Zusammen! Angst besiegen und Hoffnung schöpfen
Freuten sich gemeinsam über die gelungene Eröffnung der Themenwoche „Angst und Hoffnung“ (v li.): 2. Stellvertretende Landrätin Ulrike Küster, Selina Benda und Monika Ziegler von KulturVision, Stephanie Kilian, Leiterin der Miesbacher Stadtbücherei, Fotoredakteurin Petra Kurbjuhn und Dr. Anton Lentner von der Hubertus-Altgelt-Stiftung. Foto: Hartmut Wolf
Themenwoche Angst und Hoffnung
Mit einer bewegenden Lesung startete am vergangenen Freitagabend, 11.Oktober 2024, im Bunten Haus in Miesbach die Themenwoche „Angst und Hoffnung“ – ein einzigartiges, hochaktuelles und gesellschaftlich relevantes Projekt im Landkreis Miesbach.
Beschwingter Auftakt
Es war eine erwartungsvolle Gruppe, die sich ab 19.00 Uhr im hellerleuchteten Saal des evangelischen Gemeindehauses einfand. Getränke standen bereit und appetitliche Häppchen waren vorbereitet, die Stimmung war angeregt. Und doch konnte man spüren, dass eine gewisse Spannung in der Luft lag, fragten sich doch einige der über zwanzig Gäste, was sie erwartete – schließlich mochte sich unter dem Namen „Leopoldine“ vieles, vielleicht sogar Beängstigendes verbergen?
Doch schon als die ersten Töne des Beatles-Songs HELP erklangen – mit vitaler Kraft interpretiert von der jungen Gruppe „Watching the Cat“ – war erkennbar, dass der Abend viel Positives bereithalten würde.
Monika Ziegler sagte denn auch anschließend zur Begrüßung: „Ich habe noch nie bemerkt, wie viel gute Laune der Titel macht. Aber es steckt eben eine Weisheit darin. Denn Hilfe kommt immer – und oft dort, wo man sie am wenigsten erwartet.“
Anschließend fasste sie noch einmal in knappen Worten die Entstehungsgeschichte der Woche zusammen, die mit 14 klug ausgewählten Veranstaltungen und vielen wertvollen Partnern den Samen der Hoffnung in den Nährboden der Angst legen will, die unser Leben überschattet und die Gesellschaft zunehmend dominiert.
Lesetipp: Angst und Hoffnung
Spürbarer Zusammenklang zwischen den Veranstalterinnen und ihrer langjährigen Begleitband „Watching the Cat“. Foto: Hartmut Wolf
Gute Gedanken mitnehmen
Den Mut der Initiatorinnen – KulturVision e.V. und die Miesbacher Stadtbücherei – und die großherzige Unterstützung des Sponsors (Hubertus Altgelt Stiftung) ein so großes Thema anzugehen, lobte Ulrike Küster. Die 2. stellvertretende Landrätin sagte: „Gerade in der dunklen Jahreszeit werden Ängste vermehrt wach. Umso wichtiger ist es, über sie zu sprechen und Hoffnung zu suchen. Viele Wege dazu bietet die Themenwoche an. Man kann über Gefühle sprechen in der Schreibwerkstatt, beim Märchenerzählen, im Gesprächskreis und beim Vortrag… Und was sich nicht in Worte fassen lässt, kann man vielleicht mit Farben, Formen und Musik gestalten. Oder man erlebt die Hilfen, die Meditation und Glauben geben, neu.“ Mit der Hoffnung, dass viele Menschen die vielfältigen Angebote annehmen, Gutes erleben und es weitergeben, machte sie das wichtige Anliegen der Woche noch einmal deutlich.
