Fernweh als Zuhause-sein in der Welt

Die Ausstellenden des Kunstkreis Fischbachau (v.l.): Rudolf Peukert, Ludwig Birner, Danielle Hertle, Vivien Cahusac de Caux, Ursula Schwarzbauer, Bürgermeister Stefan Deingruber, Marie-Louise Lohrum, Antje Lauer, Rolf Hügel, Marianne Hänsel, Viktoria Claudel, Roswitha Klein, Brigitte Appelt, Susi Noll, Bärbel Wünsche. Foto: Isabella Heller

Die 37. Ausstellung des Kunstkreis Fischbachau

So schön Oberbayern ist, Fernweh macht auch hierzulande vor niemandem Halt: Die 17 Künstler und Künstlerinnen der diesjährigen Ausstellung des Kunstkreis Fischbachau präsentieren im Klostersaal ihre neuesten Werke, darunter jeweils eines zum Thema „Fernweh“.

Gemeinsam Fernweh

Bei der Vernissage der 37. Ausstellung des Kunstkreis Fischbachau war dieses Jahr einiges anders als sonst. Die Bühne im Klostersaal wurde nicht wie üblich einem der Ausstellenden gewidmet, das gemeinschaftliche Prinzip der Ausstellung wurde diesmal konsequent auf der Bühne weitergeführt. Dort waren alle Kunstschaffenden mit je einem ihrer Werke vertreten.

Darüber hinaus nahmen sich Stefan Deingruber, erster Bürgermeister der Gemeinde Fischbachau, und Brigitte Appelt bei ihrer Eröffnungsrede die Zeit, jeden einzelnen der 17 Künstler persönlich vorzustellen. Der rote Faden der Vorstellungsrunde war die Verkündigung von 17 verschiedenen „Fernweh-Zielen“: Dem Ausstellungsthema entsprechend hatte Brigitte Appelt vorab eine diesbezügliche Rundfrage unter den Mitgliedern des Kunstkreises gestartet.


Bürgermeister Stefan Deingruber und Brigitte Appelt begrüßen die Gäste. Foto: Isabella Heller

Trägt man alle Reisewünsche zusammen, könnte der Kunstkreis Fischbachau wohl demnächst eine Weltreise planen. Hier ein spontaner Routenvorschlag: Angefangen mit einer Rundreise durch Italien, gefolgt von einem überraschenden Hakenschlag nach Irland, gleich darauf über den großen Teich in Richtung Pazifik, nach Hawaii. Mit der hawaiianischen „Lei“ um den Hals ginge es aufs südamerikanische Festland, wo auf einen kurzen Aufenthalt in Chile ein Roadtrip durch ganz Patagonien folgte.

Wieder weiter, über den Indischen Ozean bis zur Insel Mauritius und auf die Seychellen, hiernach erneut den Ozean überqueren: Auf in die Tasmanische Wildnis! Und natürlich keine Fernwehreise ohne einen Abstecher nach Japan. Als Weltreise-Endstation zurück ins vertraute Europa: Erst auf die Azoren und zu guter Letzt nach Island – unvergessliche Wandertouren auf unaussprechlichen Vulkanen. Gute Reise, lieber Kunstkreis!

Brigitte Appelt stellt Viktoria Claudel und ihr kubistisches Bild „Up and away“ (l.i.B.) vor. Foto: Isabella Heller

In der Welt zuhause

Die Titel der auf der Bühne ausgestellten Werke erzählen wiederum etwas über die Reisen, die von den Kunstkreismitgliedern bereits getätigt wurden: „Griechenland“ (Marie-Louise Lohrum), „Island“ (Marianne Hänsel), „Venedig“ (Roswitha Klein), „Rosscarbery Castle“ in Irland (Susi Noll), „Princess Garden“ in Indien (Vivien Cahusac de Caux), „Tropisches Meer“ (Bärbel Wünsche) und „Ostsee“ (Brigitte Appelt), sowie „Sonnenaufgang in der Savanne“ (Danielle Hertle). Auch die in den Farben der italienischen Flagge eingefärbte Glasmalerei des Glasermeisters Ludwig Birner sprechen für sich.

Wobei sich manche „Fernweh“-Werke weniger konkreten Reisezielen als dem Gefühl selbst widmen, so zum Beispiel der „Traum vom Meer“ (Brigitte Nevole), „Up and away“ (Viktoria Claudel), „So nah und doch so fern“ (Ursula Schwarzbauer) oder – ganz fernes Fernweh – „Interstellar“ (Rolf Hügel).


Alle Werke auf einen Blick – fast alle: Ludwig Birners Glaskunst steht aus Sicherheitsgründen abseits der Bühne. Foto: Isabella Heller

Einzig das „Eschen-Huhn“ (Rudolf Peukert) am Bühnenrand ist zunächst nicht selbsterklärend. Aber Bürgermeister Stefan Deingruber schlug galant die Brücke vom Fernwehziel des Motorsägenschnitzers Rudolf Peukert – Mauritius – zum ausgestellten Werk: Auf der Insel Rodrigues, die zwar autonom ist, aber zu Mauritius gehört, würden regelmäßig Hühner auf die Insel exportiert. (Rodriguische Hühner sind bei den Mauritiern in der Tat sehr begehrt, glaubt man diesem Blog.)

