Unterthalham

Das Dorf, das nicht mehr existiert

Das Wetter war den rund 50 Besuchern egal: sie wollten sich die Führung von Sepp Hatzl (l.) durch die Geschichte des verschwundenen Unterthalham nicht entgehen lassen. Foto: Martina Fischer

Historischer Spaziergang in Weyarn

Einst war es ein blühendes Dorf mit Mühlen, Papierfabrik, Sägewerk, Holzschleiferei, einem Bahnhof, Tourismus, Läden, Handwerksbetrieben, der Bahnhofswirtschaft „Bierhäusl“, Bauernhöfen und Häusern von Familien. Doch Unterthalham in der Gemeinde Weyarn existiert nicht mehr. Das Wasser der Mangfall hatte zu dessen Aufschwung geführt. Und das Potential des Wassers war auch der Grund seines Verschwindens.

„Unterthalham ist als Ort relativ schnell gewachsen und relativ schnell verschwunden,“ erklärte Sepp Hatzl, der 50 interessierten Zuhörern einen spannenden historischen Vortrag beim historischer Spaziergang des Fördervereins Kultur & Geschichte Weyarn bot. Aufgrund der Mangfall habe es schon lange viele Mühlen gegeben, etwa die Herrenmühle aus dem 13. Jahrhundert. Der Fluss bildete eine konstante Energiequelle. Ein wahrer Boom ergab sich aber mit dem Bau der Bahnlinie 1861. Widerstand aus der Bevölkerung gabs, wie ein historisches Dokument zeigt. Man glaubte der schnelle Zug könne das Gehirn beeinträchtigen und sich negativ aus das Vieh auswirken.

Unterthalham
Bahnhof, Post, Geschäfte und noch viel mehr fanden sich einst in Unterthalham. Repro: Sepp Hatzl

Mangfall und Bahn als Faktoren für den Aufschwung

Aber die Bahn wirkte sich positiv auf die Wirtschaftslage aus. Unter anderem für die große Papierfabrik war sie unabdingbar, anderes Gewerbe profitierte. Neben den Bauernhöfen gab es Handwerksbetriebe. Arbeiter bauten – oft unter großen Entbehrungen – Häuser. Die Bahn brachte scharenweise Touristen zum Taubenberg.

Unterthalham
Ansichtskarte, die den Tourismus in Unterthalham ebenso wie die Bebauung des Ortes belegt. Repro: Sepp Hatzl

Den Vorteil des Wasserreichtums im Mangfalltal erkannte man auch in München und begann ab 1883 Trinkwasser aus dem Gebiet in die Landeshauptstadt zu leiten.

Umleitung der Mangfall und Weltwirtschaftskrise führen zum Niedergang

Schwerwiegend waren die Umleitung von Mangfall und Schlierach 1928 in den Seehamer See zur Energiegewinnung für München. „Das Aus für die Betriebe war besiegelt“, meinte Sepp Hatzl. Schließlich waren die Papierfabrik und noch mehr die Mühlen vom Wasser abhängig.

Die Wasserrechte im Mangfalltal waren mit den Grundstücken verbunden. Also kaufte die Landeshauptstadt Zug um Zug das Gebiet auf. Begonnen wurde damit 1892. Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 wirkte als zusätzlich treibende Kraft. Betriebe gerieten in Schieflage und verkauften. Viele verloren ihre Arbeitsplätze. Die etablierten Geschäfte waren nicht mehr rentabel und schlossen. Der Ort verödete. Häuser und Betriebe wurden verkauft. Das Wasser und dessen Potential führte so sukzessive auch zu Thalhams Verschwinden.


Die Bahnhofswirtschaft „Bierhäusl“ wird abgerissen. Foto: Sepp Hatzl

Sepp Hatzls Vater war gebürtiger Unterthalhamer. Er erlebte das verschwundene Dorf in seiner Lebendigkeit und Betriebsamkeit, aber auch dessen Verschwinden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit. Von ihm erhielt sein Sohn einen historischen Schatz. Josef Hatzl senior schrieb seine Erinnerungen auf: an den Verkauf der Papierfabrik, an das Geschäft Eckart, das schließen musste, an die Postfiliale, die es schließlich nicht mehr gab. An Leute, die sich beruflich veränderten und deshalb weggingen, an Menschen die aus Geldnot weg mussten – viele individuelle Lebensläufe. Nach Veräußerung wurden die Gebäude, da sie sich im Wassereinzugsgebiet befanden, abgerissen. Es wurde leerer. „Man erkennt nicht mehr, dass hier Menschen auch einmal eine Heimat hatten“, formulierte Hatzl senior wehmütig.

Die mächtige „Herrenmühle“ bleibt bestehen


Die prächtige „Herrenmühle“ rettete nach langen juristischen Streitigkeiten der Besitzer mit München schließlich der Denkmalschutz. Foto: Martina Fischer

Die Besitzer des mächtigen Hauses beim „Herrenmüller“, das ursprünglich dem Weyarner Kloster gehörte, wollten den Verkauf ihres Anwesens unbedingt verhindern. „Sie haben sich mit Händen und Füßen gewehrt,“ berichtet Hatzl von langen Rechtsstreitigkeiten. Mit Erfolg. Alles verzögerte sich. Schließlich kam der Denkmalschutz dem Haus zu Hilfe, das beim historischen Spaziergang die letzte Station war. Und alle Führungs-Teilnehmer waren sich einig: es wäre zu schade gewesen, wenn das Gebäude mit der wundervollen Hauskapelle dem Erdboden gleich gemacht worden wäre.


Wundervoll: die Hauskapelle beim „Herrenmüller“. Foto: Martina Fischer

Wer noch mehr über die Weyarner Geschichte und Gegend erfahren will, hat dazu beim Jakobikirta in Gotzing am Sonntag, 21. Juli, von 10:30 bis 17:00 Uhr bestens Gelegenheit. Die Veranstaltung ist Teil der Dorfrunde Weyarn, bei der im Turnus einzelne Ortsteile vorgestellt werden. Beginn ist um 10:30 Uhr mit einem Gottesdienst in der Kirche St. Jakobus, musikalisch gestaltet durch den Kirchenchor Neukirchen. Eine Stunde später wird die Dorfrunde offiziell eröffnet und es besteht die Möglichkeit zu einem Schulhaus-Rundgang. Ab 13:00 Uhr beginnt die Kirchenführung mit Elisabeth Wöhr. Sportlich aktiv wird es bei der Familienwanderung durchs Farnbachtal zum höchsten Punkt der Gemeinde (14:00 Uhr). Über den besonderen historischen Schatz des Ortsteils – die Gotzinger Trommel – referiert der Miesbacher Stadthistoriker Alexander Langheiter ab 15:00 Uhr. Von naturkundlichem Interesse ist dann die Schmetterlingsführung (16:00 Uhr), die Biologe Henning Fromm anbietet.

Zum Weiterlesen: Das Weyarner Land in alten Ansichten

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