Ulrike Küster, 2. Stellvertretende Landrätin bei ihrem Grußwort im Bunten Haus in Miesbach . Foto: Hartmut Wolf
Die Angst auf ihren Platz verweisen
Mit viel Schwung stellte sich Miesbachs zweite Bürgermeisterin Astrid Güldner dem Thema Angst: „Angst ist ein schlechter Ratgeber. Statt eine schwierige Situation in Ruhe zu betrachten, Abstand zu gewinnen und eine Lösung zu suchen, will man oft nur weg“, brachte sie Gefühle auf den Punkt, die wir alle nur zu gut kennen. Dabei sei Angst wichtig, weil sie uns warne, auf Grenzen aufmerksam mache. Doch Angst ist in unseren Zeiten in vielen Formen allgegenwärtig – in den Medien, auf den Social-Media-Kanälen. Und dort geht es nicht um konkrete Situationen, die Angst machen. Vielmehr werden diffuse Ängste geschürt, gegen die Menschen machtloser sind, weil man sie nicht greifen kann. „Lassen Sie uns die Dinge wieder gemeinsam in die Hand nehmen, sonst geht unserer Gesellschaft die wichtige Fähigkeit, handlungsfähig zu bleiben, Ziele und Lösungen zu finden, verloren.“ Astrid Güldner lobte das „tolle Programm“, das Raum schaffe, um Hoffnung zu schöpfen.
Miesbachs 2. Bürgermeisterin Astrid Güldner wünscht sich viel Engagement gegen die Ängste in der Gesellschaft. Foto: Hartmut Wolf
Angst gehört zum Leben
Mit ihrem zweiten Stück, einer Variation der Musik aus dem Film „Eine neue Hoffnung“, nahmen die Musiker die Zuhörer mit auf eine interessante Klangreise. Denn die Melodie, die schwungvoll begann, glitt weiter zu leisen und sehr dunklen Tönen und machte so fühlbar, dass das Leben zwei Seiten hat und dass beide ihren Platz brauchen, damit es vollständig ist.
Ein Buch in Briefen
Dann lüftete Monika Ziegler das Geheimnis um Leopoldine, der alten Waldviertler Bäuerin war der erste Band der edition miesbach gewidmet. Für das erste Buch ihrer Reihe hatte Kulturamtsleiterin Isabella Krobisch damals Leopoldine Litschauer fotografiert und Monika Ziegler schrieb – auf Anraten von Regisseur und Drehbuchautor Celino Bleiweiß – zu den Bildern einen Briefroman, der eine Hommage wurde an diese Freundin, die in ihrem Leben zu einem Zeitpunkt auftauchte, als sie Hilfe brauchte.
Die wahre Geschichte beginnt mit einem Brief, in dem Monika Ziegler schildert, wie sie und ihr Mann das Haus im Waldviertel erwerben.
Schauspielerin Theresia Benda und Monika Ziegler lesen mit verteilten Rollen aus der Erzählung „Leopoldine“. Foto: Hartmut Wolf
Unsere Hoffnung und Wünsche
Er ist zunächst gar nicht begeistert, findet eine Menge Einwände, er wehrt sich geradezu gegen dieses Haus: „Zu abgelegen, zu gut erhalten – was soll ich den ganzen Tag tun, zu teuer…“, sagt er. Doch Monika hat seit vielen, vielen Jahren einen Traum: Ein Haus, ein eigenes Haus für sich und die Familie. „Der schönbrunner-gelbe Dreiseiter-Hof mit Scheune, Stadel, den Obstbäumen, dem schönen Innenhof… Ich habe mich in ihn verliebt.“ Und ihr Mann, frisch pensioniert, gibt nach, macht sich daran, Land und Haus zu bearbeiten. Beide wollen Wurzeln schlagen im Waldviertel, von dem man sagt, es sei dort acht Monate kalt und vier Monate Winter, ein weites Land, in dem der nächste Nachbar mindestens 500 Meter entfernt ist.
Eher beiläufig nimmt Monika ihre Nachbarin zunächst wahr: „Eine schmale Frau mit Kopftuch und Kittelschürze, die mit dem Rechen das Gras am Feldrain zusammensammelte… Ich winkte, und sie winkte zurück“, schreibt Monika Ziegler.
Was das Leben uns lehrt
Der Anfang in der neuen Heimat gestaltet sich zunächst traumhaft, doch dann erleidet Monikas Mann einen Unfall. Nach Monaten des Hoffens und Bangens darf er das Krankenhaus verlassen. Er kommt wieder nach Hause. Doch er ist verändert, beim Sturz wurden Teile des Gehirns beschädigt. „Ich war der Verzweiflung nahe“ liest Monika Ziegler und jeder im mucksmäuschenstillen Publikum fühlt: „Das ist kein hingeschriebenes Wort, das ist gelebt.“
Doch Leopoldine hilft. Sie schreibt an Monika, erzählt von ihrem eigenen Leben: 1914 geboren ist sie eins von acht Kindern, vier Geschwister sterben früh. Sie arbeitet auf dem Hof der Eltern mit, heiratet 1938. Ein Jahr später beginnt der Krieg. Die junge Frau, die sich nach einer Familie sehnt, bleibt mit den Schwiegereltern allein auf dem Hof. Arbeitet. Im Stall. Auf dem Feld. Im Haus. Ihr Mann kommt als einziger aus dem Dorf lebend zurück. Doch sie hat sich bei einem Hochwasser erkältet: Die Gebärmutter musste entfernt werden. Aus ist der Traum von Kindern und einer Familie.
