Wittmann MF

Der Tod als Teil des Lebens an Allerheiligen und Allerseelen

Klaus Wittmann betrachtete den Tod auf bayrisch. Foto: Martina Fischer

Lesung im Alten Schloss Valley

Allerheiligen und Alleseelen standen vor der Tür. Eine Zeit, dem Tod Raum zu geben. Einem Thema, das gerne negiert, ignoriert wird, aber so sicher ist, wie eben – der Tod. Klaus Wittmann nahm sich der letztendlichen Gewissheit an. Ruhig, mit literarischen Betrachtungen und traditionellen Vorstellungen und Sitten, die den Tod durch Ritualisierung leichter, bisweilen sogar humorvoll erscheinen lassen. Ein Schatz an bayerischer Todeskultur mit fein abgestimmter musikalischer Umrahmung eröffnete sich den über 30 Zuhörenden.

Ein umfassender Bilder- und Sinnspruchreichtum hat sich um den Tod gebildet, wie Wittmann aufzeigte. „As letzte Hemd hat keine Taschen“ etwa oder „heute rot, morgen tot“ genauso wie das egalitäre „Keiner kann im Tod ermessen, wer der Reichst‘ und wer der Ärmst‘ gewesen“. Der Schnitter macht keinen Unterschied, kommt gewisslich und teils unerwartet.

Das Abschiednehmen, das der Tod unabdingbar mit sich bringe, falle vielleicht auch durch das Nichtwissen so schwer. „Man würde gerne wissen, was drüben ist. Und dann steht da ja noch das Fegefeuer dazwischen,“ meinte Wittmann. Wobei es auch eine Idee der Hoffnung gebe, etwa beim Brandner Kaspar von Franz von Kobell, der sich den Himmel prächtig ausmalt, mit Kartenspielen und Jagd.

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Klaus Wittmann erzählte über althergebrachte Traditionen rund um den Tod. Foto: Martina Fischer

Bilder vom Tod – vom Fischer zum Spielmann

Vielfältige Bildwelten wurden um den Tod gesponnen. Bei von Kobell ist er kein schwarzer Engel, sondern der „Boandlkramer“, kein hehres Wesen, sondern einer der die armen Seelen einsammelt und geleitet. Als Schnitter und Skelett fordert er in Altötting mit jedem Sensenstreich ein Leben. Mal tritt er als Mann mit Armbrust auf, mal mit breitem schwarzem Hut und Umhang. Als Fischer nimmt er kleine und große Fische mit. Bisweilen spielt er zum Tanz auf und alle folgen. Alle Darstellungen beinhalten die Mahnung, sich von Eitelkeiten und Pracht abzuwenden, sind ein beständiges „memento mori“.

Der Tod kann zu bewussterem Leben führen

Heute sei der Tod kein Thema mehr, das man sehen wolle, fand der Vortragende. Früher war er „ein häufiger Gesell, ein alltägliches Bild“. Damals war klar: er gehört zum Leben. So sei es auch gelungen, letzteres bewusster zu gestalten. Und tröstlich mag sicher auch das Sterben zuhause gewesen sein und der Glaube der Menschen. Auch war es den Leuten wichtig, vorbereitet zu sein. „Wer stirb, ehe er stirbt, der stirbt nicht, wenn er stirbt,“ beschrieb es Klaus Wittmann.

Unergründlich war der Gevatter und sein Auftreten dennoch. So glaubte man an allerlei Vorzeichen und Vorkehrungen. Schwarze Vögel, Elstern oder Waldkäuze wurden als Todesboten verjagt. An den Raunächten wurde und wird teils heute noch keine Wäsche aufgehängt. Einem Toten wurden die Augen geschlossen, da er den, den er anblickt nachholen könnte. Und auch ein Neubau wurde skeptisch gesehen: „a nei bauts Haus mecht an Toten sehn.“ Um dem Ableben zumindest noch zeitweilig zu entgehen, rief man die vielen Nothelfer wie den Heiligen Christophorus, Josef oder Michael an und trug zum Schutz einen silbernen Pfeil mit sich, der den Heiligen Sebastian dazu bewegen sollte, dass er einen vor einem „gaachen“ – sprich plötzlichen – Tod schütze.

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Herrmann Huber spielte mit der Diatonischen Harmonika auf. Foto: Martina Fischer

Aber auch eine humorige Herangehensweise ist den Bayern nicht fremd, etwa wenn der Brandner Kaspar dem Boandlkramer beim Kartenspielen diverse Extrajahre abknöpft. Oder wenn ein Sendlinger Bauer auf dem Sterbebett seine Frau bittet, sich schön zurechtgemacht neben ihn zu setzen. Seine Hoffnung: wenn sie dem Schnitter besser gefällt, würde er sie und nicht ihn mitnehmen.

Leben und Sterben liegen nah beieinander

Eine gute Vorbereitung auf das Ende war den Leuten in der hiesigen Gegend immer wichtig. So war alles parat und ging seinen vorgegebenen Gang. Die Angehörigen beteten. Die Fenster wurden geöffnet und die Spiegel verhängt, damit die Seele hinaus kann. Die Totenwache wurde gehalten. Der Sarg war oft schon da. „Särge wurden bei größeren Höfen mehrere auf dem Dachboden gelagert und für die Aufbewahrung von Obst verwendet,“ erklärt Wittmann. Und dann konnte man die passende Größe für den Verblichenen auswählen.

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Das Trio Ossiander-Darchinger bot Gesang und Gitarrenmusik. Foto: Martina Fischer

Doch auch das Leben wurde bei der Beerdigung gefeiert: mit einem Leichenschmaus, bei dem die Leich „vaschwoabt“ oder „obegwassert“ wurde, wobei ein „Leichenräuscherl“ nicht ehrenrührig war. Und natürlich erzählte man sich auch so manche schöne Geschichte über den Toten. Und so wurde es den Lebenden leichter ums Herz.

„Die Erinnerung an die Toten hört nie auf,“ betonte Klaus Wittmann, dass die Beerdigung keinen Endpunkt darstellt. Früher wurde oft am siebten und dreißigsten Tag nach dem Tod nochmals gefeiert, oft mit Verköstigung von Armen. Und dann gibt es ja die Jahrtage und nicht nur Allerseelen, sondern eigentlich eine ganze Seelenwoche um diese Zeit. Dabei besteht der Glaube, dass die Seelen zurückkehren, also nie vollständig von den Lebenden entfernt sind.


Einen besinnlich und interessanten Abend erlebten die Zuhörenden im Alten Schloss. Foto: Martina Fischer

Stimmungsvoll musikalisch umrahmt wurde der Abend von Hermann Huber mit Stücken auf der Diatonischen Harmonika, unter anderem mit seinen Eigenkompositionen „Mala Franziska“, einer böhmischen Polka, und dem „Cäcilienmarsch“. Das Trio Ossiander-Darchinger bot Gitarrenmusik und Gesang mit Liedern wie „Jetzt muass i aus ‚m Haus“, „Roter Mohn“ oder „Halmerl“.

Zum Weiterlesen: Heiter-Besinnliches im Ludwig-Thoma-Haus

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