„Kaisersuite, 1. Stock“ – ein Geniestreich
1. Szene. Foto: Petra Kurbjuhn
Theater in Tegernsee
Welch großartige Idee und welch großartige schauspielerische Leistung! Die Uraufführung des Tegernseer Volkstheaters mit dem neuen Stück von Andreas Kern im KulturZelt in Tegernsee fand tosenden Applaus. Zu Recht, denn was Nicola Pendelin, Stephan Leitmeier und Andreas Kern in jeweils fünf Rollen zeigten, war grandios.
Die Uraufführung fand als erste Veranstaltung im neuen KulturZelt im Kurgarten statt, angenehm wohlig warm, mit Bewirtung, eine gelungene Ausweichstätte für das gebeutelte Tegernseer Volkstheater.
KulturZelt im Kurgarten. Foto: Petra Kurbjuhn
Die Idee des Autors ist so einfach wie brillant: Man nehme ein Jagdschloss und lasse die Erlebnisse in einer Suite über mehr als 100 Jahre in fünf Szenen Revue passieren. Die Suite bleibt nahezu dieselbe, nur das Telefon wird der Zeit angepasst. In den Spielpausen ertönt die Stimme von Mona Freiberg, die in die historischen Gegebenheiten mit den jeweiligen Protagonisten einführt.
Zudem erklingt als Verbindungsglied immer wieder „O du lieber Augustin“, ergänzt durch eine Melodie der Zeit, vom Radetzkymarsch 1918 über Flower-Power bis hin zum aktuellen Hit.
In dieses Setting hinein platziert Andreas Kern seine humorvollen Geschichten um die Familie des Fürsten Ehrenfried zu Treulos, immer wieder gewürzt mit Seitenhieben auf lokales Geschehen, etwa kommt ein Herr Haslberger im Stück vor, im Tal bestens durch seine Saurüsselalm bekannt.
1. Szene. Foto: Petra Kurbjuhn
Er karikiert aber auch parteipolitische Auswüchse einer sogenannten KSU, die sich gegen die Friedenbagage ausspricht, in Bayern brauche man so etwas nicht.
Der Schauspieler Andreas Kern kann aber auch aktuelle Vorkommnisse geschickt in das Spiel einbauen, so geschehen, als eine Türklinke im Eifer des Geschehens herunterfällt oder als ein Kleinkind im Publikum zu schreien beginnt.
1. Szene. Foto: Petra Kurbjuhn
Zurück ins Jahr 1918, als der Fürst vor den Revolutionären fliehen muss, vorher aber ganz gern noch das Zimmermädchen vernaschen würde. „Was haben wir dem Volk getan, dass es so harsch mit uns umgeht“, sagt er bevor er durchs Fenster entfleucht.
1929 will ein windiger österreichischer Filmproduzent auf dem Jagdschloss eine Produktionsfirma errichten und die Fürstin die Hauptrolle in seinem Film spielen lassen. Eine köstliche Szene, in der der Stallknecht den Verehrer mimen soll. Der schwarze Freitag macht dem ganzen Vorhaben ein abruptes Ende, alles ist hin.
2. Szene. Foto: Petra Kurbjuhn
In den drei weiteren Szenen ist aus dem Jagdschloss ein Hotel geworden. Die Szenen zeigen in gekonnter Persiflage das Aufwärtsstreben eines Metzgers, der seine Tochter zur Fürstin machen will, das Aufeinanderprallen unterschiedlicher politischer Positionen in Sachen Atomkraft und letztlich die Beinahe-Übernahme des Schlosses durch eine Friseuse. Aber „der Adel findet immer einen Ausweg“.
Andreas Kern karikiert in seinem Stück „Kaisersuite, 1. Stock“ köstlich seine 15 Protagonisten, die Dialoge sind nicht nur spritzig, sondern inhaltsreich, die Inszenierung unter seiner Regie ist gewohnt temporeich und voller witziger, auch spontaner Ideen.
3. Szene. Foto: Petra Kurbjuhn
Eine Glanzleistung liefern die drei Schauspieler, die sich in Windeseile zwischen den Szenen umziehen müssen. Nicola Pendelin spielt das kokette Zimmermädchen, das den Fürsten gescheit Küssen lehrt, die etwas in ihrer Schauspielrolle hilflose Fürstin und die Metzgerstocher, die an den Fürsten verschachert werden soll, ebenso professionell wie die Antiatomkraftvertreterin. Ihre Glanzrolle hat sie im letzten Stück als Jenny-Bunny, der exaltierten, pausenlos Videos drehenden Friseuse mit ordinärem Neudeutsch-Slang.
5. Szene. Foto: Petra Kurbjuhn
Stephan Leitmeier ist eingangs ein leicht dümmlicher blasierter Aristokrat, dann ein bemühter Stallknecht Fridolin, ein gewiefter Fürst, der sich mit Witz gegenüber dem unlauteren Investor stellt. Als KSU-Politiker und Vertreter der Staatsregierung Klo wirkt er einigermaßen lächerlich und schafft es im letzten Stück durch neue interessante Verbindungen das Schloss zu erhalten. In jeder Rolle authentisch und bühnenpräsent.
3. Szene. Foto: Petra Kurbjuhn
Andreas Kern kann als dienstbeflissener Hofherr im Frack, als Filmproduzent Artur mit Wiener Schmäh und als sogenannter schottischer Graf, aber eigentlich Metzgermeister Miller aus Untergiesing sein schauspielerisches Können ausleben. Mit Lockenperücke brilliert er als Kunsthistoriker, der die Hotelleitung vorübergehend inne und Probleme mit dem Buchungssystem hat und ist ein aalglatter Anwalt in der letzten Szene.
Alle drei extrem wandlungsfähig, alle drei in ihren fünf Rollen glaubwürdig ebenso wie witzig, ergänzt durch die passende Kostümierung.
Andreas Kern. Foto: Petra Kurbjuhn
Bei der ersten Veranstaltung im KulturZelt im Kurgarten Tegernsee bedankte sich Andreas Kern bei der Stadt für diese Aufführungsmöglichkeit des Tegernseer Volkstheaters, nachdem der Ludwig-Thoma-Saal geschlossen werden musste. Auf Anfrage in der Pause informierte Bürgermeister Johannes Hagn, dass das KulturZelt jetzt drei Monate von der Stadt finanziert zur Verfügung steht und voraussichtlich auch im kommenden Herbst noch einmal für drei Monate errichtet wird. Es steht neben dem Tegernseer Volkstheater auch für das Bergfilmfestival zur Verfügung.
Beim Schlussapplaus mit Christina Kern. Foto: Petra Kurbjuhn
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