Gebannt folgten die Zuhörer der bewegenden Erzählung. Foto: Hartmut Wolf
Das Wesentliche erkennen
In ihren eigenen, einfachen Worten erzählt Leopoldine das alles und auch, wie es weiterging und wie sie mit der Nichte Maria doch noch zu einem Kind kam. „Sie war eins von den acht Kindern meiner Schwester… Ich habe die Maria geliebt und sie mich.“
So schreiben die Frauen einander Briefe, sie erzählen von der Kindheit und Jugend, finden viele Gemeinsamkeiten, obwohl Jahre, Ausbildung und politische Systeme sie trennen.
Vieles, was Monika, die ihren kranken Mann vier Jahre pflegt, quält, ist für Leopoldine leicht. „Es is eben aso“, sagt die alte Bäuerin und erzählt, dass sie jeden Abend betet. Ein ganzes Leben lang. Immer besser verstehen beide, was ihre wahren Werte sind: Nicht Geld, sondern das Leben bestehen.
Mit ihrer Musikauswahl begeisterte die Band „Watching the Cat“ alle Anwesenden, rechts Astrid Güldner. Foto: Hartmut Wolf
Warum wir Kunst und Kultur brauchen
Ehrlich sind diese Texte und unverfälscht – wunderbar gelesen von Theresia Benda (Leopoldine) und Monika Ziegler selbst – und so geschieht an diesem Abend etwas, das erklärt, warum Kunst und Kultur die besten Waffen gegen Angst sind, warum sie Hoffnung geben können: In dieser Geschichte gehen zwei Frauen gemeinsam durch einen Teil ihres Lebens. Sie mögen sich. Sie stützen einander, sind füreinander da.
Die Zuhörer gehen mit, leben innerlich mit, vergessen sich selbst. In der griechischen Tragödie wird dieses Geschehen als Katharsis bezeichnet: Die Reining des eigenen Selbst durch die Identifikation mit dem Helden, der Freuden, Schmerzen und die geheimnisvollen Windungen des Lebens erlebt, überwindet und zu sich selbst findet. Und wer so gelebt hat, der kann es auch ruhig beenden. So ist es zum Schluss Leopoldine, die nichts mehr essen und trinken kann, immer schwächer wird und die Augen für immer schließt.
Gute Gespräche schweißen die Gesellschaft im Großen wie im Kleinen zusammen und lassen einen Abend positiv ausklingen . Foto: Hartmut Wolf
Tiefer gehen – Dinge verstehenl
Dabei schenkt der Abend spürbar Hoffnung – und nicht nur das: Es gibt einen magischen Moment, denn als Sänger Andreas den Song „Fear in the Dark“ der wilden amerikanischen Hardrock Band Metallica anstimmt, ist die Angst auf einmal doch ganz nahe.
Als seine markige Stimme die angstvollen Gefühle eines Mannes heraufbeschwört, der im Dunklen auf einer einsamen Straße geht, läuft es einem kalt den Buckel herunter. Und da ist sie auf einmal – die dunkle, seltsam prickelnde Faszination der Angst, die uns alle schon als Kinder gebannt den Märchen und Schauergeschichten lauschen lässt.
Und genau davor sollten wir uns wappnen, damit sich unsere Gesellschaft nicht in ihrem Netz verfängt. Wer also die Zeit hat, sollte zu den Veranstaltungen dieser Woche gehen. Sie sind bereichernd, klärend, stärkend. Und sie machen Freude, wie die schöne Ballade „High Hopes“ von Pink Floyd, mit der „Watching the Cat“ die Anwesenden zu gemeinsamen Gesprächen entlässt. Gestärkt an Leib und Seele kann man dem Leben und seinen Aufgaben mit neuer Hoffnung begegnen – wissend, dass keiner von uns alleine ist.