Sehnsucht ist der Schlüssel zum Handeln
Monika Ziegler vom Zukunftsforum von „anders wachsen“ und Simon Kortus von LEADER Kreisentwicklung stellten ihre Konzepte gemeinsam vor. Foto: Frank Strathmann
Akteurswerkstatt in Schliersee
Die Vereinigung von zwei unterschiedlichen und sich ergänzenden Sichtweisen, was die Zukunft des Landkreises Miesbach anbelangt, war der Zweck der Akteurswerkstatt im Bauerntheater Schliersee. Risikoforscher Rainer Sachs lieferte dazu ebenso wichtige Impulse wie alle Teilnehmenden in der Diskussion.
Unabhängig voneinander hatte die Lokale Aktionsgruppe (LAG) Kreisentwicklung Miesbacher Land unter der Leitung von LEADER-Manager Simon Kortus und das Zukunftsforum von „anders wachsen“, gegründet von KulturVision e.V., Zukunftsvisionen für den Landkreis entwickelt.
Landrat Olaf von Löwis. Foto: Frank Strathmann
Beide Prozesse führten zu Ergebnissen, die an diesem Tag mit Kommunalpolitikern, Mitarbeitern des Landratsamtes, Vertreterinnen von Organisationen und Bürgern des Landkreises diskutiert und einem konkreten Handeln zugeführt werden sollten. Landrat Olaf von Löwis begrüßte die Teilnehmenden und nahm bis zum Ende der vierstündigen Veranstaltung an der Diskussion aktiv teil.
Professor Manfred Geißendörfer. Foto: MZ
Die Ergebnisse des Zukunftsforums wurden bereits bei einer Veranstaltung im Kulturzentrum-Waitzinger Keller vorgestellt. In Schliersee sollten sie mit Impulsen der LAG Kreisentwicklung zusammenfließen. Deren Prozess war von der Forschungsgruppe Agrar- und Regionalentwicklung Triesdorf unter der Leitung von Professor Manfred Geißendörfer, der die Veranstaltung moderierte, begleitet worden.
Fokus auf Resilienz
Bei einer gemeinsamen Präsentation in Schliersee stellten Simon Kortus und ich die jeweiligen Prozesse vor. Die LEADER Aktionsgruppe hatte unter dem Fokus Resilienz evaluiert, welche LEADER-Projekte einen Beitrag für die Zukunft liefern können. In einer Ideenwerkstatt waren die ersten groben Themenfelder definiert worden, die in den folgenden Jahren wichtig werden.
Grafik: Simon Kortus
Anhand einer Verwundbarkeitsanalyse konnte ermittelt werden, in welchen Bereichen der Landkreis besonders gefährdet ist und in welchen er sich durch gute Voraussetzungen auszeichnet. Daraus wurden in einer Strategiewerkstatt Handlungsbedarfe ermittelt. 89 Mitarbeitende in der Regionalkonferenz leiteten 37 Handlungsziele ab.
Letzlich kristallisierten sich acht Handlungsziele heraus, die als Grundlage für die Diskussion als Tischvorlagen dargestellt wurden.
Grafik: Simon Kortus
Bürgerbeteiligung im Zukunftsforum
Das Zukunftsforum, an dem insgesamt knapp 200 Menschen beteiligt waren, holte sich mit fünf Vorträgen und zwei Podiumsdiskussionen Impulse von außen. Parallel dazu wurden Bürgerinnen und Bürger nach ihren Zukunftsvisionen befragt, die sie in Wort, aber auch in künstlerischer Darstellungsform einsenden konnten. Für Jugendliche wurde mit dem Poetry Slam Tick Talk ein eigenes Format geschaffen.
Visionen mit künstlerischen Mitteln ausgedrückt. Grafik: Simon Kortus
Nach dem Vorbild von Media Future Lab der Ludwig-Maximilians-Universität München gründete das Zukunftsforum 14 Zukunftslabs zu gesellschaftsrelevanten Fragen. Speziell ausgebildete Moderatoren entwickelten mit diesen Minibürgerräten nach dem Prinzip Kritik – Utopie – Lösung konkrete Ansätze für den Landkreis.
