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Ein starkes Debut
Mit ihrem ersten Roman trifft Anna Colombi (16) den Nerv ihrer jungen Leserinnen und Leser: Unversehens entdeckt die vierzehnjährige Very Hour ihre magischen Kräfte. Ein spannendes Abenteuer erwartet sie im „Internat für Zeitreisen“, wo sie sich auf die Suche nach ihren verschwundenen Eltern macht. Foto: Hartmut Wolf
Buchrezension für Jugendliche ab 12 Jahren
Spannende Zeitreisen, liebenswerte Charaktere und ein verblüffendes Ende – das sind nur einige der Hauptzutaten zu diesem Erstlingswerk der noch ganz jungen Autorin: Anna Colombi (16) hat mit „Time Creatures“ nicht nur einen verheißungsvollen Titel für ihren Roman gefunden, sondern auch solide Erzählkunst erschaffen.
Es fängt ganz harmlos an
Seit ihre Eltern verschwunden sind, lebt die vierzehnjährige Verena bei Pflegeltern: Matthias und Sonja und deren Sohn Luc bemühen sich zwar, ihr ein gemütliches und liebevolles Zuhause zu geben, aber als eines Sonntagmorgens ein geheimnisvoller Mann auftaucht, der sich als Leonardo Hour vorstellt, ahnt Verena sofort, dass er eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen wird. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass dieser Mann nicht nur Verenas Eltern gekannt hat, sondern sie auch gerne auf das Internat mitnehmen würde, in dem bereits ihre Eltern gelebt haben.
Neue Freunde und ein sehr besonderes Internat
Schnell sind die Pflegeltern bereit, Verena ziehen zu lassen. Sie packt schnell das Wichtigste zusammen und schon nach kurzer Fahrt erreichen sie eine wunderschöne, große Villa, in der Verena schon von drei jungen Leuten in ihrem Alter erwartet wird. Sie schließt rasch Freundschaft mit der unternehmungslustigen Elena, deren Freund Alex und dem charmanten Charly.
Kaum angekommen, führt Elena sie durch die wichtigsten Räume ihres neuen Zuhauses und Verena, die nun alle Very nennen, kann über die Schönheit und Größe des Hauses nur staunen. Neben dem fantastischen Speisesaal hat es ihr vor allem die mehrstöckige Bibliothek angetan. Auch in dem Zweibettzimmer, das sie sich mit Elena teilen wird, fühlt sich Very gleich heimisch. Vor allem aber erfährt sie, dass das Internat keine gewöhnliche Schule ist: Es ist ein Internat für Zeitreisen!
Und nicht nur das: Leonardo Hour, der das Internat leitet, gibt ihr eine magische Silberkette, die sie von nun an und auf allen Zeitreisen tragen wird.
Ein tierischer Verbündeter
Während Very noch versucht, das ganze Neue zu verstehen, wartet die nächste Überraschung: Very wird, wie alle anderen Internatsschüler, ein eigenes Tier erhalten. Als sie dafür zusammen mit Elena zum ersten Mal die Magie der Kette erlebt, geschieht etwas Besonderes: Das Tier, das Elena findet, kann seine Gestalt wechseln. Mal ist es ein Polarfuchs, mal eine Schneeeule und dann eine Robbe. Elena, die so etwas noch nie erlebt hat, stürzt zu Mr. Hour ins Büro. Der erschrickt selbst ein wenig, als er das seltsame Phänomen entdeckt, erklärt dann aber, dass es an Very liegt: Das Tier nimmt die Gestalt an, die sie sich gerade wünscht – oder die ihr helfen kann. Very beschließt, dass sie den Polarfuchs am liebsten hat und nennt in Fortune.
In den nächsten Tagen gewöhnt sich Very schnell an den Ablauf im Internat, sie vertieft die Freundschaften zu Elena und Alex und sie gewinnt Charly lieb, der ihr immer wieder mit kleinen Gesten zeigt, dass er sie mag und ihr ein Tagebuch schenkt.
