Birkenstein zwischen Vergangenheit und Zukunft
Eines der großen Feste im Wallfahrtsort Birkenstein: die Lichterprozession. Foto: Kathi Ausfelder
Neuerscheinung Leitzachtal Verlag
Es ist ein Ort, der die Menschen scheinbar magisch anzieht. Aus aller Welt kommen sie nach Fischbachau, um dort zu verweilen, ihre Sorgen zu lassen und zu beten. „Birkenstein – Wo sich Himmel und Erde berühren“ heißt das neu erschienene Buch von Andreas Estner und ist eine Schatzkiste rund um die Geschichte und Gegenwart von Kloster, Kapelle und Wallfahrt dieses besonderen Ortes.
Rund 200.000 Pilger kommen jedes Jahr in den oberbayerischen Wallfahrtsort Birkenstein, um dort die Loretokapelle hoch über dem Leitzachtal zu besuchen. Sie suchen dort Hilfe, Trost und Stärkung und finden einen „Schutzraum für die Seele“, wie Andreas Estner sagt. Der BR-Journalist aus Fischbachau hat selbst eine starke Verbindung zu dem Wallfahrtsort, „dem kann man sich eigentlich gar nicht entziehen“, sagt er.
Das neue Buch des Fischbachauers über Birkenstein. Foto: Andreas Estner
Seit mehr als 300 Jahren besuchen die vielen Menschen die Region um den Wendelstein, beten zur Muttergottes und hinterließen hunderte historische Votivtafeln, Pilger- und Opferkerzen. „Außerdem ist es ein kunsthistorisches Juwel“, sagt der Autor. Er hat sich der interessanten Geschichte dieses Ortes angenommen und in akribischer Recherchearbeit ein Buch über Birkenstein geschrieben.
Eine Ära geht zu Ende
Das Besondere ist, dass die Menschen angehört werden und zwar von den im Kloster lebenden Schwestern, die auch in der Seelsorge tätig sind. Bis Oktober 2022 waren die Armen Schulschwestern dort ansässig. Als bekannt wurde, dass diese ihre Zeit dort aus Altersgründen beenden würden, war für Andreas Estner klar, dass eine Ära in Birkenstein zu Ende geht.
Votivtafeln in der Kapelle. Foto: Andreas Estner
„Das war ein großer Einschnitt für den Wallfahrtsort und die Pilger und ich wollte die Erinnerungen festhalten.“ Schon in seinem Buch „Leitzachtaler Talgeschichte(n)“, hatte er ein Kapitel über Birkenstein geschrieben. Jetzt war es an der Zeit, diesem besonderen Ort ein ganzes Buch zu widmen.
Lesetipp: Talgeschichte(n) – eine Historie des Leitzachtales
Bereits seit 2010 besuchte der Fischbachauer die Schulschwestern immer wieder für BR-Produktionen. Für sein Buch begleitete er sie noch einmal intensiv und dokumentierte ihre Arbeit, führte Gespräche mit Wallfahrern und befasste sich tief mit der Geschichte von Birkenstein.
Die 14. Station des Kreuzweges der Kapelle Birkenstein. Foto: Andreas Estner
Dazu studierte er das Archiv der Wallfahrtskuratie vor Ort und die Akten im Archiv des Erzbistums München-Freising. „Das war ein intensives Jahr“, sagt er. Heraus kam ein Band mit 188 Seiten und mehr als 240 Fotografien, für welche er sich die beiden Fotografen Kathi Ausfelder aus Schliersee und Anton Brand aus München an die Seite geholt hat.
Wallfahrten nach Birkenstein
Die vielen Wallfahrten nach Birkenstein sind eine Besonderheit. Der Autor hat ihnen ein ganzes Kapitel in seinem neuen Buch gewidmet und hat dafür etwa die Nachtwallfahrer aus Lenggries und Gaißach begleitet, die 40 Kilometer durch die Dunkelheit wandern. „Es ist ein sehr lebendiges Kapitel mit spannenden Erzählungen, warum sie dies tun und was sie auf ihren Wallfahrten alles erleben“, erklärt der Fischbachauer.
Die Trachtenwallfahrt des Oberlandler Gauverbandes in Birkenstein. Foto: Kathi Ausfelder
Sogar ein Verzeichnis aller Fahrten ist in dem Buch enthalten, zu denen etwa auch die Wallfahrer aus St. Ottilien zählen, die jedes Jahr 100 Kilometer bis nach Birkenstein marschieren. Natürlich finden auch die großen christlichen Feste, wie Christi Himmelfahrt, der Christkindlsegen und die bekannte Lichterprozession am Vortag des Patroziniums Mariä Himmelfahrt ihren Platz.
Schwarze Madonna und 90 Engel
Bei seinen Recherchen stieß Andreas Estner aber auch auf Besonderheiten und bisher Unbekanntes. So gab es in der im Jahre 1710, nach dem Vorbild des mittelitalienischen Wallfahrtsortes Loreto, erbauten Kapelle wohl auch eine sogenannte schwarze Madonna. „Dies wurde anhand einer Analyse alter Farbschichten im Rahmen einer Restaurierung bestätigt“, weiß er.
Der Sternenhimmel der Loretokapelle. Foto: Andreas Estner
Zwischen 1759 und 1770 wurde die bis dahin nach mit dem typischen Loreto-Grundriss und -Merkmalen ausgestattete Kapelle um reiche Barockelemente erweitert. Mehr als 90 Engel zieren die goldenen und silbernen Wolken unter dem dunkelblauen Sternenhimmel, den der Maler Sebastian Stroger 1768 in das Tonnengewölbe malte.
Birkenstein – Vergangenheit und Zukunft
Was „Birkenstein – Wo sich Himmel und Erde berühren“ zu einer Besonderheit macht, ist ein inkludierter Film, der die Kapellenführung von Schwester Eresta Mayr dokumentiert, die 64 Jahre im Kloster Birkenstein gelebt und hunderttausende Wallfahrer betreut hat. Sie war eine Institution in Birkenstein und kam extra für die Filmaufnahmen noch einmal dorthin zurück.
Schwester Eresta Mayr auf Kapellenführung. Foto: Andreas Estner
„Das ist einfach etwas ganz Besonderes, für alle die eine Führung mit ihr live erleben durften und auch für alle, die dies nicht mehr können“, weiß Andreas Estner. Doch das Buch ist nicht nur eine Hommage an die Vergangenheit, sondern auch an die Zukunft in diesem besonderen Wallfahrtsort. Seit dem Frühjahr 2023 sind die Missionsschwestern vom Heiligen Erlöser aus Gars am Inn für die Betreuung der Kapelle und der Wallfahrer zuständig. „Dieses Buch verbindet die Vergangenheit und den Neubeginn in Birkenstein“, sagt der Autor.
Die Lichterprozession vor Mariä Himmelfahrt. Foto: Kathi Ausfelder
Für Andreas Estner ist und bleibt Birkenstein einer der schönsten Orte im Leitzachtal. Auch er geht dort hinauf, um Ruhe zu suchen, allein zu sein und Kraft zu tanken. „Es ist einfach eine ganz besondere Atmosphäre und das spüren alle Menschen dort, ob nun gläubig oder nicht“, betont er. Vielleicht ist es dieser Tage an der Zeit, dem Wallfahrtsort einen Besuch abzustatten und in Erinnerungen zu schwelgen.