Achensee trifft Tegernsee
Skulpturenwiese vor dem „Alten Widum“ in Achenkirch mit Werken von Bildhauern dies- und jenseits des Achenpasses: links „Genese“ von Richard Agreiter/Tirol, rechts „Venus“ von Otto Wesendonck/Bayern. Foto: IW
Ausstellung am Achensee
30 Jahre Kulturverein Achensee und 20 Jahre gmundart – wenn das kein Grund ist, eine länderübergreifende und vor allem inspirierende Zusammenarbeit zu feiern! Am Freitag reiste eine große Delegation vom Tegernsee an den Achensee zur Vernissage der titelgebenden Ausstellung.
„Achensee trifft Tegernsee“ – bis zum Monatsende wird die Gemeinschaftsausstellung nun im Alten Widum in Achenkirch zu sehen sein. Zuvor lud sie im Jägerhaus Gmund zur jährlichen gmundart ein. Aufgrund der größeren Raumbeschaffenheit im ehemaligen Pfarrhof in Achenkirch wurde die Ausstellung um Künstler und Werke erweitert und ist daher auch für diejenigen sehenswert, welche die gmundart bereits besuchten.
Die anwesenden Kunstschaffenden vom Achensee/Tirol vor den Bildern Imad Bechara’s, (v.l.): Dr. Alexander Oltenau, Prof. Richard Agreiter, Christiane Engelhardt, Imad Bechara, Markus Thurner, Franz X. Unterberger und Dr. Reinhard Obermeir, Obmann des Kulturverein Achensee. Foto: IW
In den liebevoll restaurierten Räumen des Alten Widums dürfen sich Fotos, Malerei, Installationen und Skulpturen neu entfalten, an den Wänden und durch die Räume mäandern, andere Allianzen bilden und Blickwinkel bieten. Das i-Tüpfelchen, oder vielmehr das Ausrufezeichen der Achenkircher Ausstellung, ist ein beeindruckender Skulpturenpark vor der Tür. „Ein Gewinn für den Verein und die Gemeinde Achenkirch“, so der promovierte Kunsthistoriker Reinhard Obermeir.
EUREGIO-Projekt würdigt länderübergreifende Kulturarbeit
Möglich wurde die Skulpturenausstellung durch eine Förderung von EUREGIO. „Das bedeutet für uns eine Anerkennung unserer künstlerischen Arbeit“, so der langjährige Obmann des Kulturvereins. „Das beweist, dass diese grenzüberschreitende Verbindung nicht nur auf dem Papier besteht, sondern gelebt wird.“ Bei seiner Eröffnungsrede würdigte Reinhard Obermeir die „tatkräftige Unterstützung der bayerischen Freunde“. Insbesondere hob er die drei „gmundart-Urgesteine“ Hans Schneider, Hansi Weidinger, Peter Keck hervor sowie Kurt Gmeineder und Priska Büttel. Gemeinsam hatten diese die Ausstellung für das Alte Widum konzipiert und „in Rekordtempo“ aufgebaut.
Die „jugendlichen 20 Jahre gmundart und schlanken 30 Jahre Kulturverein Achenkirch“, so Reinhard Obermeir, bezeugten auch das gemeinsame Lernen und den inspirierenden künstlerischen Austausch. Bereits zwei Mal mündete dieser in das Ausstellungsformat „Tre laghi“ mit gemeinsamen Ausstellungen am Achensee, Tegernsee und Gardasee sowie weiteren Ausstellungen im Jagerhaus Gmund und im Alten Widum Achenkirch.