Das Geheimnis der verschwundenen Eltern
Obwohl Very in der neuen Umgebung glücklich ist, denkt sie nun immer öfter an ihre Eltern, Sonja und Richard, und fragt sich, was aus ihnen geworden sein kann. Sie spürt deutlich, dass das Verschwinden ihrer Eltern etwas mit den Zeitreisen zu tun haben muss.
Eines Tages, als sie wieder einmal einen einsamen Spaziergang unternimmt, um ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen, entdeckt sie ein altes Baumhaus, zu dem sie sich wie magisch hingezogen fühlt. Groß ist ihre Überraschung, als sie im Baumhaus einen Brief ihrer Mutter findet, der an sie gerichtet ist: Sonja schreibt, dass sie hofft, ihre Tochter einmal wiederzufinden und sie schreibt außerdem „…Ich bin nicht hier, weil ich deinen Vater suche…“ und „Mach dir keine Sorgen um mich und deinen Vater, uns geht es bestimmt gut.“ Und sie schenkt Very das Baumhaus.
Spannende Zeitreisen erleben
Doch all diese Aufregungen lösen sich in Luft auf, als Very ihre erste Zeitreise unternimmt. Zusammen mit der ganzen Klasse landet sie im Jahr 1838 in London und erlebt nun hautnah die Krönung von Königin Victoria mit.
Auf ihren nächsten Reisen geraten Very und Elena mitten ins bedeutungsvolle Geschehen rund um den Mauerfall, erleben aber auch Lebensgefahr bei der Bombardierung von Aachen im Zweiten Weltkrieg…
Ende gut, alles gut?
Mehr vom Inhalt sei an dieser Stelle nun nicht verraten – nur so viel: Very macht sich natürlich auf, um ihre verschwundenen Eltern zu finden. Ob ihr das gelingt, wer ihr dabei hilft und in welche Zeit sie reist, welche Abenteuer und Gefahren sie erlebt – das liest man am besten selbst. Nur so viel sei noch verraten: Der Schluss des Buches ist richtig spannend, dabei klug und sehr überraschend.
Warum mir das Buch so gut gefallen hat
Und genau damit ist der so jungen Autorin ein echtes Meisterstück gelungen, denn alle Fäden und Personen eines Buches zu einem Ende zu führen, das temporeich, logisch und emotional bewegend ist – da geraten selbst erfahrene Autorinnen und Autoren oft ins Schwitzen.
Das Buch entführt in eine Welt voller Fantasie, intelligenter Lösungen und hält den Spannungsbogen von er ersten bis zur letzten Seite. Überzeugend recherchiert, sind übrigens die Zeitreisen eine Bereicherung an Wissen und auch das Erblühen der Liebe zwischen Very und Charly ist erfrischend unkompliziert, sodass man nicht nur der Geschichte gerne folgt, sondern auch Freude an der inneren Entwicklung der handelnden Personen hat.
Schon seit vielen Jahren denkt sich Anna Colombi (16) Geschichten aus. „Time Creatures“ ist ihr erster Roman. Foto: Anna Colombi
Über die Autorin
Die Autorin, Anna Colombi ist Schülerin in der 12. Jahrgangsstufe. Sie wurde 2008 in Luzern (Schweiz) geboren und zog vier Jahre später mit ihrer Familie nach Irschenberg, wo sie aufwuchs und bis jetzt lebt. Schon lange schreibt sie Geschichten und entschloss sich nun, ein ganzes Buch zu veröffentlichen, was schon immer ihr großer Traum war. Neben dem Schreiben liest sie gerne, spielt Saxophon, ist Oberministrantin, bei der Jugendfeuerwehr aktiv und tanzt schon viele Jahre Ballett.
Man kann also hoffen, dass sie eine treue Fangemeinde gewinnt und uns mit noch vielen weiteren Geschichten in Atem hält.
Zum Weiterlesen: Fantasy aus dem Oberland