Bleibt nur noch das Kunstwerk in der Mitte der Bühne, das die zehn antiken Ornamente darstellt, und das sicher nicht zufällig in der Bühnenmitte aufgestellt wurde. Denn dessen Titel bildet gewissermaßen das Resümee aller Fernweh-Werke: „In der Welt zuhause“ (Antje Lauer).

Große Gemeinschaftsausstellung: Blick von der Bühne herunter in den Klostersaal. Foto: Isabella Heller

Eine, die mithalten kann

Die diesjährige Gastausstellerin, die also (noch) nicht dem Kunstkreis Fischbachau angehört, heißt Danielle Hertle. Die Fotografin, seit 12 Jahren in Fischbachau ansässig, fotografiert nunmehr seit einem Jahrzehnt. Sie beschreite, wie Brigitte Appelt in der Vorstellungsrunde betont, mit ihren Werken schon jetzt einen individuellen Weg in der Fotografie. „Das Auge für besondere Motive“, das Appelt ihr attestiert, findet sich in stets ungewöhnlichen, zuweilen lustigen Momentaufnahmen oder auch in inszenierten Bildkompositionen wieder, beispielsweise in ihrem im Klostersaal ausgestellten Werk „Now she can keep up with him“.

„Now she can keep up with him.“ Eine Fotografie von Danielle Hertle. Foto: Isabella Heller

„Kunst provoziert und gibt so Denkanstöße. Kunst erfreut das Auge. Kunst bringt Menschen zum Lachen. Nur eines sollte Kunst nie: langweilen“, lässt Danielle Hertle die Ausstellungsgäste auf einer Tafel neben ihren Fotografien lesen. Was Kunst soll oder nicht, darüber kann gestritten werden. Was Kunst kann oder nicht, davon muss sich ein jeder bei der diesjährigen Gemeinschaftsausstellung des Kunstkreis Fischbachau selbst überzeugen.

Brigitte Appelt bringt es mit den Worten Oscar Wildes auf den Punkt: „Kunst ist die stärkste Form von Individualismus, welche die Welt kennt.“ Ein möglichst offenes Verständnis von Kunst braucht es jedenfalls, um der Vielfalt, die eine solch buntgemischte Gemeinschaftsausstellung auszeichnet, Rechnung zu tragen.

Kieselsteine auf den Fensterbrettern des Klostersaals: Brigitte Appelt hat berühmte Künstlerzitate darauf festgehalten, auf den Steinrückseiten finden sich die Namen ihrer Urheber. Foto: Isabella Heller

Vom Schliersee nach Paris

Für die, die bereits neugierig genug und schon auf dem Weg nach Fischbachau sind, noch ein letzter, exklusiver Blick hinter die Kulissen der Ausstellung: Die Künstlerin Antje Lauer, Spezialistin für Restauration, Wand- und Freskomalerei, berichtete bei der Vernissage von der außergewöhnlichen Entstehungsgeschichte ihres Ausstellungsstücks „Entwurf Marmorsäule“, die hier noch in aller Kürze wiedergegeben sein möchte.

Lesetipp: Antje Lauer – Die Kunst der Illusion

Die berühmte Van der Kelen-Logelain-Schule in Brüssel, an der die Wahl-Schlierseerin in der Illusionsmalerei ausgebildet wurde, suchte nach dem Brand der Pariser Kathedrale Notre Dame im Jahr 2019 im Rahmen einer Ausschreibung nach geeigneten Künstlern, die sich an der – die Illusionsmalerei betreffende – Restauration der ehrwürdigen Kathedrale beteiligen sollten. Antje Lauer gewann diesen Wettbewerb mit eben jenem Originalentwurf, der dieser Tage im Klostersaal zu sehen ist. Ihren Entwurf durfte sie eigenhändig auf eine der Säulen der Notre Dame übertragen.

Antje Lauer vor ihrem Originalentwurf zur Notre Dame-Altarsäule. Foto: Isabella Heller

Wen also demnächst das Fernweh packt, sollte sich einem Pariswochenende hingeben. Der Reisende kann dann in der französischen Hauptstadt die restaurierte Kathedrale besichtigen und dort die gelb-schwarze Marmorsäule suchen, die sich rechts neben dem Altar befindet – und ausgiebig staunen über das, was Kunst vermag. Dies kann man aber ebenso gut in der Ausstellung des Kunstkreis Fischbachau tun.

Die Ausstellung „Fernweh“ des Kunstkreis Fischbachau geht noch bis zum 27. April. Der Klostersaal Fischbachau ist täglich zwischen 13:00 und 19:00 Uhr geöffnet. Die meisten der ausgestellten Werke sind käuflich erwerblich.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf