Salm schloss ihren Beitrag mit den Worten des Philosophen Michael Hampe: „Alles hängt davon ab, wie wir uns an der Welt beteiligen und nicht nur Beobachter bleiben.“
An diese Worte schloss Maria Furtwängler in der Diskussion an und betonte, dass es wohl wichtig sei, nach innen zu gehen und eine Wertediskussion zu führen, dann aber müsse man für eine lebenswerte Zukunft nach außen gehen.
Korbinian und Suse Kohler, Christiane zu Salm, Mon Muellerschoen, Judith Milberg, Maria Furtwängler und Wilhelm Vossenkuhl (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
Korbinian Kohler fragte, ob es hilfreich sei, den Tod etwas leichter zu nehmen, so wie es die Briten tun. Dem stimmte Christiane zu Salm zu und Wilhelm Vossenkuhl betonte, es sei wohl gar nicht der Tod, der Angst mache, sondern das Sterben.
Das war das Stichwort für Klaus Fresenius, der den Hospizgedanken hervorhob und betonte, dass sich das Bewusstsein der Ärzte geändert habe. Es gebe im Krankenhaus Agatharied eine Palliativstation, eine ambulante Palliativhilfe über den Hospizkreis Miesbach und jetzt würde in Bad Wiessee ein Hospiz gebaut, wofür sich ein Förderverein gegründet habe.
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