Schlüsselbegriff Sehnsucht
Bei der Auswertung aller Ergebnisse half ein Perspektivwechsel von rationalen Kategorien wie Klima, Mobilität, Tourismus, Wirtschaft, usw. zu neuen Kategorien wie Verbundenheit, Heimat, Mitgefühl oder Frei-Räume. Der Schlüsselbegriff, um von der Vision zum Tun zu kommen, ist Sehnsucht.
Ausstellung im Waitzinger Keller Miesbach. Foto: Isabella Krobisch
In diesen Kategorien konnten wir die ganze Vielfalt der Ergebnisse würdigen. Auf 13 Tafeln sind die Visionen in einer grafisch ansprechenden und poetischen Art dargestellt und laden zum Mitmachen ein. Wer durch die Ausstellung neugierig geworden ist, findet alle Ergebnisse in einer A4-Broschüre zusammengefasst.
Risikoforscher Dr. Rainer Sachs. Foto: MZ
In seinem Vortrag „Wege in die Zukunft und der Umgang mit dem Ungewissen – vom Wissen zum Handeln“ beleuchtete Risikoforscher Dr. Rainer Sachs vom Zukunftsforum das Problem, die Ungewissheit in die Entscheidungsfindung einzubauen. Das widerspricht dem normalen Prozess, in dem wir glauben, rational wirksam zu werden.
Lesetipp: Was hindert uns daran zu handeln, obwohl wir wissen?
Aber sowohl äußere Krisen als auch Affekte bestimmen Entscheidungen. Man müsse durchschauen, wie diese Faktoren die Entscheidungen verzerren, betonte der Referent. Nutzen werde über- oder unterschätzt, je nachdem wie genau der Mensch Bescheid wisse und in welcher Stimmungslage er sich befinde.
Vertraue auf Allah, aber binde dein Kamel an
Den Perspektivwechsel weg vom Problem und hin zum Fokus auf das Ziel belegte er eindrucksvoll durch den Erfolg eines Shaolinmönches. „Hier werden andere Energien, wie Begeisterung aktiviert“, sagte er. Für die Lösung von Problemen sei dies ebenso wie Zusammenarbeit und Vernetzung unumgänglich. Vertrauen und Hoffnung neben aktivem Handeln, das sei der richtige Weg, nach dem Grundsatz „Vertraue auf Allah, aber binde dein Kamel an.“
„Lieben Sie die Ungewissheit“
Die Ungewissheit, so schloss Rainer Sachs seinen Vortrag, begründe die Existenzberechtigung für Entscheidungsträger. „Ohne Ungewissheit sind keine Entscheidungen notwendig, also lieben Sie die Ungewissheit.“
Tischvorlage nach dem Prozess. Foto: Frank Strathmann
Gemeinsame Tischvorlagen
In drei Arbeitsphasen wurden die konkreten Ergebnisse aus beiden Prozessen diskutiert, die auf den Tischvorlagen zur gemeinsamen Diskussion in wechselnden Gruppen vorlagen. Es ging insbesondere um die Art der Finanzierung und um Akteure, sowie Bündnisse zur Umsetzung. Die Ergebnisse stellten die Moderatoren der Tische am Ende dem Gremium vor.
Kathleen Ellmeier von der Ökomodellregion. Foto: MZ
Dazwischen gab es immer wieder Mentiabfragen. Was uns vom Zukunftsforum besonders erfreute, war, dass der Begriff „Sehnsucht“ dabei sogar zweimal prominent genannt wurde.
Akteurswerkstatt braucht Fakten und Visionen
LAG-Vorsitzender Michael Pelzer fasste die Akteurswerkstatt so zusammen: „Wir brauchen Visionäre, Faktenchecker und Umsetzer.“ Nur in der Verbindung von Visionen und Fakten, wobei die Kultur eine wichtige Ausdrucksform sei, könne zum Gelingen beitragen. Er rufe dazu auf, das Ungewisse zu lieben.
Felicia Vennemann. Foto: MZ
Mit der Poetry Slammerin Felicia Vennemann ging die Akteurswerkstatt zu Ende. Sie begeisterte das Publikum nach einer über vierstündigen Veranstaltung mit ihrem Beitrag. Am wichtigsten sei ihr, dass alle Menschen sich gegenseitig zuhören, respektieren und schätzen. „Meine Vision ist, eine Vision zu finden, in der alle frei sind.“