Priska Büttel (auf dem Bild vorn) stellte die anwesenden Tegernseer Künstlerinnen und Künstler vor (v.r:) Rosemarie Freiberger, Pia von Miller, Wolfram Felder, Konrad Broxtermann, Otto Wesendonck, Antonia Leitner, Ursula-Maren Fitz, Uwe Goebel, Sopi von Sopronyi, Kurt Gmeineder, Peter Keck, Jürgen Welker. Foto: IW
Auch der Bürgermeister von Achenkirch Karl Moser zollte seine Anerkennung darüber, dass beide Jubiläen diese gelungene Ausstellung begründeten. Er würdigte zugleich die langjährige Verbindung beider Künstlergruppen. Josef Stecher, Kulturreferent der Gemeinde Gmund am Tegernsee, erntete Beifall für sein spontanes Aufgreifen der Abkürzung des ersten Namens des Kulturvereins. „KID“ („Kunst im Dorf“) wurde später umbenannt in „Kulturverein Achensee – Altes Widum Achenkirch“: „Bei uns bedeutet die Abkürzung KID ‚Kriseninterventionsdienst‘“, so der Gmunder. „Und wer könnte besser als Kriseninterventionsdienst auf die Krisen unseres Alltags reagieren, als die Kunst?“
Von „Team gmundart“ gekonnt arrangiert: Oswald Unterbergers Fotografie „Struktur“ korrespondiert mit Richard Agreiters Skulptur „Das freie Spiel der Kräfte“. Foto: IW
Die gemeinsame Kunst empfängt die Besucherinnen und Besucher des Alten Widums schon von Weitem auf der grünen Wiese vor dem Gebäude. Gleich einem Einlader begrüßt die „Altwürde“ des Mauracher Bildhauers Markus Thurner die Gäste. Der riesige, zerklüftete Kopf aus Cortenstahl thematisiert das Altern. Für die Skulpturenausstellung schuf Kurt Gmeineder aus Gmund die monumentale Skulptur „Interruptio“, die ein Gegengewicht zu Richard Agreiters nicht minder monumentaler „Genese“ bildet.
Von draußen nach drinnen
Sehr lebendig nimmt sich Konrad Broxtermanns „Eule“ aus rotem Mainsandstein aus. Sie wirkt wie ein Vorbote zu Christine Engelhardts Eule aus Bronze, die sich im Gebäudeinneren zwischen abstrakten Landschaftsbildern von Jürgen Welker wohl fühlt. Konrad Broxtermanns sakral anmutende Skulptur mit der kreisrunden Glasscheibe auf der Wiese kann als ein erster Verweis auf die Glaskunst verstanden werden, die innen in einen Dialog zwischen Werken von Ursula-Maren Fitz aus Waakirchen und dem Achenseer Glaskünstler Franz X. Unterberger tritt.
Ursula-Maren Fitz und Franz X. Unterberger tauschen sich über ihre unterschiedlichen Glasverfahren aus. Foto: IW.
Franz Unterbergers Sohn Oswald Unterberger beeindruckt mit Fotografien von Landschaften, in denen Stille und Erhabenheit die Betrachtenden ruhig und sehnsüchtig werden lassen. Ähnliche Sogwirkung entwickeln Hans Weidingers ruhige Landschaftsbilder, „darin kann man spazieren gehen“, so Priska Büttel in ihrer Kurzeinführung.
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Betritt man den Flur der Ausstellungsetage, läuft eine lange Flucht geradewegs auf Priska Büttels Installation „Wunschbaum“ zu. Dabei passiert man den monumentalen Bildzyklus „Badende“ der Gmunder Malerin Ekaterina Zacharovas zur Linken und rechter Hand die Skulptur „Die verbotene Frucht“ Markus Thurners und „Gruß an Wesselmann“ von Hans Schneider.
Blick in die Ausstellung: Am Ende des Flurs steht zentral der „Wunschbaum“ von Priska Büttel. Foto: IW
Wunschbaum als Einladung an alle
Auf Seidenstreifen vergangener Arbeiten, quasi recycelt, dürfen Wünsche notiert und an den Baum geknotet werden. Der Wunsch der Künstlerin: „… dass diese tolle Zusammenarbeit noch sehr lange weiterbesteht“. Damit einher geht auch die Frage Reinhard Obermeirs: „Wie geht es weiter?“ Bei der gmundart vollzieht sich mit dem 20. Jubiläum bereits ein Generationenwechsel, für Achenkirch ist die Frage noch offen.
Pia von Miller (hier ihre Arbeit „Nie wieder“) steigt mit den Vertreterinnen ihrer Generation in die Fußstapfen der „gmundart-Urgesteine“. Sie folgt damit dem Wirken ihres Großvaters Hans Schneider. Foto: IW
Aus weißem Marmor, vulnerabel und verloren, wirkt die gekrümmt am Boden liegende Marmorskulptur eines Kleinkindes der Tiroler Künstlerin Maria Bichler. In ihrer Fotoserie „Eat the artist“ stellt sie ihren Kopf in Form einer aus Vogelfutter gefertigten Büste der Natur zur Verfügung. Die Installation ist ein Zeichen der Solidarität mit der in ihrem Lebensraum bedrohten Vogelwelt.
