Kunst und Nachhaltigkeit
Installation von Anna Pasco Boltavorgestellt von Dr. Karin Wimmer. Foto: Sepp Fuchs
Veranstaltung in München
Mit Cocktails für Insekten wurden die Besuchenden der Veranstaltung des Münchner Zentrums für Nachhaltigkeit in der Aula der LMU empfangen. Die Performance zur Sensibilisierung für das Artensterben leitete vier spannende Aspekte zum Thema Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur ein.
„Kunst und Kultur verfügen über besondere Kräfte“, sagte Katrin Geneuss, Vorstandsmitglied des vor einem Jahr gegründeten MZN und Initiatorin der Veranstaltung, die in Kooperation mit dem Ökologischen Bildungszentrum München stattfand. „Was wir riechen, hören, schmecken, sehen bringt neue Aspekte“ und das sei nötig, um miteinander die Zukunft zu gestalten.
Prof. Markus Vogt. Foto: Sepp Fuchs
Als Nahtstelle zwischen Universität und Gesellschaft bezeichnete Markus Vogt, Sozialethiker und Sprecher des MZN das interdisziplinäre Zentrum für Nachhaltigkeit. „Kunst ist eine politisch unterschätzte Ressource für Sinnerfahrungen, Humanität und gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte er. Als Spiegel der Gesellschaft und Seismograf für das Lebensgefühl könne sie zu Aktivität mobilisieren. „Kunst ist ein Gegenpol zur Verflachung und Perspektivlosigkeit“, betonte der Theologe, sie ergänze existenziell die Reduktion der Weltwahrnehmung auf quantitativ messbare Daten und könne die Natur zu einem lebendigen Gegenüber machen. Er wünsche, dass der Abend vermitteln könne, dass Kunst ein Medium nachhaltiger Transformation sei.
Moderator Dr. Marcus Andreas. Foto: Sepp Fuchs
Dazu habe man heute vier Musen eingeladen, erklärte Moderator Marcus Andreas. Mode, digitale Kunst, Architektur, sowie Bühnenkunst und Musik sollten beispielhaft die Verbindung von Kunst und Nachhaltigkeit aufzeigen.
Prof. Martina Glomb. Foto: Sepp Fuchs
„Mode ist Kommunikation für Nachhaltigkeit“, führte Martina Glomb an. Die Modedesignerin von der Hochschule Hannover belegte dies mit der Wertschöpfungskette von Textilien und erklärte, dass Mode durch Material, Design, Produktion und Recycling einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten könne. Das Wichtigste aber sei „use—less“, also „nutze weniger“. „Buy less, choose well, make it last“, also kaufe weniger, wähle gut aus und lass es dauern, forderte sie von Verbraucherinnen und Verbrauchern und forderte gleich einmal zum Kleidertausch im Publikum auf.
Wertschöpfungskette in der Mode. Foto: Sepp Fuchs
„Der Liebesbrief an die Kabelbakterien“ war das Thema von Karin Wimmer von der LMU, die in ihrem Beitrag die spanische Künstlerin Anna Pasco Bolta vorstellte. Deren Installation im Haus der Kunst hatte Mikroorganismen im Fokus, die sich zu langen Ketten formieren und Strom leiten können. Mit diesen biologisch abbaubaren Stromleitern könnten Treibhausgase beispielsweise von Reisfeldern reduziert werden, da die Kabelbakterien im Wurzelbereich der Reispflanzen leben.
Die Künstlerin habe mit ihrer Installation einen Beitrag zur Wertschätzung für unbeachtete Lebenswelten geleistet und fordere dazu auf, die unverzichtbaren Mikroorganismen in die Symbiose Mensch und Umwelt einzubeziehen, sagte Karin Wimmer und betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit von Kunst und Wissenschaft.
Von Sandsäcken zur Rampe. Foto: Sepp Fuchs
Anhand des Deutschen Pavillons bei der Architekturbiennale in Venedig 2023 zeigte Florian Summa, Architekt und Gastprofessor von der UdK Berlin seine Vorstellung von Nachhaltigkeit: nicht abreißen und neu bauen, sondern Vorhandenes nutzen. Man habe den Pavillon abgebaut und als Materiallager komplett sortiert und die Teile weiterverarbeitet, erklärte er das Vorgehen. Beispielsweise nutzte man ukrainische Sandsäcke für den Bau einer Rampe. Aber auch die Sanitäranlagen wurden in Kreislaufmodus gebracht, das Wasser gefiltert und die Ausscheidungen weiterverarbeitet.
Ökologische Sanitäranlagen. Foto: Sepp Fuchs
Mit Stefanie Strigl kam als letzte Muse Musik und Bühnenkunst zur Sprache. Sei Musik nicht nachhaltig an sich, da sie keine materiellen Zutaten benötige, fragte die Rednerin von der LMU. Nein, auch Musik und Bühnenkunst habe einen ökologischen Fußabdruck. Instrumentenbau aus Tropenhölzern, Institutionen und Infrastruktur, Mobilität, Datenspeicherung und -wiedergabe, all das zeige, dass Musik nicht nachhaltig an sich sei.
Prof. Stefanie Strigl. Foto: Sepp Fuchs
Andererseits aber könnten mittels Musik Krisen bewältigt werden. „Musik kann aufrütteln und bewegen“, sagte sie und belegte das mit einer Arie aus Händels Oper „Alcina“. Wissen, so betonte sie, müsse auch emotional erlebt werden. „Musik kann Trauer begleiten und sie kann beitragen, Hoffnung zu schöpfen.“
Als Beispiel, wie Musik aktiv in Nachhaltigkeit einfließen kann, nannte sie unter anderem das „Insect concerto“ von Gregor A. Mayerhofer und schloss damit den Kreis zum „Cocktail für Insekten“ am Beginn der Veranstaltung.
Zum Weiterlesen: Münchner Zentrum für Nachhaltigkeit gegründet