Rechteck als ästhetische Grenze
Objekte? Schönheit? Kunstwerke? Oder einfach Kastl? – Die Bilder von Berthold Grabmeier. Foto: Ines Wagner
Ausstellung in Holzkirchen
Womit haben wir es hier zu tun? Sind das Quadrate, Rechtecke, oder sind es einfach „Kastl“? Horst Hermenau scherzt zur Vernissage der Ausstellung von Berthold Grabmeier – der Künstler hat dann eine verblüffende Erklärung parat.
Denn eingangs steht eine Frage: „Was bewegt einen Künstler, sich derart mit dem rechten Winkel auseinander zu setzen?“ Die Frage bewegt nicht nur den Künstler Horst Hermenau, der Berthold Grabmeier und seine Werke vorstellt, sondern auch die Gäste, die zur Ausstellungseröffnung im Autohaus Steingraber zahlreich erschienen sind.
Horst Hermenau und Berthold Grabmeier (v.l.) bei der Vernissage. Foto: Ines Wagner
An den Wänden hängen unzählige Kastl-Bilder, einzeln, in Gruppen. Kräftige Farben sind dabei, monochrome Flächen mit starken Kontrasten, aber auch Verwischtes, sich Auflösendes, Bewegtes, mit grafischen Linien Verästeltes… Ein Jedes muss man von Nahem betrachten, da werden feine Linien sichtbar, gespachtelte Oberflächenstrukturen, Abgeschliffenes, Übermaltes. Der Künstler Berthold Grabmeier hat sich von allen Seiten dem Rechteck und Quadrat genähert.
Mal zahm, mal ungebändigt
Manche der Kästchen stehen wie Soldaten, einige tanzen aus der Reihe, andere turnen lustig wie Äffchen über die Flächen oder stehen stumm wie Fenster in einem Haus. Manchmal ist ein einziges schwarzer Schaf in der weißen Herde der Rechtecke. In einigen Bildern wachsen die Quadrate fast dreidimensional aus ihren Hintergründen. Woanders wiederum drängen sich die Kästchen derart in den Vordergrund, dass der Hintergrund nur noch liniengleich kapituliert. In noch anderen Bildern löst sich sogar das Viereck noch auf, wird zur Wabe, zum Vieleck, zum Kreis.
Tanzen aus dem Rahmen – die Vierecke von Berthold Grabmeier. Foto: Ines Wagner
Alle diese Bilder haben dennoch eines Gemeinsam: Sie basieren in jeglicher Hinsicht auf dem Rechteck. Es ist bestimmt in seinem Wesen durch die Senkrechte und die Waagerechte. Und damit hat es sehr viel mit dem Menschen zu tun. Denn der Mensch, der Erschaffende und der Betrachtende, ist ein vertikales Wesen, das sich in der horizontalen Welt bewegt. Wir empfinden die Horizontale als Basis.
Berthold Grabmeier lotet Quadrat aus
So ist das Rechteck letztlich eine Metapher für unsere Befindlichkeit, erläutert der Künstler Berthold Grabmeier. Der Gleichgewichtssinn des Menschen lotet den Gegensatz von senkrecht und waagerecht aus.
Jede klassische Bildkomposition bezieht sich auf das Grundgeviert. Der äußere Rahmen ist die Grenze, aber definiert zugleich auch die Projektionsfläche, wird mit Inhalt gefüllt.
Manchmal lösen sich auch die Vierecke auf. Foto: Ines Wagner
Berthold Grabmeier füllt die Projektionsfläche mit Vierecken und lässt ihnen Spielraum, auch den zur Veränderung. Er schleift und bemalt neu, ergänzt und verändert. Es ist, als gäbe es keinen Stillstand. Es gibt Viele gegen Wenige, große gegen Kleine. Hier überwiegt die Spannung, dort die Harmonie. Kontraste spielen eine große Rolle, stellen die Vierecke in Vorder- oder Hintergrund. Auf den Bildern kommunizieren die Vierecke miteinander, vor den Bilden die Betrachter.
Berthold Grabmeier läßt den Vierecken Spielraum. Foto: Ines Wagner
Anregung zur Diskussion gibt der Künstler den Besuchern reichlich mit, anhand der Fragen: Womit haben wir es nun zu tun? Ästhetische Objekte? Schönheit? Kunstwerke? Oder doch einfach Kastl?