Arsen und Spitzenhäubchen

12 oder 13 Leichen?

Lucie Lechner und Judith Heimerl als Martha und Abby. Foto: Petra Kurbjuhn

Theater in Holzkirchen

Mit der schwarzhumorigen Komödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ hat das Sommertheater des Freien Landestheaters Bayern ins Schwarze getroffen. Unter der Regie von Markus H. Eberhard spielte das Ensemble im FoolsTheater genüsslich und facettenreich die Geschichte um die Familie Brewster.

Zwar konnte das Sommertheater nicht im Freien stattfinden, das aber tat der Begeisterung des Publikums keinen Abbruch, die Stimmung war großartig, der Applaus nahm kein Ende. Kein Wunder, die bekannte Komödie mit ihren geschliffenen Dialogen ist schon die halbe Miete, die zweite Hälfte aber, die Inszenierung des Stücks, ist überaus gelungen.

Markus H. Eberhard versteht es, aus allen Schauspielerinnen und Schauspielern neue Aspekte herauszuarbeiten. Star der Aufführung ist zweifellos Judith Heimerl. Zwar ist sie für die ältliche Tante Abby zu jung, aber mit ihrer professionellen Mimik und Gestik lässt sie das schnell vergessen. Souverän ist sie von ihrer Mission erfüllt, älteren Herren von ihrer Einsamkeit per vergifteten Wein zu erlösen und ihnen zum Frieden zu verhelfen.

Arsen und Spitzenhäubchen
Das Begräbnis soll gfeiert werden. Foto: Petra Kurbjuhn

Mit einer Liebenswürdigkeit ohnegleichen berichtet sie von ihren Leichen im Keller und mit großer Sorgfalt werden die entsprechenden Feierlichkeiten zum jeweiligen Begräbnis ausgeführt. Gerade jetzt ist das Dutzend voll, das muss gefeiert werden. An ihrer Seite ist Lucie Lechner Schwester Martha, mit ihrem Haardutt und der Häkelarbeit verkörpert sie glaubwürdig die alte Jungfer. Die beiden Damen agieren wunderbar synchron in ihren Bewegungen und haben die volle Sympathie des Publikums, das immer wieder Szenenapplaus gibt.

Arsen und Spitzenhäubchen
Turbulent gehts zu in der Familie Brewster mit Bernd Schmidt, Tony Kainz und Tom von der Isar (v.l.), ganz links Korbinian Langl als Dr. Einsetin. Foto: Petra Kurbjuhn

Tempo, Geräusch und Verrücktheit bringt Teddy in die Geschichte. Tom von der Isar spielt den übergeschnappten, aber harmlosen Neffen, der überzeugt ist, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein, mit großer Selbstverständlichkeit. Er bläst das Horn zur Attacke und gräbt sehr gern im Keller ein Grab nach dem anderen, sicher, dass er den Panamakanal bearbeitet.


Sonja Rupp als Elaine wirbt um Mortimer (Tony Kainz). Foto: Petra Kurbjuhn

Sehr normal indes ist Bruder Mortimer, Theaterkritiker. Tony Kainz kann dem Entsetzen darüber, dass die beiden liebenswürdigen Tanten zahlreiche Leichen im Keller haben, sympathisch Ausdruck verleihen. Darüber gerät die geplante Hochzeit mit Elaine ein wenig in den Hintergrund. „Ein Brewster sollte nicht heiraten“, meint er nach alldem, was er gerade von seiner Familie erfährt. Sonja Rupp ist ob des geminderten Interesses an ihrer Person verständlicherweise nicht sehr verständnisvoll und reagiert aufmüpfig.


Bernd Schmidt als Jonathan. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Handlung nimmt gehörig Fahrt auf, als der lange verschollene dritte Bruder Jonathan, der Chirurg werden wollte ohne Medizin zu studieren, auftaucht. Bernd Schmidt läuft in dieser Rolle des schwarzen Schafs der Familie, auch er ist stolz auf seine Leichen, zu Hochform auf. So hat man ihn noch nie gesehen, mit frankensteinscher Mimik verkörpert er das „ekelhafteste Wesen“, wie Mortimer ihn beschreibt, und der vor nichts zurückschreckt.


Die Brüder geraten aneinander: Tony Kainz und Bernd Schmidt. Foto: Petra Kurbjuhn

Mit seinem Komplizen Dr. Einstein, nicht Albert, sondern Hermann, seines Zeichens Schönheitschirurg, will er im Haus ein Hauptquartier eröffnen und gleichzeitig seine aktuelle Leiche, die 12. oder 13. beseitigen. „Es gibt kaum jemanden, der nicht ein neues Gesicht brauchen könnte“, meint er und will sich selbst nach der letzten missglückten Operation unters Messer legen.
Korbinian Langl spielt die Zweifel an dieser zwielichtigen Figur voll aus, seine Unsicherheit ist ihm anzumerken, am liebsten würde er fliehen, wohin aber mit der Leiche, der italienischen?


Korbinian Langl, Bernd Schmidt, Tony Kainz und Judith Heimerl (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn

Das Spektakel rund macht Detlef Dauer als Officer Klein. „Wir zahlen Steuern, damit uns die Polizei beschützt“, ist die feste Überzeugung unserer beiden entzückenden Damen und so wird der sympathische Polizist gern willkommen geheißen.


Detlef Dauer und Tony Kainz. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Inszenierung bekommt durch die Kostüme von Ingrid Huber und das Bühnenbild von Ingrid Huber und Lizzie Hladik eine besondere Note. Blumen überall, Spitzendeckchen überall. Vor allem die geblümten schwingenden Kleider von Abby und Martha sind mit ihren Petticoats Hingucker. Wolfgang Mattheusch ist für den aufwendigen Bühnenbau zuständig.

So ist die Aufführung von „Arsen und Spitzenhäubchen“ ein gelungenes Zusammenspiel von Optik und Schauspiel und gerät zu einem überaus empfehlenswerten, heiteren Theaterabend. Wie die Geschichte ausgeht? Nun, wer glaubt schon, dass zwei Damen 13 Leichen im Keller haben, so liebenswürdig wie die beiden sind?

Die nächsten Aufführungen von „Arsen und Spitzenhäubchen“ 21., 22., 29., 30. Juni, 4. und 6. Juli jeweils 20 Uhr, bei schönem Wetter im Freien. Karten unter der Webseite des KULTUR im Oberbräu oder Theaterkasse, Telefon 08024/478 505, dienstags und mittwochs 10 bis 12 Uhr, donnerstags, freitags 18 bis 19 Uhr, Abendkasse eine Stunde vor Beginn.

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