Die Lösung kam aus Magdeburg
Vortrag in Tegernsee
Was man weiß und was man nicht weiß, fasste Roland Götz aus den schriftlichen Quellen der Historie noch einmal zusammen. „Ich werde an dem Bild, was wir in Heimatkunde lernten, kratzen“, sagte er, denn nachträglich seien die beiden Klostergründer immer edler und in ihrer Bedeutung immer größer geworden. Was man relativ sicher belegen könne, sei, dass Adalbert etwa 30 Jahre Abt des Klosters und zwischen 790 und 803 gestorben sei. Über Otkar sei fast nichts sicher nachzuweisen, nur dass er früher gestorben sei.
Legenden hätten die beiden Brüder aufgehübscht, sie seien zu Wunderheilern geworden und als „Hausheilige“ unter dem Altar der Klosterkirche beigesetzt. Nach einigen Umbettungen war die Restaurierung der Kirche 1998 zum Anlass geworden, die Gebeine einer gründlichen pathologischen Untersuchung zuzuführen.
Radio-Karbon-Methode lieferte zu junges Alter
Erste Untersuchungen hatten ergeben, führte Andreas Nerlich, Chefarzt der Pathologie in den städtischen Kliniken Schwabing und Bogenhausen. aus, dass es sich in der Tat um die Skelette zweier hochgewachsener Brüder von etwa 1,85 Meter handelt. Das Sterbealter wurde zu 36 +/- 2 Jahre und etwa 60 Jahre berechnet. Der früh Verstorbene hatte schlechte Zähne, Arthrose und größere Körperletzungen und starb wahrscheinlich an einem Nasennebenhöhlenkarzinom, das häufig bei Holz verarbeitenden Berufen auftritt. Dieses Skelett sei also Otkar zuzuordnen, der viel am Bau des Klosters mitgearbeitet hat. Adalbert, der Abt, habe weniger gearbeitet, sei älter geworden, über die Todesurache sei nichts bekannt.
Aus den sogenannten Harrislinien, die in den Knochen beim Wachstum entstehen, folgerte der Pathologe, dass die Brüder einen Alterabstand von acht Jahren haben. Wann sie genau lebten, sollte die Radio-Karbon-Methode herausfinden. Diese aber ergab Lebensdaten, die um mehr als Hundert Jahre von den in den historischen Quellen angegebenen abwichen.
Tegernseer Fisch brachte die Ursache
Die Lösung kam aus Magdeburg. Bei Untersuchungen der Heiligen Editha hatte sich der sogenannte Reservoir-Effekt bemerkbar gemacht. Dieser tritt auf, wenn die untersuchten Menschen viel Fisch aus stehenden Gewässern zu sich genommen hatten. Dann nämlich wird „altes“ Radiokarbon aufgenommen, was die Werte verschiebt. Die genauen Untersuchungen an stabilen Schwefel-Isotopen an den Stiftergebeinen ergab nun, so Nerlich, dass Adalbert und Otkar in der Tat viel Fisch gegessen haben. Damit können die Lebensdaten von Adalbert auf 743 bis 803 und von Otkar auf 751 bis 787 festgelegt werden.
Eine weitere Frage sei gewesen, wo die beiden Brüder aufgewachsen sind. In der Legende heiße es, sie stammten aus einem burgundischen Königshof. Aufschluss gab die Analyse von Strontium-Isotopen, die aus dem Boden stammen und damit die Region der Kindheit ermitteln helfen. Nach allen Untersuchungen und Hinweisen aus den Verbindungen der Agilofinger und Karolinger kam Nerlich zu dem Schluss, dass Adalbert und Otkar vermutlich Söhne von Grifo, seinerseits Sohn von Kart Martell waren und in der Bretagne aufwuchsen.
Das Kloster gründeten die Brüder, die später nach Bayern wanderten, etwa um 765. Andreas Nerlich schloss mit den Worten, dass er sicher ein weiteres Mal nach Tegernsee kommen werde, denn „wir haben noch ein paar Pfeile im Köcher.“