Alte Musik

Begeisterung für Alte Musik und ein tanzendes Europa

Alte Musik und Tanz gab es auf Gut Kaltenbrunn. Foto: MH

Konzert in Kaltenbrunn

Barockmusik und Tanzkultur standen beim Internationalen Musikfest am Tegernsee glanzvoll im Mittelpunkt. 13 Musikerinnen und Musiker der Akademie für Alte Musik Berlin boten gemeinsam mit Elke Kottmair als Sprecherin einen Querschnitt aus wunderbaren Melodien und Texten rund um den Tanz.

„Europa tanzt!“ war das Motto dieses Abends, bei dem nicht nur launig vom Tanzen erzählt, sondern sehr zum Vergnügen der Zuhörerschaft als Schlusspunkt eine kleine Schrittfolge mit Tanzmeister Yves Ytier und Sprecherin Elke Kottmair eingeübt wurde.

Von London über Wien bis nach Paris

Die Musiker starten ihre europäische Tanzreise in London mit Szenen aus Henry Purcells (1659-1695) Semi-Opera „The Fairy Queen“ nach Motiven von Shakespeares Sommernachtstraum. Zuvor aber gibt Elke Kottmair erste Einblicke in die Ausgestaltung eines Tanzsaals. Wie soll er sein? Schön, licht und hell, luftig und stark. „Man muss auch nicht ganz nüchtern sein, aber doch nicht allzu vollgefressen“, erklärt sie. Und schon beginnt Konzertmeister Georg Kallweit mit seinem Team mit flotten Rhythmen, die angelehnt an den Volkstanz, mit einprägsamer Gitarrenbegleitung und fröhlichem Spiel zwischen Geigen, Cello, Cembalo, Flöte und Kontrabass Akzente setzen.

In kleiner Besetzung geht`s weiter nach Wien. Johann Heinrich Schmelzer (1623-1680) verfasste Musik zu vielen Festveranstaltungen. Die „Arie con la mattacina“, rasant und pointiert, akkurat intoniert von den Violinen, beschreibt im Zusammenklang mit Cello, Gitarre und Cembalo musikalisch wilde Tänze und Bewegungen. Dazu trägt Elke Kottmair passende Textstellen vor, die diese „bäuerlichen, theatralischen, leichtfertigen“ Tanzbewegungen trefflich vor Augen führen. Pirouetten, künstliche Wendungen, Drehungen, mal Schreiten, mal Springen, allein oder mit mehreren Personen, alles kann die Musik effektvoll gestalten.

Alte Musik
In kleiner Besetzung. Foto: MH

Am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. wurde überaus viel und gern getanzt. Regelrechte Tanzspektakel wurden aufgeführt. Ob sich das höfische Publikum in Paris an die Regeln der Tanzhaltung hielt? „Füße immer weit auswärts setzen, Beine gerade, Unterleib zurück, Oberleib auswärts, Kopf in die Höhe“. So oder „so ähnlich wie ein geworfener Ball“ sollte in den vornehmen Kreisen getanzt werden. Jean-Baptiste Lully (1632-1687) war stets präsent als Tanzmeister und Komponist. Flinke Gitarrenklänge flirren dahin und verweben sich mit Streichern und Cembalo. Höchste Präzision und Genauigkeit im Zusammenspiel zeichnet die Akademie für Alte Musik Berlin aus. Seit der Gründung im Jahr 1982 hat sich das Ensemble dem Originalklang verschrieben und ist inzwischen längst eines der führenden Orchester in diesem Genre.

Lesetipp: Premiere: Europa tanzt

Mit Telemann, Vivaldi und Rebel zwischen Pizza und Kastagnetten

Was hat die geliebte Pizza Napolitana mit Georg Philipp Telemanns (1681-1767) kunstvoller Ouvertüren-Suite „Les Nations“ zu tun? Elke Kottmair weiß um die Verordnungen, um EU-Recht und dessen Umsetzung. Sie nennt die wichtigen Punkte der „Veröffentlichung des Rates über die garantiert traditionellen Spezialitäten bei Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln“. Witzig, spannend und humorvoll lässt sie das erheiterte Publikum daran teilhaben, ob es nun um Oregano oder Basilikumblätter, Größe und Dichte einer echten Pizza, pH-Werte für sauren oder basischen Charakter einer wässrigen Lösung oder anderen Vorschriften geht. Hauptsache, die
Pizza schmeckt. Genau wie die unterschiedlichen Protagonisten bei Telemann, deren eigenen Charaktere der Komponist treffsicher in Musik umsetzt.


Akademie für Alte Musik mit Sprecherin Elke Kottmair (Mitte). Foto: MH

Auf Frankreich folgt Italien, dann die heftig wirbelnden türkischen Derwische, die rasant auftrumpfen. Was die Musik alles beschreiben kann, ist bei diesem Stück mehr als deutlich zu hören. Da kommen die fröhlichen Schweizer zunächst munter daher, verlangsamen den Schritt und finden sich in den Echoklängen der Wiederholungen wieder. Danach tanzen die Moskowiter. Die Portugiesen folgen und präsentieren ihre Tänze, lebhaft, angetrieben von Klatschen und Stampfen.

Ungestüm und voller Begeisterung

Nun treten die Hinkenden und die Laufenden auf die Bühne. Zunächst bewegen sich die hinkenden Sportler gleichmäßig und ruhigen Schrittes, bis sie aus dem Tritt kommen. Phänomenal, wie Musik all die Bewegungen scheinbar leicht und unangestrengt ausdrückt. Schon kommen die Laufenden. Schier uneinholbar enteilen sie schnellen Schrittes mit rasanten Bogenstrichen.

Der barocke Tanz „La Follia“ findet seinen Weg zu Antonio Vivaldi (1678-1741), der seine Musik mit einem Gitarrensolo krönt, dem die Streicher unter Yves Ytier bereitwillig folgen. Ungestüm und voller Begeisterung für den fordernden Tanz entführt uns die Sprecherin mit ihrer Kastagnettenbegleitung in südliche Gefilde.

Wilde Tanzsucht

„Männer und Frauen laufen durcheinander, nebeneinander in wilder Tanzsucht. Sie tanzen zu jeder Zeit in vielerlei Art und Weise.“ Und wer weiß, was sie alles sehen und erfahren, fühlen und spüren. „Manche Jungfer hat gelernt, was ihr besser verborgen geblieben wäre“, zitiert Elke Kottmair wieder aus Gottfried Tauberts „Rechtschaffener Tanzmeister oder gründliche Erklärung der französischen Tanzkunst“ von 1717.

Die Reise endet mit den Charakterstudien des Tanzes, wie sie Jean-Fery Rebel (1666-1747) anschaulich in Szene setzt. Tanzvergnügen pur aus dem schier unerschöpflichen Repertoire des französischen Königshofes bietet Yves Ytier nun fast im Alleingang mit der perfekten Unterstützung seines Teams der Akademie der Alten Musik Berlin.

Ein Abend zum Genießen geht unter Bravorufen zu Ende. Nein, es gibt ja noch eine kurze Tanzstunde für alle Begeisterten im Publikum.

Am heutigen Montag, 8. Juli gibt es um 19 Uhr auf Gut Kaltenbrunn „Lesung mit Klaviermusik von Liszt und Wagner“ mit Thomas Thieme, Peter Lohmeyer und Hideyo Harada. Das gesamte Programm finden Sie auf der Webseite des Internationalen Musikfestes am Tegernsee.

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