Salutogenese: Ist Gesundheit ansteckend?
Dr. Wolfgang Huber hängte seinen weißen Kittel an den Nagel. Foto: Petra Kurbjuhn
Vortrag zu Salutogenese im Rahmen von „Anders wachen“ im Kultur im Oberbräu Holzkirchen
Theoretischen Hintergrund und praktische Ratschläge dazu, wie Gesundheit entsteht, gab gestern Abend der Holzkirchner Allgemeinmediziner Wolfgang Huber. Unterstützt wurde er von Bernd Schmidt und Christian Selbherr mit einer Szene aus „Der eingebildete Kranke“. Zum Schluss gab es eine gute Botschaft.
Im weißen Kittel kommt Wolfgang Huber auf die Bühne, um ihn dann demonstrativ auszuziehen und an den Nagel zu hängen. Am heutigen Abend will sich der Arzt, der erzählte, nur viermal in seinem Leben den Kittel wirklich getragen zu haben, nicht mit Krankheit, sondern mit Gesundheit befassen und damit, was jeder aktiv dafür tun kann.
Stimmigkeit, Resonanz und Vertrauen
Es ist gang und gäbe in der Medizin, sich mit der Bekämpfung von Krankheit zu beschäftigen und es gab und gibt große Erfolge. Der anderen Frage aber, wie Gesundheit entsteht, widmete sich insbesondere der amerikanische Soziologe Aaron Antonovski, der herausfand, dass 29 Prozent von weiblichen KZ-Überlebenden ein normales und glückliches Leben führen. Wie ist das möglich?
Den Grund fand er in der so genannten Kohärenz, diese Frauen lebten in Stimmigkeit, in Vertrauen und in Resonanz mit ihrer Umgebung. Dazu gehören die drei Aspekte Verstehen, Handhaben und Sinnhaftigkeit.
Im ausverkauften Foolstheater. Foto: Petra Kurbjuhn
Ist der Mensch in der Lage, in innerer und äußerem Zusammenhang mit der Welt zu leben, kann er auch Belastungen aushalten. Wolfgang Huber führte aus, dass immer dann, wenn der Mensch sich mit Begeisterung für bestimmte Dinge engagiert, wenn er Lebenswille und Lebensfreude empfinde und bereit sei, Neues zu lernen, immer dann sehe er Sinn in seinem Leben.
Resilienz oder Stehaufmännchen
Im Alltag nenne man dies Resilienz, seelische Widerstandskraft. Darunter verstehe man Emotionskontrolle, Akzeptanz, Unbeugsamkeit oder man bezeichne es als Stehaufmännchen, wenn einer den Unbillen des Lebens gegenüber gewappnet erscheint. Was diese lebenserhaltende Energie letztlich sei, sei noch ungelöst, es gebe eben Ebenen, die sich unserer Vorstellungskraft entziehen, sagt der Mediziner.
In diesen Situationen würden Geschichten helfen. Und Wolfgang Huber erzählte die Geschichte seiner Kindheit, vom roten Roller und wie er sich als Sechsjähriger als Ton in einem Akkord gefühlt habe, das Urvertrauen spürte, die Liebe und die Freiheit, sich entfalten zu dürfen.
Aber es gebe auch das Gegenteil, die negativen Kindheitserfahrungen. Und da gelte das berühmte Wort: „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.“ Schließlich sei es bekannt, dass das Gehirn bis ins hohe Alter formbar sei. Und wenn Begeisterung ins Spiel komme, dann könne man auch mit 85 Jahren noch Chinesisch lernen. Oder man verfalle eben in die Opferrolle und werde ein „Eingebildeter Kranker“.
Bernd Schmidt und Christian Selbherr vom Foolstheater in einer Szene aus „Der eingebildete Kranke“. Foto: Petra Kurbjuhn
An dieser Stelle des Vortrages erschienen Christian Selbherr und Bernd Schmidt auf der Bühne und spielten eine Szene aus Molierès Stück, in der es um die Torheit des Menschen geht, Krankheiten kurieren zu können. „Was soll man tun, wenn man krank ist? Nichts“, heißt es, die Natur helfe sich schon selbst. Aber viele Menschen stürben an den Heilmitteln. „Bedenkt, dass das Leben in euch selbst steckt.“
Die fulminante, von den beiden Schauspielern überzeugend gespielte Szene leitet zum zweiten Teil des Vortrages von Wolfgang Huber über, in dem er praktische Hinweise für ein gesundes Leben gab. Bei Krankheit empfahl er: „Zuwendung, Abwarten und Beobachten“. Heilung könne dann entstehen, wenn alles gut bereitet sei, wie bei einem Kuchen, den man zum Gelingen in das Backrohr schiebe.
Statt zu viel Medikamenten mit Nebenwirkungen lieber Zuwendung, Abwarten und Beobachten. Foto: Petra Kurbjuhn
Er empfahl den Besuchern im ausverkauften Foolstheater einen Selbsttest, wie stehe es um die eigene Kohärenz, das eigene Empfinden für Sinnhaftigkeit. Dazu riet er, sich attraktive Ziele zu setzen, herauszufinden, was gut tut und sein eigenes Potenzial zu entfalten.
Resilienz kann man fördern
Die für ein erfülltes Leben notwendige Resilienz kann man fördern. Durch gute Beziehungen, durch die Möglichkeit, Probleme zu lösen, durch Selbstvertrauen, Verzeihen, Übernahme von Verantwortung, Stress als Stimulanz benutzen und Optimismus. Damit, so der Mediziner, sei das Thema hochpolitisch.
Und er schloss keineswegs mit der Empfehlung, das Rauchen einzustellen oder eine Diät zu machen. Nein, sein Credo war: Lebensfreude, wozu in erster Linie emotionale, zwischenmenschliche Beziehungen führen.