Wenn Pinsel und Feder am Fluss sitzen
Foto: Jürgen Fiege
„am Fluss… aus dem Leben gegriffen“ heißt das Buch von Jürgen Fiege und Peter Reuter. Es ist ein Werkstattgespräch, bei dem der Text eine Illustration ist und die Illustration ein Text. Die passende Lektüre und Betrachtung für Menschen, die gern in die Tiefe gehen.
In der Vorrede zum Buch wird das Prinzip klar: Hier haben sich zwei Menschen getroffen, die das Gespräch gesucht und gefunden haben, die aufeinander eingehen und ineinander aufgehen. Lieber Pinsel, schreibt der eine und liebe Feder antwortet der andere und dann schieben sich die Zeilen ineinander.
Die Feder, das ist Peter Reuter aus Kapellen-Drusweiler, Verfasser von Kurzgeschichten, Gedichten und Haikus. Er vertraut seiner Feder, die Buchstaben schreibt, denn „diese haben es etwas leichter als wir, als ich. Diese verbinden sich zumeist zu Worten und Sätze, Gedichten und auch Geschichten.“
Die japanische Gedichtform des Haikus ist in ihrer Knappheit im Grunde selbst eine Illustration und oft ohne erklärendes Bild schwer verstehbar.
Jürgen Fiege. Foto: KN
Der Pinsel ist Jürgen Fiege aus Sauerlach, studierter Gebrauchsgrafiker, der sich bei mehreren Aufenthalten in China und Japan intensiv mit Kalligrafie befasste. Er studierte die Schriftzeichen, aber dann entschied er: „Es steht mir als Europäer nicht zu, diese östliche Kalligrafie zu verwenden.“
Foto: Jürgen Fiege
Es entstand hingegen die Idee, etwas Eigenständiges zu entwerfen. So verwob er Schriftzeichen mit menschlichen Figuren oder er abstrahierte die Figuren soweit, dass sie wie Schrift wirken. Damit machte er das Bild zu einem Text. „Ich male keine Bilder, sondern ich schreibe sie mit dem Tuschepinsel“, sagt er.
Foto: NamJürgen Fiege
Dabei entstand ein Buch, das sich mit ganz persönlichen, aber auch gesellschaftlichen Themen befasst.
Da sitzt einer, barfuß, wohl in einem Fensterrahmen, ganz gelassen, in sich ruhend. Dazu der Haiku
Heute…
Habe diesen Tag
verlesen und verschrieben.
Er war gut zu mir.
Oder die wohlbekannte
Erkenntnis…
Schreiben, wenn ich es
Nur könnte. Reicht aber nicht.
Reihe nur Wörter.
Foto: Jürgen Fiege
Peter Reuter schreibt über den Krieg, über die Waffenlobby, über Rechtsstaatlichkeit und über die Menschlichkeit, nach der sich vier Arme, geschrieben mit dem Pinsel von Jürgen Fiege ausstrecken. Es sind traurige, aber auch aufrüttelnde Worte, die Peter Reute aus Buchstaben geformt hat. Es geht um Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, um den leergefegten Markt der Menschenliebe.
Dazu schrieb der Pinsel von Jürgen Fiege Maschinenmenschen, die aus riesigen runden Augen aus dem Buch heraus- und in den Leser hineinschauen.
Foto: Jürgen Fiege
Dann aber wechselt der Ton am Ende wieder. Die Liebe kommt zu Wort, gar die Erotik und Jürgen Fieges Pinsel schreibt zarte Figuren, die sich umarmen, sich küssen. Und sogar der Humor bekommt einen Platz, so beim Frikadellenblues.
Lesetipp: Wenn der Wald in die Gedichtzeilen fliesst
Ein Buch, das man mehrfach zur Hand nehmen möchte, sich mehrfach ansprechen lassen möchte von der gelungenen Kombination von Pinsel und Feder, die beide miteinander am Fluss sitzen und sich erzählen, was ihnen wichtig ist.