Ode an Liebe und Sehnsucht
Klappstuhl-Lesung und Gespräch mit Autorenduo Robert Krause und Elena Hell, moderiert von Ines Wagner. Foto: Micol Krause
Lesung und Ausstellung
Bei der ersten Klappstuhl-Lesung im Grünen Raum in Bad Wiessee saß ein kongeniales Autorenteam auf der gelben Couch: Robert Krause und Elena Hell haben gemeinsam die Drehbücher für das Serienhighlight „SISI“ geschrieben und zwei Bestseller-Romane zum Film. Ihre zeitgemäße und freie Interpretation des Sisi-Stoffes begeistert weltweit insbesondere das junge Publikum. Im Rahmen der Ausstellung „Sehnsucht“ lasen die beiden aus Drehbuch und Roman.
Jeden Monat findet eine Ausstellung im Grünen Raum in Bad Wiessee statt. Die Klammer bildet jeweils das Thema „Sehnsucht“. Die derzeitige Ausstellung bestreitet die Miesbacher Künstlerin Katrin Hering mit ihren ästhetischen Papierarbeiten. Begleitet werden diese von Makrofotografien Robert Krauses.
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Papierkünstlerin Katrin Hering und Fotograf, Regisseur und Drehbuchautor Robert Krause. Foto: IW
Katrin Herings Sehnsuchtsort ist die Natur, etwa an einem Regentag auf der Alm. Robert Krauses Sehnsuchtsort hingegen ist die Kinoleinwand und der Fernsehbildschirm, kurz: der Film. Der Regisseur, Drehbuchautor und Professor für kreatives Schreiben an der Hochschule für Film und Fernsehen in München liebt es, Geschichten zu erzählen. Seit Jahren schreibt er quotenstarken Stoff für Kino und TV und coacht Autorinnen und Autoren beim Drehbuchschreiben.
Gemeinsam mit Autorin Elena Hell schrieb Robert Krause die Drehbücher zum Serienhighlight „SISI“ auf RTL+, die erste Staffel wurde 2021 ausgestrahlt. Parallel entstand der gemeinsame Roman zum Film „Sisi – Das dunkle Versprechen“ und aus der Feder von Elena Hell der zweite Band „Sisi – Verlangen und Verrat“. Die Bücher landeten rasant auf den Spiegel-Bestsellerlisten. Dass das Herantasten an ihre freien Interpretationen des Sisi-Stoffes eine große Herausforderung, ein unschätzbarer kreativer Raum, aber keinesfalls ein leichtes Unterfangen war, erzählte das Autorenduo bei der Klappstuhl-Lesung. Das moderierte Gespräch kam gut bei den Gästen an, nicht nur weil es einen Einblick in die Arbeitsweise ermöglichte, sondern weil offensichtlich war, wie leidenschaftlich beide ihre Arbeit lieben und sowohl das gemeinsame Sprudeln der Ideen als auch Reibung schätzen.
Robert Krause und Elena Hell erinnern sich vieler skurriler Momente. Foto: Micol Krause
Die Sisi des Autoren-Duos ist eine moderne junge Frau: selbstbestimmt, wagemutig, kämpferisch, lebenshungrig und verführerisch. An der Seite des Kaisers Franz Joseph, eines geheimnisvoll-abgründigen Mannes, wächst sie über sich hinaus und von einer in Freiheit erblühten jungen Frau in die Rolle der Kaiserin von Österreich hinein. Das zentrale Motiv ist die Liebe. Diese Sisi lässt nicht den Kaiser und ihr Schicksal auf sie zukommen, sie kämpft aktiv und selbstbestimmt dafür.
