Alpenspektakel auf Gut Sonnenhausen
Georg Schweisfurth bläst mit zwei Musikerkollegen den Trauermarsch. Foto: Monika Ziegler
Ein besonderes Fest auf Gut Sonnenhausen
Musik. Kulinarik. Schlachtfest. Und damit geht es los. Mit dem Schlachten eines Schweines. Vor Publikum mit Kindern. Das gehe nicht? Doch das geht, wenn es so in Ehrfurcht vor dem Leben geschieht, wie es die Familie Schweisfurth in alter Tradition zelebriert.
Ich gebe zu, ich bin aufgeregt, habe aber das Glück, das mich Senior Karl-Ludwig Schweisfurth durch die zwei Stunden des Schlacht- und Ausnehmeprozesses begleitet und mir alles erklärt. Vor Jahren durfte ich ihn für die KulturBegegnungen interviewen. Damals erzählte er, wie er vom Saulus zum Paulus wurde, vom großen Herta-Wurstfabrikanten zum Biobauern. Seine Söhne hatten ihm die Massentierhaltung und -schlachtung vorgeführt. Heute sind die Hermannsdorfer Landwerkstätten bekannt für ihre hochwertigen Bio-Produkte.
Karl-Ludwig Schweisfurth mit einer Besucherin. Foto: Monika Ziegler
Sohn Georg führt das Seminarhotel Gut Sonnenhausen, rein Bio und regional, versteht sich. Er war Podiumsgast bei unserer „Anders wachsen“-Konferenz. Jetzt lud er also zum Alpenspektakel ein. In gelben Gummistiefeln, mit weißer Schürze begrüßt er die Besucher, die sich schon um die drei Schweine geschart haben, die der Dinge harren, die da kommen und keineswegs gestresst wirken. Früher habe man noch Schlachtfeste gefeiert, heute sei das verboten, aber er habe die Ausnahme bewirkt. „Die Menschen sollen sehen was passiert.“ Er ruft dazu auf, still und andächtig zu werden und stellt die Metzger Jürgen und Alex vor.
Georg Schweisfurth erklärt den Vorgang, das Schwein schnuppert am Boden. Foto: Monika Ziegler
Jürgen erklärt, dass man nur ein Tier schlachten werde, es aber für das Schwein stressfrei sei, wenn es bis zum Schluss in der Gemeinschaft bleibe. Dann führt er das Tier heraus, es ist völlig ruhig und schnuppert am Boden herum. Sehr schnell wird ihm ein Stromschlag versetzt und es fällt um. Sofort wird es in den Hals gestochen und das Blut strömt aus dem zuckenden Körper heraus. „Mit dem Blut geht das Leben und die Seele aus dem Tier, zurück bleibt das Fleisch“, sagt Karl-Ludwig Schweisfurth. Das sei ein archaischer Vorgang, denn „wir leben von Leben“. Und er betont: „Töten in Ehrfurcht vor dem Leben, das haben unsere Metzger verinnerlicht.“
Das Schwein wird sorgfältig gereinigt. Foto: Monika Ziegler
Mir fällt es schwer, die Sätze aufzuschreiben, die Hände zittern. Da erklingt im Hintergrund ein Trauermarsch. Georg Schweisfurth bläst mit zwei Musikerkollegen das Alphorn zu Ehren des getöteten Tieres, ein bewegender Moment.
Das Schwein wird nun in Handarbeit sehr sorgsam und fast liebevoll in einem Trog mit einem Pulver eingerieben, mit heißem Wasser übergossen, dabei geht die obere Hautschicht ab. Als es ganz sauber ist, hängen die Metzger um Schweisfurth das Tier auf, damit es ausgenommen und zerteilt werden kann. „Diese Kultur der Lebensmittel, die es nur in Europa gibt, wo Würste und Brote in Handarbeit hergestellt wurden, geht verloren“, sagt Schweisfurth senior. Sie aber wollen diese handwerkliche Kultur bewahren und in die heutige Zeit umsetzen.
Die Innereien. Foto: Monika Ziegler
Inzwischen bestaunen die Zuschauer die sauber herausgetrennten Innereien. Jürgen erklärt, was man sieht: die Milz, die Bauchspeicheldrüse, Gebärmutter, das Schweinenetz, das wie ein Kunstwerk wirkt, einen riesigen Blinddarm, Dünn- und Dickdarm, die Galle legt er schnell beiseite und die Harnblase bläst er wie einen Ballon auf. Sie ist das Symbol der Schlachtung und wird aufgehängt. Inzwischen ist der Veterinär gekommen und untersucht Lymphdrüsen und macht eine klassische Trichinenschau per Mikroskop.
Bei der Blutwurstherstellung. Foto: Monika Ziegler
Auch Lunge, Herz, Leber, Zunge und Speise- und Luftröhre dürfen wir betrachten, zum Schluss bringt Georg Schweisfurth das Hirn, es ist nicht sehr groß. Im Hintergrund warten mehrere Metzger darauf, dass sie Innereien und Fleisch verarbeiten können. Ich schaue noch bei der Blutwurstproduktion zu, dann brauche ich erst mal was zu trinken.
Die Zuahäusl Aufgeiger im Innenhof von Sonnenhausen. Foto: Monika Ziegler
Draußen im Hof sind zahlreiche Buffets mit den unterschiedlichsten Gaumenfreuden aufgebaut. Nach Fleisch ist mir jetzt nicht zumute, aber feine Salate und ein Veggie-Burger, sowie leckere Kuchen warten auf Verkostung.
Dazu gibt es alpenländische Musik von der Zuahäusl Aufgeiger aus der Gegend von Nussdorf am Inn. Mit Geige, Tuba und Harmonika verbreiten die Musiker eine heimelige Stimmung. Sie wandern durch den Hof, lassen sich an verschiedenen Plätzen nieder und spielen zur Freude der Gäste auf.
„Natur pur“ in der Reithalle. Foto: Monika Ziegler
Dann aber ertönen recht schräge Klänge. Vier Männer schreiten daher und laden zum Konzert in die Reithalle ein. Es sind „Natur pur“ aus der Schweiz. Sie pflegen die Tradition des Naturjuuz, die Gesänge der Vorfahren, archaisch, ausdrucksstark. Die vier Muotathaler um Bernhard Betschart singen, jodeln, tauschen sich stimmlich aus, hören aufeinander. Damit rufen sie das Vieh in den Bergen oder vielleicht jodeln sie auch aus purer Lebensfreude. Wer Lust hat, kann bei einem Workshop mitmachen. Es gehe nicht, so Bernhard, um Schönheit des Gesangs, sondern Ausdruck.
Der musikalische Teil des Alpenspektakels wird am Nachmittag und Abend von „Oansno“, „Christoph Pepe Auer“ und „Kofelgschroa“ fortgesetzt. Und dann gibt es natürlich das vormittags geschlachtete Schwein, das von den Metzgern zu unterschiedlichen Köstlichkeiten verarbeitet wurde.
Der Regisseur Bertram Verhaag hat mit Karl-Ludwig Schweisfurth einen Film über das Schlachten eines Schweines gedreht. Er heißt: In Ehrfurcht vor dem Leben.