Er gießt die Königin
Hellrot leuchtet die flüssige Bronze, wenn der Bildhauer Richard Agreiter gießt. Foto: IW
Kultur am Achensee
Der Kulturverein Achensee feiert sein 30-jähriges Bestehen und Ehrenmitglied Prof. Richard Agreiter gießt aus diesem Anlass eigenhändig 30 Königinnen. Der Erlös aus dem Verkauf der Bronzeskulpturen kommt dem Kulturverein zugute. Doch das ist längst nicht alles, was es zu feiern gibt: Im August wurde der Steinberger Bildhauer mit dem Verdienstkreuz des Landes Tirol geehrt.
Etwa 1.100 Grad Celsius heiß ist die Bronze, wenn Richard Agreiter einen Moment lang die Zeit anhält, um ganz in die Konzentration zu gehen und sich auch von den sommerlich gekleideten Damen und Herren, die ringsum ihn stehen und das Spektakel mit neugierigen Blicken verfolgen, nicht ablenken zu lassen. Beim Bronzeguss muss jeder Handgriff sitzen, denn mit der hellrot glühenden, flüssigen Bronze ist nicht zu spaßen.
Grüne Flammen schlagen aus dem kleinen Ofen, in dem die Bronze glüht. In Flammen stehen die Formen, nachdem die flüssige Metalllegierung eingefüllt wurde. Hellrot ist der Widerschein auf dem Visier, das Professor Richard Agreiter zum Schutz seines Gesichts trägt. Und an der Brust trägt er … zwei Orden. Als wären sie Teil seines Arbeitsgewandes, und sind es ja irgendwie auch. Denn dem Tiroler Künstler sind jedweder Dünkel oder Etepeteten fremd. Die Orden hat er des Festes wegen angelegt. Aber jetzt wird gearbeitet und das hat Vorrang. Also Ärmel hochgekrempelt und los geht’s. „Am Ende beweist sich, was man tut, nicht welchen Titel man trägt“, meint er.
Richard Agreiter ist in seinem Element. Foto: IW
Es ist Samstag in Steinberg im Rofan und der Kulturverein Altes Widum Achenkirch feiert Sommerfest. Vor allem lassen der Obmann des Vereins und promovierte Kunsthistoriker Reinhard Obermeier und die Gäste den Bildhauer und Hausherren im „Haus Gana“ hochleben: Professor Richard Agreiter ist Ehrenmitglied. Zum 20-jährigen Jubiläum hat der Steinberger Künstler bereits zwanzig Könige gegossen und der Verein aus dem Verkaufserlös den Flügel für den Gerhard-Bosak-Saal im Alten Widum angeschafft. Damals war er 74 Jahre alt, heuer hat er seinen Vierundachtzigsten gefeiert. Und nicht nur diesen. Am 15. August durfte „der Herr Professor“ das Verdienstkreuz des Landes Tirol vom Landeshauptmann Anton Mattle entgegennehmen.
Dass ihn das ungemein freut und zugleich auch nicht so wichtig ist, lässt sich womöglich daran ablesen, dass Richard Agreiter sich im vollen Ornat an die schwere Gießarbeit macht: An einer Kette um den Hals trägt er den Verdienstorden Südtirols und an die Brust geheftet das Verdienstkreuz von Tirol, „des Gleichgewichts wegen“, lacht er. Die Königin misst gute 17 Zentimeter, ein Kilo Bronze bringt sie auf die Waage. Die flüssige Bronze gießen Richard Agreiter und sein Nachbar Hubert mit einer Kelle in die Formen. Nie käme ihm in den Sinn, den Bronzeguss etwa einer Gießerei zu überlassen. „Das Gießen kommt einem Geburtsvorgang gleich“, sagt er, „das gibt man nicht aus der Hand“.