Gemeinsame Sprache finden
Insgesamt 24 Drehbücher haben sie zu den bisherigen vier Staffeln geschrieben – immer unter enormem Zeitdruck. Was beide verbindet: eine sehr disziplinierte Arbeitsweise, regelmäßige Arbeitstreffen morgens halb neun im Videochat, eine ähnlich neugierige und unkonventionelle Herangehensweise beim Entwickeln der Figuren und des Plots. Dabei seien viele Hindernisse zu überwinden gewesen, man hat gestritten und sich wieder zusammengerauft, bis jeder seinen Platz gefunden hat. Elena Hell hat schließlich für die gemeinsame Sprache gesorgt, nachdem das Projekt „jeder schreibt ein halbes Buch“ gescheitert war. Robert Krause hat zunächst die Drehbücher weiterentwickelt, während Elena Hell parallel den zweiten Roman schrieb, bis beide wieder zusammenfanden.
Marischka-Stoff und Abseitiges
Beim Entwickeln der Serie hätten sie immer wieder auch „Abseitiges“ mitgedacht. So entstand etwa die Idee, die in Liebesdingen unerfahrene Sisi selbstbewusst um Rat bei einer Person in einem Milieu suchen zu lassen, in das Frauen aus ihren Kreisen keinen Fuß setzen: ein Bordell. Gewagt und unkonventionell sind auch die ersten Szenen, mit denen die beiden Hauptpersonen Sisi und Franz eingeführt werden. Die Generation der 1955er-Verfilmung mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm reiben sich an dieser oder jener Stelle ungläubig die Augen. Historikerinnen diskutieren die Serie ob ihrer freien Interpretation kontrovers – spendieren aber auch großen Applaus. Bei der jungen Generation hat die Serie einen Sisi-Hype ausgelöst – und zwar weltweit.
Gemeinsamer Bestseller von Robert Krause & Elena Hell beim Rowohlt Taschenbuch Verlag. Foto: IW
Robert Krause, der wie jedes Thema auch dieses gründlich recherchiert hat, gab lachend zu, die Marischka-Verfilmung erstmals während des Entstehungsprozesses der zweiten Staffel angeschaut zu haben, während Elena Hell zu Hause die Sissi-Platin-Collection bereits im Regal stehen hatte. Als er anfragte, ob sie mit ihm das Drehbuch zu der geplanten Sisi-Verfilmung schreiben möchte, war Elena Hell hochschwanger. In jedem anderen Fall hätte sie „nein“ gesagt, aber mit Sisi hatte ihr ehemaliger Professor der Filmhochschule sie an der Angel. „Ohne meinen Partner wäre es nicht möglich gewesen“, sagt sie rückblickend und verweist auf das Arbeitspensum, dass sie an den Rand des Machbaren brachte – und auch die Beziehung als Autorenteam auf den Prüfstand stellte.
Stoff für weitere Staffeln
Vier Jahre nach Projektbeginn, umringt von einem kleinen, feinen Publikum, dass neugierige Fragen stellte und Rede und Antwort bekam, waren alle Mühen vergessen. Erleichterung war ihnen anzumerken, viele heitere Erinnerungen an kuriose und skurrile Momente des Schaffensprozesses – und neuer Tatendrang. Am liebsten würden sie gleich die Ärmel hochkrempeln, denn Stoff für zwei weitere Staffeln und neue Ideen aus der Rubrik „Abseitiges“ sind zur Genüge da. Wie sie da saßen auf der gelben Couch – eine gewisse Identifikation mit den Figuren war nicht auszublenden. Robert Krause zum Glück nicht so düster und zerrissen wie der Kaiser Franz Joseph, aber Elena Hell so aufgeweckt, willensstark und selbstbewusst wie die Kaiserin Sisi.
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Es war eine Premiere für das neue Format im Grünen Raum: Jeder Gast der Lesung sollte einen eigenen Klappstuhl mitbringen – der kleine Ausstellungsraum ist unbestuhlt. Die Idee der Klappstuhl-Lesung wurde zur Vernissage geboren und hat sich bewährt. Es passen nicht unendlich viele Gäste in den Raum, aber ein paar mehr hätten es durchaus sein dürfen. Der Rahmen ist persönlich und inspirierend und vielleicht greifen die nächsten Künstler die Gelegenheit auf und setzen das Format fort.