Über Generationen
Wolfram und Linus Felder – Vater und Sohn – zeigen ihre kongeniale Zusammenarbeit in den Figuren „Schädel“ und „Ohne Titel“. Von Rosemarie Freiberger blieb aus Gmund das Bild „Venus von Seeglas“ in Erinnerung. In Achenkirch beeindruckt sie nun zusätzlich mit der Serie „Helden“, gemalt in zeitgenössisch-urbaner und zugleich surreal wirkender Renaissancemanier.
Die Traumbilder aus Rosemarie Freibergers Serie „Helden“ folgen Filmsequenzen und zeigen zugleich die Künstlerin im Selbstporträt. Foto: IW
Die letzte Ausstellung im Alten Widum bestritten Christiane Engelhardt, die aus Bonn stammt und einen Zweitwohnsitz in Achenkirch hat, und der libanesische Künstler Imad Bechara, den es der Liebe wegen nach erfolgreichen Jahren als Innenarchitekt in Dubai an den Achensee verschlug. Beider Werke dürfen sich jetzt in den Räumen allein behaupten. Imad Becharas geheimnisvolles Buch „Oh Deer, my Dear“ lädt mit seinen aufgeblätterten Bleiseiten zum Entschlüsseln seiner Botschaften ein. Auch in seinen grafisch-gestischen Collagenbildern gibt es viel zu entdecken. Die Farben und Materialien wirken geerdet. Sie erzählen von einem Leben in/zwischen zwei Kulturen. Christiane Engelhardts Bild „Auferstehung“ stammt aus dem gemeinsamen Zyklus.
Links: Christiane Engelhardt „Neugier“. Rechts: Kurt Gmeineder „Achensee trifft Tegernsee“. Foto: IW
Zwei Seelen schlagen auch in Christiane Engelhardts Brust. Der rote und blaue Ballon in ihrem Bild „Neugier“ scheinen mit den Heißluftballonen – blau für Tegernsee/Bayern und rot für Achensee/Tirol – von Kurt Gmeineder zu korrespondieren. Dessen für die Jubiläumsausstellung im Alten Widum geschaffenes Bild hängt im Eingangsbereich und ist sein Geschenk zum 30. Jubiläum an die Achenkirchener. „Die Seen, Segelboote, Ballone, Kunst – aber auch das Bier – verbinden beide Seen“, so der Gmunder Künstler schmunzelnd. Apropos Bier: Nach der Vernissage war Anpfiff beim Eröffnungsspiel der EM. Deutschland gegen Schottland. Im Gerhard-Bosak-Saal lud eine große Leinwand zum Public Viewing ein. Die Achenkirchner hatten eigens für ein gescheites Bier gesorgt: Tegernseer!
Verbreiten Gute Laune zum 30-jährigen Jubiläum: Ehrenmitglieder Dr. Alexander Oltenau und Prof. Richard Agreiter (v.l.). Foto: IW
Zwei Ehrenmitgliedern dankte der Obmann des Kulturvereins Achenkirch besonders herzlich: Alexander Oltenau ist seit fast zwanzig Jahren mit höchstem Engagement nicht nur bei der Renovierung des Gebäudes, sondern auch bei der Veranstaltungstechnik und künstlerisch als Fotograf dabei. Der zweite Dank ging an Richard Agreiter. Mit der Skulptur „König“ in einer Auflage von 25 Stück, die er dem Verein als Schenkung überließ und verkauft wurde, konnte 2017 der Flügel im Gerhard-Bosak-Saal finanziert werden. Heuer zum Jubiläum gab es eine neue Überraschung: Auf den König folgt eine „Königin“. Interessenten können sich in eine Liste eintragen und die Bronzeskulptur zum Vorzugspreis erwerben. Das Geld kommt dem „Kulturverein Achensee – Altes Widum Achenkirch“ zugute.
Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Kulturvereins Achensee spendet Ehrenmitglied Prof. Richard Agreiter die Skulptur „Königin“ (rechts) in einer Auflage von 30 Exemplaren. Links daneben der „König“. Foto: IW