Thomas Sautner kommt
Mit Vorfreude erwartet: Schriftsteller Thomas Sautner. Foto: Erich Reismann
Seminar & Lesung
Zum zweiten Mal kommt der Schriftsteller und Essayist Thomas Sautner aus dem niederösterreichischen Waldviertel in den Landkreis Miesbach. Er hält ein Ganztages-Schreibseminar für schreibinteressierte Anfänger und Fortgeschrittene – und eine Lesung. Sein neuer Roman heißt „Pavillon 44“.
Thomas Sautner lebt inmitten des Waldviertels, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, und in der quirligen Hauptstadt Wien. An beiden Orten handeln seine Romane, die auch hier im Landkreis eine treue Schar an Leserinnen und Lesern haben. Zwischen dem Waldviertel und dem Landkreis Miesbach gibt es zudem eine rege Verbindung: Monika Ziegler, Vorstandsvorsitzende von KulturVision, lebt in Holzkirchen und in Wiesmaden, ganz in der Nähe von Thomas Sautner. In dem dichten Wald, der ihre beiden Häuser trennt, könnte „Die Älteste“ leben oder „Großmutters Haus“ stehen, unweit von ihnen „Das Mädchen an der Grenze“ wohnen. Da Monika Ziegler auch im Waldviertel nicht die Hände untätig in den Schoß legen kann, organisiert sie seit Jahren Thementage bei der Kulturbrücke Fratres. Dorthin hat sie den Autor bereits zweimal zum Lesen eingeladen.
Auch nach Weyarn kommt Thomas Sautner zum zweiten Mal auf Einladung von KulturVision. Bereits im Jahr 2019 folgten 15 schreibfreudige Teilnehmerinnen der Einladung zum Schreibseminar ins Bürgergewölbe, um von ihm „Kreatives Schreiben“ zu lernen. Am 30. November steht nun „Kreatives autobiografisches Schreiben“ auf dem Programm.
Thomas Sautner beim letzten Schreibseminar in Weyarn 2019. Foto: Petra Kurbjuhn
„Das Schreiben ist für mich die Möglichkeit, auf Gedanken zu treffen und in Dimensionen zu gelangen, die mir anderenfalls unzugänglich wären“, so der österreichische Autor. In seinen Romanen ist oft nichts, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Wirklichkeit „zerwackelt“ und die Grenze zwischen Realität und Illusion verschwimmt – mit immer verblüffenderen Wendungen, die beim Lesen ein großes Vergnügen bereiten.
Romanhaftes Erzählen
In seinem Essay „Was Romane können“ bricht er die Lanze für den Roman und macht unmissverständlich klar, was ein schreibender Mensch kann, nicht jedoch die KI: Sie wird einen Leser die Flosse Moby Dick’s nicht spüren lassen, ebenso wenig wie die Brise der Windmühlensegel Cervantes. Nachdem er in seiner Jugend überwiegend und ungeduldig Sachbücher gelesen habe, weiß er heute, „dass Umwege mitunter verlässlicher ins Leben führen als Geraden“. Und, „dass das Wesentliche oft unsichtbar neben dem sich Anbietendem liegt, was am besten romanhaft zu erzählen ist“.
Kreative Atmosphäre auch bei Thomas Sautners Schreibseminaren im Waldviertel. Foto: IW
Deshalb leitet er seine – oft weiblichen – Protagonisten und zugleich die Leserinnen und Leser auf der Suche nach dem Sinn des Lebens auf verschlungenen Wegen durch die Buchseiten. „Der Roman verhält sich zur Realität wie ein außergewöhnlicher Traum zum Wachen“, schreibt Thomas Sautner. „Am Ende stellt sich die Frage, ob der Roman und der Traum nicht höhere Wirklichkeiten enthielten.“
Erweitern uns und die Welt
Beim Schreibseminar in Weyarn wird es nun also um kreatives autobiografisches Schreiben gehen: „Wir tauchen einen Tag lang ins literarische Schreiben“, so der Autor, „wir versuchen, erfinden, erweitern uns und die Welt“. Nicht zu kurz kommen soll dabei der Austausch über literarische Fragen aller Art. Dabei soll es viel Praxis und wenig Theorie geben, indem die Teilnehmenden anhand von Übungen ins Schreiben kommen. Schreibanfänger sind ebenso willkommen wie erfahrenere Autorinnen. Ebenso möglich ist, das eigene Erstlingswerk mitzubringen und mit Unterstützung von Thomas Sautner daran weiterzuarbeiten. Egal, ob es sich dabei um eine Erzählung, einen Essay, Roman oder lyrischen Text handelt.
Der Raum, den der Schriftsteller im Workshop der Kreativität im Schreiben öffnen wird, soll weitestmöglich sein. Denn, so sagt er: „Die Macht der Literatur macht die menschlichen Grenzen weit. Sehr weit. Nicht weniger als Raum- und Zeitsprünge werden möglich.“ Ob die autobiografischen Texte, die im Seminar entstehen, sich später zu einer Erzählung oder einem Roman entwickeln, bleibt jedem selbst überlassen.
„Pavillon 44“ ist nach Recherchen in der Psychiatrie entstanden. Foto: Ines Wagner
Auf Schreibseminar folgt Lesung
Nach dem Seminar gibt es am Abend eine Lesung Thomas Sautners aus seinem neuen Roman „Pavillon 44“. Der handelt in einer Sonderabteilung der Wiener Psychiatrie und kommt wunderbar leicht daher, auch wenn es das Thema auf den ersten Blick nicht tut. Bei diesem einer Scharade gleichenden Roman müssen die Protagonisten auf vielen Ebenen ringen, während sich die große Frage zwischen die Seiten schiebt: Wer ist hier eigentlich verrückt? Denn im Pavillon 44, in dem Siegfried Lobell die spannendsten Fälle sammelt, tummeln sich jede Menge interessante Gestalten – nicht nur die Eingewiesenen. Von seinen Patientinnen und Patienten erhofft sich der Primar Erkenntnisse über das Rätsel Mensch, den eigenartigen Zustand der Welt und über das obskurste Mysterium von allen – sich selbst.
Verschachtelte Erzählstränge
Ganz nebenbei gibt „Pavillon 44“ auch einen Einblick in das Entstehen von Romanen und die Widrigkeiten, mit denen Autoren zu kämpfen haben. Denn eine der Hauptfiguren, Aliza Berg, ist Schriftstellerin. Sie ist es, die ein Buch über die Psychiatrie schreiben möchte, und das ist nur eine der verschachtelten Erzählstränge des Werkes – mehr wird nicht gespoilert.
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