Zwei frisch gegossene Königinnen erkalten. Foto: IW
Vom künstlerischen Konzept bis zur handwerklichen Ausführung macht der Steinberger Künstler von jeher komplett alles selbst – nicht selbstverständlich, wenn man den enormen Kraftaufwand des Gießens und auch sein Alter betrachtet. „Wer gern arbeitet, arbeitet gut“, ist seine Überzeugung. Richard Agreiter kennt den Bronzeguss in- und auswendig. Besondere Aufmerksamkeit widmet er der Patina. Entscheidet, ob sie so bleibt, wie sie beim Guss zufällig entsteht oder ob er sie nachbehandelt oder gar poliert wird. Jede Königin ist ein Einzelstück, manche sind dunkler, fast schwarz, andere schimmern bläulich, die Bronze schimmert durch. Königlich golden glänzt indes später die Krone – sie wird von Hand herausgearbeitet.
Richard Agreiter beim Sommerfest – neben ihm seine Frau Ghislaine. Foto: IW
Richard Agreiters Königin ist Ghislaine, sein Lebensmensch, seine Gefährtin durch dick und dünn. Sie hat ihm all die Jahrzehnte den Rücken freigehalten für die Kunst. Sie freut sich mit ihm über seinen Erfolg und über seine Freude an der Arbeit. Die Bronzefiguren des Königs und der Königin sind Teil der Figuren eines Schachspiels. Wer Richard Agreiter in seinem erstaunlichen Werkstatt- und Ausstellungsräumen in Steinberg besucht, entdeckt diese und unzählige andere Skulpturen oder Modelle noch viel größerer Bronzeskulpturen, die etwa in Belgien, Deutschland und Österreich an prominenten Stellen stehen.
Richard Agreiter sprüht vor Energie und Wortwitz. Foto: IW
Bodenständig ist er geblieben. Ein Mann der Arbeit, der Kunst und auch der Lebenskunst. Hat sich nicht angebiedert und nicht verbogen. „Es geht mir so gut“, lacht er, „dass ich mir Anstand leisten kann“. Und macht keinen Hehl daraus, dass er sowohl der „starrköpfigste“ als auch „der Beste“ unter den Tiroler Bildhauern ist. „Wenn du es den Leuten nicht sagst, dass du der Beste bist“, meint er lachend zu jungen Kollegen, „wissen sie nicht, mit wem sie es zu tun haben“.
…zeigt beim Werkstattbesuch das Tiroler Verdienstkreuz. Foto: IW
Mit dem Tiroler Verdienstkreuz würdigt nun auch die Landesregierung sein besonderes Engagement für das Land und die Mitbürger, als leuchtendes Beispiel einer lebendigen und solidarischen Gemeinschaft. „Die Südtiroler waren schneller“, zwinkert der Künstler, der aus Ladinien stammt, „jetzt ist das Gleichgewicht wiederhergestellt“. Das ist jetzt wichtig, beim Gießen darf er nicht etwa im entscheidenden Moment das Gleichgewicht verlieren. Ein Prometheus, archaisch, vom Feuer und der 1.100-Grad-Hitze beschienen, der an den Ruhestand noch längst nicht denkt.
Zuerst einmal wird er die 30 Königinnen fertig gießen und ist glücklich, dass er in Hubert einen tatkräftigen Unterstützer bei der schweren Arbeit gefunden hat. Dann wird er den riesigen Adler für Südtirol fertigstellen, an dessen Modell er in seiner Werkstatt arbeitet. Und dann ist da noch die Sache mit dem Atelier- und Werkstattzentrum, welches er in Steinberg plant. „Haus Gana“ soll künftig ein Ort der Begegnung und des Lernens sein, an dem entworfen und Bronze gegossen und sein künstlerisches Werk weitergeführt wird. Große Pläne! Aber da lacht er schon wieder ansteckend. Und sein Alter, das steht ohnehin nur auf dem Papier.
Lesetipp: Porträt Richard Agreiter in der 38. Ausgabe der KulturBegegnungen