Günter Reinhardt

Vom Medium zur Botschaft

Günter Reinhardt vor den Arbeiten aus dem Hungertuch. Foto: MZ

Ausstellung in Neuhaus/Schliersee

Mit der Ausstellung „Spuren und Zeichen“ von Günter Reinhardt präsentiert der Schlierseer Künstler Georg Brinkies wieder eine inspirierende und hochqualitative Werkschau in seiner Galerie freihand. Müssen Zeichen eine Bedeutung haben oder können sie als Spuren gelesen werden?

Günter Reinhardt bezeichnet sich als grafischer Bildhauer. Der gelernte Grafiker und Keramiker studierte Bildhauerei an der Münchner Akademie der Bildenden Künste. In der Galerie seines Studienfreundes Georg Brinkies in Neuhaus ist jetzt ein Ausschnitt aus seinem gesamten Schaffen, das Steinskulpturen, Keramiken, Malerei und Grafik umfasst, zu sehen.

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In Mischtechnik sind die vier Bilder gearbeitet, in denen Schriftzeichen mit dem breiten schwarzen Pinsel aufgetragen sind. „Ab wann wird ein Zeichen zur Bedeutung?“ fragt der Künstler. Ihn interessiere der Übergang, wie entstehen die Dinge, die wir tun, mit denen wir Spuren hinterlassen.

Von Zeichen zu Spuren

Schrift habe die Aufgabe Sprache darzustellen, könne sich aber von dieser Aufgabe lösen. In diesem Fall seien Schriftzeichen künstlerische Gestaltungsmittel. Damit würden die so von ihrer Sinnhaftigkeit befreiten Zeichen zu absichtlichen oder unabsichtlichen Spuren menschlichen Tuns und wandelten sich vom Träger von Informationen zu Spuren ohne bestimmten Auftrag.

Diese vier Grafiken entstammen einem Hungertuch, dem Tuch, das in der Fastenzeit über den Altar gehängt wird. Er habe in dieser meterlangen Arbeit die Verdichtung von Zeichen schrittweise bis hin zu digitalen Zeichen verfolgt und sich damit der Frage gestellt, was passiere, wenn man die analoge Kultur der Zeichen auf 0 und 1 reduziere.

Günter Reinhardt
„Präambel“, „Tunika“, „Small square“ (v.l.). Foto: MZ

Auch die Keramiken an der Wand befassen sich mit Schriftzeichen. „Präambel“ nennt der Künstler die Arbeit ganz links und der Betrachtende ist bemüht, eine Bedeutung aus dem Zeichen herauszulesen, erfolglos. „Ich biete keine Lösung an“, sagt Günter Reinhardt, gehe man zum Informellen, sei nur noch eine Idee vorhanden.

Mit Genehmigung des Künstlers folgt hier eine poetische Assoziation von Wilhelm Deinert:

Günter Reinhardt

Auf dem Tisch stehen kleine und mittlere Skulpturen aus Stein, Schiefer und Keramik. Sie enthalten Ritzen und Zeichen, Spuren also seines künstlerischen Tuns. Günter Reinhardt erinnert an alte Kulturen, etwa Schalensteine, in die Zeichen eingeritzt wurden. „Und wir wissen nicht, was sie sagen wollten.“


Skulpturen. Foto: MZ

In die drei Arbeiten aus Schiefer hat der Künstler kreisrunde Zeichen eingebracht. Dahinter ist „Boatpeople“ zu sehen.


o.T. und „Boatpeople“. Foto: MZ

Eine Arbeit aber hat eine Bedeutung, er nennt sie „Boatpeople“. Sie allerdings ist absichtslos entstanden, als er in eine Spalte Blei hineingegossen hat. Spuren, Zeichen unserer Zivilisation.

Dazu gehören auch die ovalen schlichten Keramikmasken, in die der Künstler ganz kleine Zeichen eingebracht hat. Wir sind unterschiedlicher Ansicht wie herum sie aufgehängt werden sollen. Es liegt wie immer im Auge des Betrachters, nicht nur Schönheit, sondern auch die Aussage, die wir einem Kunstwerk zusprechen. Ein Pendant zu den Masken sind die mit Graphit und Wachskreise gefertigten Physiognomien.


„Partitur I und II“, in der Mitte „zweisprachig“. Foto: MZ

Zwei Partituren mit Graphit gezeichnet rahmen einen zweisprachigen Digitaldruck ein. Wir fragen uns, ob sich ein Musiker an diese Notenzeichen wagen würde, die sich ebenso wie die anderen Schriftzeichen einer Interpretation entziehen. Die linke Partitur scheint eine Musik zu sein, die langsam leise ausklingt, etwa wie Haydns Abschiedssinfonie.

In dem Digitaldruck hat Günter Reinhardt einen zunächst zweisprachigen und lesbar verfassten Text so weit verfremdet, dass nicht nur die Zeichen bedeutungslos werden, sondern auch die Zeilenabstände ein völlig neues Bild ergeben, fern jeder Ordnung.


„Durchblick“. Foto: MZ

Die Werkschau Günter Reinhardt wird ergänzt durch drei große Stelen, zwei in Stein, eine in Holz. „Am Ende ein Traum“ nennt er die Marmorsäule, aus der er das Innere frei gelegt hat und sagt: „Vielleicht hat jemand hier die Zeichen herausgeklopft.“ Daneben ist die absichtslos gefertigte Keramik mit dem Titel „Anfang“ platziert. Das Hirn, das Assoziationen mag, entdeckt einen Embryo.

Den Zeichen nachgehen

Eine zweite Marmorstele steht im Wintergarten und heißt „Durchblick“, auch hier ist in das Innere hinein und hindurch gearbeitet.

Die Ausstellung „Spuren und Zeichen“ ist eine gelungene und sehenswerte Einladung, den Zeichen nachzugehen, sich mit dem Künstler von deren Bedeutung zu lösen und damit den Übergang von sofortiger Interpretation zu offenen Spuren zu wagen.

Die Ausstellung von Günter Reinhardt in der Galerie freihand in Neuhaus, Hachelbachstraße 9 ist bis zum 19. Oktober täglich von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

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